TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/17 Ra 2018/17/0143

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Veröffentlicht am 17.01.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VStG §16 Abs2;
VStG §44a Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des T M in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 4. Mai 2018, LVwG-S-974/005-2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die Strafe und der Spruchpunkte 2. und 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14. März 2016 wurde der Revisionswerber als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz (GSpG) mit fünf Glücksspielgeräten, eines davon ein sogenanntes "Cash-Center", schuldig erkannt; es wurden über ihn fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,-- (sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit fünf Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils sechs Tagen) verhängt, weil diese Gesellschaft in einem näher bezeichneten Wettbüro verbotene Ausspielungen mit in ihrem Eigentum stehenden "Glücksspielgeräten" veranstaltet habe.

2 Der Revisionswerber erhob am 13. April 2016 gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde.

3 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 10. Mai 2017, Zl. LVwG-S-974/001-2016, wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass sich die Strafnorm auch auf § 52 Abs. 2 GSpG stütze (Spruchpunkt 1.). Weiters wurde der Kostenbeitrag des Beschwerdeverfahrens mit EUR 3.000,-- festgesetzt (Spruchpunkt 2.), sowie die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt 3.).

4 Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 27. März 2018, Ra 2017/17/0969-6, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf und führte aus, der bloße Betrieb eines "Cash-Centers" (als Komponente eines Glücksspielgeräts) stelle keine Ausspielung dar, sodass damit allein nicht gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verstoßen werde; eine diesbezügliche Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG erweise sich daher als rechtswidrig.

5 Mit dem nun mehr angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich das Straferkenntnis hinsichtlich des näher bezeichneten "Cash-Centers" auf und stellte diesbezüglich das Verfahren ein (Spruchpunkt 1.). Hinsichtlich der vier weiteren näher bezeichneten Glücksspielgeräte wies das Landesverwaltungsgericht die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde ab und sprach aus, dass sich die Strafnorm "auch auf § 52 Abs. 2 Glücksspielgesetz" stütze (Spruchpunkt 2.). Zudem wurden die verwaltungsbehördlichen Verfahrenskosten mit EUR 1.200,-

- neu festgesetzt und es wurde ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens von EUR 2.400,-- vorgeschrieben (Spruchpunkt 3.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).

6 Erkennbar lediglich gegen Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu überprüfen (vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735).

12 Der Revisionswerber hält in seiner Zulässigkeitsbegründung dem angefochtenen Erkenntnis einerseits die Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG entgegen, andererseits behauptet er, das angefochtene Erkenntnis stehe sowohl in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG als auch zu jener zu § 44a Z 3VStG. Zuletzt wird vorgebracht, dass zwischen der verhängten Geldstrafe und der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe ein auffallendes Missverhältnis nicht bestehen dürfe, zumindest aber eine diesbezügliche Begründung der Strafbemessung erforderlich sei.

13 Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Strafausspruch richtet, schon aus dem aufgezeigten Grund des Verstoßes gegen § 16 Abs. 2 VStG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig und berechtigt.

14 Zum Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe ist festzuhalten, dass nach dem - vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden - § 16 Abs. 2 VStG die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.

15 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/17/0081).

16 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht durch die Bestätigung des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses - ausgehend von einem Strafrahmen von EUR 3.000,-- bis EUR 30.000,-- pro Glücksspielgerät - eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe hingegen wurde bei einer Höchststrafe von 14 Tagen pro Glücksspielgerät mit 6 Tagen bemessen. Diese Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe steht mit knapp 43% der möglichen Höchststrafe in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der Geldstrafe, die mit der Mindeststrafe (zehn Prozent der Höchststrafe) festgesetzt wurde. Eine Begründung für die Ausmessung der Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Höhe ist weder dem verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis noch dem angefochtenen Erkenntnis zu entnehmen.

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich. Da eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgte, belastet dies den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit (vgl. VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0056).

18 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Gänze aufzuheben (vgl. z.B. VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141, mwN).

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Strafausspruchs und des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Verfahrenskosten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20 Zum weiteren den Strafausspruch betreffenden Zulässigkeitsvorbringen der Revision siehe betreffend § 44a Z 1 VStG z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2018, Ra 2017/17/0787 bis 0788; und vom 26. Juni 2018, Ra 2017/17/0795, mwN, zu 44a Z 3 VStG das hg. Erkenntnis vom 15. November 2017, Ra 2017/17/0021 bis 0023).

21 Soweit sich die Revision gegen den Schuldausspruch richtet, ist sie zurückzuweisen:

22 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht in Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

23 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff, VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

24 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. die davon normierte Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht in Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

25 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170143.L00

Im RIS seit

07.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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