TE Vfgh Beschluss 1997/6/10 B331/97, B332/97, G30/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.1997
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
AVG §58 ff
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung von Beschwerden gegen Erledigungen betreffend Anträge auf Nichtigerklärung von Bescheiden und Anerkennung des Schadens aufgrund Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes nach Aufhebung von Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsrechts durch den Verfassungsgerichtshof; bloße Information über die Rechtslage; Zurückweisung eines nicht hinreichend konkretisierten Gesetzesprüfungsantrags auf Prüfung nicht näher bezeichneter Bestimmungen

Spruch

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

II. Der Gesetzesprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Mit Beschlüssen vom 27. September 1994, B 1758, 1759/93, VfSlg. 13856/1994, und vom 28. Februar 1995, B1536/94, VfSlg. 14024/1995, wies der Verfassungsgerichtshof Beschwerden des nunmehrigen Beschwerdeführers als unbegründet ab, die dieser gemäß Art144 B-VG gegen auf das Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: TGVG 1983), gestützte Bescheide der Landesgrundverkehrsbehörde bzw. der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung erhoben hatte.

1.2. Im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1996, G50/96 ua., mit dem festgestellt wurde, daß das Gesetz vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol 74/1991, verfassungswidrig war, stellte der nunmehrige Beschwerdeführer Anträge an die Grundverkehrsbehörde II. Instanz und an den Landeshauptmann von Tirol, die Nichtigkeit der einst vor dem Verfassungsgerichtshof erfolglos bekämpften Bescheide auszusprechen und den Schaden, "der durch diese Entscheidung aufgrund der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes eingetreten ist, anzuerkennen ...". In Beantwortung dieser Anträge bzw. der Urgenzen sind dem Beschwerdeführer mehrere Schriftsätze des Amtes der Tiroler Landesregierung zugekommen.

1.3. Diese bekämpft der Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof nunmehr im wesentlichen wie folgt:

"Die Schreiben, die Bescheidcharakter haben, sind zumindest rechtwidrig in dem den gestellten Anträgen nicht entsprochen wurde bzw. verstoßen die Ablehnungen auch auf verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsätze. Es kann wohl nicht rechtens sein, wenn Gesetzesgrundlagen als verfassungswidrig erklärt werden, daß Entscheidungen die aufgrund derartiger für verfassungswidrig erklärter Gesetze erfolgt sind, unbekämpfbar bleiben müssen bzw. eine Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes verweigert wird. Wenn eine Grundlage auf der eine Entscheidung aufgebaut ist in Wegfall gerät, so ist auch die Entscheidung zu beheben. Die damit befaßten Behörden hätten daher eine Behebung der in Frage kommenden Entscheidungen herbeiführen müssen, um einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. Nachdem dies nicht geschehen ist, muß es möglich sein, mit einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde diesen Umstand zu bekämpfen. Sollten jedoch einer derartigen Bekämpfungsmöglichkeit gesetzliche Bestimmungen bzw. verfassungsgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, so wird beantragt diese Bestimmungen hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit bzw. der Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Es kann wohl nicht dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen, wenn sogenannte Anlaßfälle, die gerade in den zeitlichen Rahmen einer Verfassungsentscheidung hineinfallen, begünstigt werden, im Vergleich zu allen anderen Entscheidungen, die aufgrund derselben verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage erlassen wurden. Eine derartig unterschiedliche Behandlung ist nicht gerechtfertigt und werden hiemit die Grundsätze der Verfassung erschüttert. ... Eine derartige Einschränkung des Gleichheitsgrundsatzes bzw. eine Beschränkung der Begünstigten aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, womit ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt wurde, widerspricht darüberhinaus den Richtlinien der europäischen Union und wird daher auch beantragt, nach Art177 des EU-Vertrages vorzugehen. ..."

II. 1. Die dem Verfassungsgerichtshof vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftsätze haben folgenden Wortlaut:

1.1. Schreiben vom 26. November 1996, Zl. LGv-1465/20-93:

"...

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Mit Schriftsatz vom 18.11.1996 haben Sie beantragt, den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 20.7.1994 im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.9.1986 (richtig wohl: 28.9.1996), G50/96-24 u.a., für nichtig zu erklären bzw. bezüglich dieser Entscheidung die Nichtigkeit festzustellen.

Nach §68 Abs4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

a)

von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

b)

einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

c)

tatsächlich undurchführbar ist oder

d)

an einen durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weshalb Ihrem Begehren auch nicht nähergetreten werden kann.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß gemäß §68 Abs7 AVG niemandem ein Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß dem Abs4 zustehenden Behebungsrechtes zusteht. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach §35 zu ahnden.

Ob eine Behörde von dem Abänderungs- und Behebungsrecht nach §68 Abs2 bis 4 AVG Gebrauch machen will, ist in ihr freies Ermessen gestellt. Lehnt die Behörde dies ab, so kann mangels eines Anspruches auf die Handhabung dieses Rechts niemand die Ablehnung der Behörde, in welcher Form diese auch ergeht, zulässigerweise mit einem Rechtsmittel bekämpfen (VwGH 8.9.1982, 82/01/0176, ebenso VwGH 11.12.1985, 85/01/0295).

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landes-Grundverkehrskommission:

..."

1.2. Vom 18. Dezember 1996, zu Zl. LGv-1336/18-92 und zu Zl. LGv-1465/21-93, jeweils gleichlautend:

"...

