TE Bvwg Beschluss 2017/10/3 I404 2004730-1

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Veröffentlicht am 03.10.2017
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Entscheidungsdatum

03.10.2017

Norm

ASVG §410
AVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

I404 2004733-1/16Z

I404 2004730-1/13Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerden der XXXX, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter & Mag. Michaela Wörgötter, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 06.04.2012 betreffend die Feststellung, dass XXXX bei der XXXX vom 01.01.2007 bis laufend der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) unterliegt sowie gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 06.04.2012 betreffend Beitragsnachverrechnung in Höhe von € 81.882,05, beschlossen:

A)

Die Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerden der XXXX gegen die Haftungsbescheide des Finanzamtes Kitzbühel/Lienz vom 24.02.2017 betreffend Lohnsteuer für die Jahre 2011 bis 2014 ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid vom 06.04.2012 stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse (im Folgenden: belangte Behörde) fest, dass XXXX (in der Folge: Mitbeteiligte) aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) vom 01.01.2007 bis laufend der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung unterliegt und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a des AlVG arbeitslosenversichert ist.

Mit einem weiteren Bescheid vom 06.04.2012 verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von € 81.882,05 für die Sozialversicherungsbeiträge betreffend den Mitbeteiligten.

2. Gegen diese Bescheide hat die Beschwerdeführerin (nunmehr als Beschwerden zu behandelnde) Einsprüche erhoben.

3. Mit Haftungsbescheiden vom 24.02.2017 wurde der Beschwerdeführerin zur Zahlung der Lohnsteuer betreffend die Jahre 2011 bis 2014 verpflichtet.

4. Gegen diese Bescheide des Finanzamtes Kitzbühel/Lienz hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit vier Bescheiden vom 24.02.2017 zog das Finanzamt Kitzbühel/Lienz die Beschwerdeführerin gemäß § 82 EStG 1988 als Arbeitgeber hinsichtlich der Abfuhr der Lohnsteuer als Haftende für die Jahre 2011 bis 2014 heran. In der Begründung dieser Bescheide wird auf den Bericht vom 24.02.2017 verwiesen, woraus hervorgeht, dass die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Dienstverhältnis gewertet und das Entgelt nachverrechnet wurde.

1.2. Gegen diese Bescheide hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhoben. Das Beschwerdeverfahren ist noch anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten samt Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anwendbares Recht

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatszuständigkeit nach § 412 ASVG nur auf Antrag in Frage kommt, unterliegt der Beschwerdefall der Zuständigkeit der Einzelrichterin.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Gemäß § 17 VwGVG ist diese Bestimmung auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anzuwenden.

Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des ASVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 132/2005 lautet wie folgt:

Pflichtversicherung

Vollversicherung

§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder

2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in

3. Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

3.2. Zu Spruchpunkt A) – Aussetzung des Verfahrens

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die wesentliche Bedeutung der Verweisung auf die Lohnsteuerpflicht nach dem EStG 1988 in § 4 Abs. 2 ASVG darin, dass für jene Zeiträume, für welche die Lohnsteuerpflicht der betreffenden Person nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 EStG 1988 mit Bescheid der Finanzbehörde festgestellt ist, auch die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG bindend feststeht (vgl. VwGH vom 13.11.2013, Zl. 2011/08/0165 und vom 19.12.2012, Zl. 2010/08/0240).

Im vorliegenden Verfahren wurden bereits vom Finanzamt Kitzbühel/Lienz Haftungsbescheide gegenüber der Beschwerdeführerin erlassen, mit welchen über die Lohnsteuerpflicht des Mitbeteiligten abgesprochen wird. Diese Bescheide wurden von der Beschwerdeführerin angefochten und die Beschwerde ist derzeit noch anhängig.

Die Frage, ob der Mitbeteiligte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum lohnsteuerpflichtig für die Beschwerdeführerin tätig war, stellt eine Vorfrage dar und bildet derzeit den Gegenstand eines beim zuständigen Verwaltungsgericht anhängigen Verfahrens im Sinne des § 38 AVG.

Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens über die Vorfrage steht es im Ermessen der Behörde, das Verfahren zu unterbrechen oder selbst die Vorfrage zu beurteilen. § 38 AVG regelt nun nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen nicht völlig ungebunden. Ihre Entscheidung kann nämlich in der Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat. Die Überlegungen, von denen sie sich dabei leiten lassen muss, werden vornehmlich solche der Verfahrensökonomie sein (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 38 Rz 59 f genannten weiteren Kriterien der möglichsten Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, der Erzielung möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidungen samt Vermeidung von Wiederaufnahmen; demgegenüber das Postulat der möglichst raschen Beendigung des Verfahrens). Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie könnte dann nicht als vorrangig angesehen werden, wenn die Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren zur selbstständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage gewesen wäre (Hinweis E vom 30. Mai 2001, 2001/11/0121, mwN, und E vom 19. Dezember 2012, 2012/08/0212).

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht möglich, ohne ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchzuführen, über die Lohnsteuerpflicht des Mitbeteiligten abzusprechen.

Da im Beitragsnachrechnungsbescheid der Beschwerdeführerin Beiträge für den Mitbeteiligten vorgeschrieben wurden, und in diesem Verfahren die Frage der Versicherungspflicht eine Vorfrage darstellt, war daher auch dieses Verfahren auszusetzen.

Es war daher im Sinne der Raschheit und Einfachheit die Aussetzung der gegenständlichen Verfahren bis zum Abschluss der im Spruch genannten Verfahren zu beschließen.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG Gebrauch.

Schlagworte

Aussetzung, Lohnsteuerpflicht, Versicherungspflicht, Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I404.2004730.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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