TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/23 Ra 2018/19/0374

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Veröffentlicht am 23.01.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 2005 §3;
AVG §58 Abs2;
AVG §58;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des A J in R, vertreten durch Dr. Monika Koidl, Rechtsanwältin in 6330 Kufstein, Kaiserbergstraße 8/2. Stock, gegen das am 17. April 2018 mündlich verkündete und am 15. Mai 2018 ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. I404 2137569-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Sudan, stellte am 14. Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund nannte er zunächst die unsichere Lage in seiner Herkunftsprovinz und gab überdies an, aufgrund seines Engagements in einer Hilfsorganisation verfolgt und gefoltert worden zu sein. Im Säumnisbeschwerdeverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er überdies aus, Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt zu haben.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, welches am 17. April 2018 im Rahmen einer mündlichen Verhandlung verkündet und am 15. Mai 2018 schriftlich ausgefertigt wurde, wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung in den Sudan zulässig sei, und gewährte dem Revisionswerber eine 14- tägige Frist für die freiwillige Ausreise.

3 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - soweit hier noch relevant - aus, das Vorbringen des Revisionswerbers betreffend die Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Hilfsorganisation sei angesichts der gehäuften, eklatanten Widersprüche in seinen Angaben nicht glaubhaft gewesen. Außerdem sei den Länderberichten nicht zu entnehmen, dass es im Sudan zu einer Gruppenverfolgung der Fur komme. Das Vorbringen, wonach der Revisionswerber aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit am Bein verletzt worden sei, sei mangels Plausibilität der geschilderten Umstände nicht glaubhaft, zudem halte sich der Bruder des Revisionswerbers nach wie vor im Sudan auf.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:

5 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter Verweis auf einschlägige Berichte zusammengefasst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es seine Ermittlungspflichten im Hinblick auf die Lage der Fur im Sudan verletzt und aufgrund dessen in der Folge eine unschlüssige Beweiswürdigung bzw. eine mangelhafte Begründung vorgenommen habe.

6 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 7 Die Begründung eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts

hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Danach erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise dabei auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0433, mwN).

8 Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen haben. Das gilt gleichermaßen für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hatte daher seinen Erkenntnissen die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen (vgl. VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0285, mwN).

9 Wie die Revision zutreffend aufzeigt, hat es das BVwG unterlassen, hinreichend aussagekräftige Feststellungen zur Lage der Fur im Sudan zu treffen und entsprechende Länderberichte heranzuziehen. Die Situation dieser Volksgruppe wird in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses trotz des Vorbringens des Revisionswerbers nicht thematisiert. Mangels entsprechender Feststellungen ist es dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, eine nachprüfende Kontrolle der angefochtenen Entscheidung vorzunehmen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Fall des Heranziehens von aktuellen, einschlägigen Berichten zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

10 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

11 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190374.L00

Im RIS seit

08.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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