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Bezugnehmend auf Ihre Eingabe vom 2.12.1996 darf auf das Schreiben der Landes-Grundverkehrskommission vom 26.11.1996 verwiesen werden. Eine weitergehende Erledigung wird - auch im Falle künftiger Eingaben - nicht erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landes-Grundverkehrskommission:

..."

1.3. Vom 14. Januar 1997, Zl. LH Zl. ra 1/1:

"...

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Was Ihren Antrag auf Nichtigerklärung des Bescheides der Landesgrundverkehrskommission vom 20. Juli 1994 betrifft, darf auf das Schreiben der Landesgrundverkehrskommission vom 26. November 1996, Zl. LGv-1465/21-93, verwiesen werden. Den rechtlichen Ausführungen dieses Schreibens schließt sich der Herr Landeshauptmann vollinhaltlich an.

Weiters darf darauf hingewiesen werden, daß Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes selbstverständlich ex nunc wirken und niemals rückwirkend, außer der Verfassungsgerichtshof bestimmt in seinem Erkenntnis eine andere Frist (siehe Art140 Abs5 B-VG).

Vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, daß es sich beim Tiroler Grundverkehrsgesetz um ein Landesgesetz handelt und daher der Herr Landeshauptmann niemals wie von Ihnen angenommen "übergesetzte Behörde" sein kann.

Mit freundlichen Grüßen

..."

1.4. Vom 27. Januar 1997, Zl. LH Zl. ra 2/2:

"...

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen darf auf die Ausführungen des Gefertigten im Schreiben vom 14. Jänner 1997, Zl. LH ra 2/1, verwiesen werden. Die dortigen Ausführungen über eine Rückwirkung von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes bzw. Zuständigkeiten betreffend Landesgesetze werden inhaltlich voll aufrechterhalten.

Nur vollständigkeitshalber darf darauf hingewiesen werden, daß Ihr Antrag als Anregung zur Nichtigerklärung eines Bescheides gem. §68 Abs4 AVG gewertet wird.

§68 Abs7 AVG lautet wie folgt:

Auf die Ausübung des der Behörde gemäß 10 Abs2-4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemanden ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach §35 zu ahnden.

Beschwerden gegen die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung gemäß §68 Abs7 AVG werden gemäß ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung durch diesen zurückgewiesen (vgl. VStG 90-95; VfGH 2511/1982 Slg 95-55).

Mit freundlichen Grüßen

..."

2.1. Die angefochtenen Schreiben ergingen nicht in der äußeren Form eines Bescheides nach den §§58ff. AVG; sie sind nämlich weder mit "Bescheid" überschrieben noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Nun ist zwar auch eine formlose Erledigung als Bescheid anzusehen, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Inhalt eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, also für den Einzelfall Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (VfSlg. 11415/1987 und die dort zitierte Vorjudikatur 12321/1990 und 13669/1994). Ob dies der Fall ist, kann sich auch daraus ergeben, ob die Behörde von Rechts wegen verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen, ist also vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. 13723/1994, 13750/1994, VfSlg. 14152/1994, VfGH 19.6.1996, B928/96, uvam.).

2.2. Doch kann nach dem klaren Wortlaut und Sinngehalt der bekämpften Schreiben kein Zweifel bestehen, daß die Mitarbeiter der Grundverkehrsbehörde II. Instanz bzw. des Landeshauptmannes von Tirol den Beschwerdeführer - wenn auch über seinen Antrag - bloß über die gegebene Rechtslage - informativ - in Kenntnis setzten. Dies umso mehr, als das vom Beschwerdeführer angezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. September 1996, G50/96 ua., aus dem Blickwinkel des Art140 B-VG keinerlei rechtliche Grundlage dafür bietet, die bereits seit Jahren abgeschlossenen Grundverkehrsverfahren des Beschwerdeführers wieder aufzurollen. Solche den Charakter einer schlichten Mitteilung tragende Rechtsbelehrungen entbehren aber des individuell-normativen Inhalts, wie ihn Art144 Abs1, erster Satz, B-VG zwingend verlangt (vgl. VfSlg. 11415/1987 und die dort zitierte Vorjudikatur, 11698/1988, 12321/1990, 13342/1993).

2.3. Die Beschwerden sind daher, da es an einem tauglichen Beschwerdegegenstand mangelt, unzulässig. Sie waren somit wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

3. Der Antrag, die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

III. Auch der Individualantrag

erweist sich als unzulässig:

1. Gemäß §62 Abs1, erster Satz, VerfGG 1953 muß ein sogenannter Individualantrag begehren, "daß entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden".

2. Der unter Pkt. II.1.3. im wesentlichen wiedergegebene Antrag enthält entgegen der zwingenden Vorschrift des §62 Abs1 VerfGG 1953 keine bestimmte Bezeichnung jener Gesetzesstellen, deren Aufhebung begehrt wird (vgl. zB VfSlg. 9046/1981, 9850/1983, 10141/1984, 11802/1988). Der Verfassungsgerichtshof ist aber nicht befugt, Gesetzesbestimmungen aufgrund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen(teile) der Antragsteller ins Auge gefaßt haben könnte, in Prüfung zu ziehen (VfSlg. 8552/1979, 11152/1986, 11802/1988). Dem Antrag haftet sohin schon aus diesem Grunde ein nicht im Sinne des §18 VerfGG 1953 verbesserungsfähiger - gravierender - Mangel an (vgl. VfSlg. 10702/1985, 11152/1986, 11802/1988, 12859/1991).

3. Der Individualantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B331.1997

Dokumentnummer

JFT_10029390_97B00331_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten