TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/15 97/07/0223

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Veröffentlicht am 15.07.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §39 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der Mag. I in D, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 4/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. November 1997, Zl. 411.431/02-I4/97, betreffend eine Angelegenheit des Wasserrechtes (Mitbeteiligte Partei: HL in D, vertreten durch Dr. Dieter Possnig, Rechtsanwalt in Villach, Moritschstraße 5/II/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Aktenvermerk vom 23. November 1995 wurde von der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan (BH) beurkundet, dass u. a. die Beschwerdeführerin bei der genannten Behörde darüber Beschwerde geführt habe, dass durch die mitbeteiligte Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) in der Ortschaft mehrere Gräben gezogen worden seien, die den natürlichen Abfluss der Niederschlagswässer veränderten. Hiedurch komme es nicht nur im Bereiche eines Bringungsweges, sondern auch im Bereiche der Grundstücke der Beschwerdeführerin zu unzumutbaren Vernässungen und Vermurungen.

In der von der BH am 29. Mai 1996 durchgeführten Verhandlung stellte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik fest, dass in einem Hohlweg eine Anschüttung von ca. 1 m Höhe errichtet worden sei, mit welcher die natürlichen Abflussverhältnisse dahin geändert worden seien, dass das Oberflächenwasser nicht mehr in südliche Richtung abfließe, sondern in südwestliche Richtung. Zusätzlich sei noch ein Spitzgraben sichtbar, in welchem das Oberflächenwasser in diese südwestliche Richtung abgeleitet werde. Von diesem Spitzgraben in südwestlicher Richtung fließe das Oberflächenwasser über einen Privatweg der mP, über eine darunter liegende Wiese der mP, auf den öffentlichen Rechtsweg und in weiterer Folge auf das Grundstück der Beschwerdeführerin und den Bringungsweg. Damit die natürlichen Abflussverhältnisse wieder hergestellt werden, müsste diese Anschüttung im Bereiche des Hohlweges entfernt und der Spitzgraben zugeschüttet werden.

Die mP bestritt, die Fließrichtung verändert zu haben, sie habe lediglich einen schon bestehenden Damm erhöht, wobei die Dammschüttung gemeinsam mit der Beschwerdeführerin erfolgt sei. Dem trat die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen entgegen, dass die mP zwar Arbeiten zur Erneuerung einer alten Quellstube der gemeinsamen Wasserversorgungsanlage durchgeführt und deren Kosten der Beschwerdeführerin zur Hälfte angelastet habe, dass die gesamte Ausführung der Arbeiten aber in Händen der mP gelegen sei. Die Beschwerdeführerin habe sich an der Errichtung des Dammes nicht beteiligt und komme bezüglich der von der mP bewirkten Veränderung des natürlichen Wasserlaufes auf ihren ursprünglichen Antrag zurück.

Mit Bescheid vom 5. Juni 1996 verpflichtete die BH unter Berufung auf §§ 39 und 98 WRG 1959 die mP dazu, binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides "den auf Parzelle 4400 errichteten Erdwall zu entfernen und den auf Parzelle 2442 errichteten Graben zuzuschütten".

Gegen diesen Bescheid erhob die mP Berufung, in welcher sie die ihr vorgeworfene Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse bestritt. Sie habe auf dem Hohlweg Parzelle Nr. 4400 keinen Damm errichtet, sondern nur das Aushubmaterial der Quellstube im Bereich des Grundstückes Nr. 4400 flächig verteilt. Im Hohlweg sammelten sich Wässer aus den bergwärts liegenden Flächen, die seit jeher in der Richtung zu Tal geflossen seien, in der sie auch jetzt noch fließen würden. Die Beschwerdeführerin habe im Übrigen an der Planierung des Aushubs aus der Quellstube im Rahmen der Festlegung der Fläche mitgewirkt und zudem selbst nördlich ihres Anwesens Wasserabflussvorrichtungen zugeschüttet und solcherart die Abflussverhältnisse selbst zum Nachteil ihrer Liegenschaft verändert.

Nachdem die Beschwerdeführerin den Berufungsausführungen erwidert und eine Entscheidung über die Berufung der mP urgiert hatte, hielt der Landeshauptmann von Kärnten als Berufungsbehörde am 5. Juni 1997 eine Verhandlung ab, in welcher der vom Landeshauptmann beigezogene Amtssachverständige für Hydrogeologie ausführte, dass im Mündungsbereich des Hohlweges Parzelle Nr. 4400 oberhalb des Anwesens der mP ein quer zum Graben angelegter Wall erkannt werden könne, der gegen Südwesten in einen Wassergraben übergehe. In diesem Graben könne festgestellt werden, dass es zumindest bei Niederschlag zu Erosionserscheinungen komme. Durch den Wall und durch den angelegten Graben erfolge ein konzentrierter Abfluss der Oberflächenwässer, die im Einzugsbereich des oberliegenden Hohlweges anfielen. Das oberliegende Gelände werde in der Natur als Wiese genutzt und weise eine leichte Hangmuldenstruktur auf. Im Mündungsbereich dieser muldenartigen Gestaltung liege der Weiler, in dessen Bereich laut Auskunft der Anrainer bei Extremwettersituationen immer wieder Probleme mit dem Oberflächenwasserabfluss aufträten. Nach dem Geländebefund müsse davon ausgegangen werden, dass durch die Errichtung des Walles im Öffnungsbereich des Hanggrabens der Abfluss aus dem Hohlgraben konzentriert gegen Südwesten geleitet werde. Nach der Oberflächengestaltung unterhalb des Walles und einem vorgelegten Foto sei davon auszugehen, dass vor Errichtung des Walles der Abfluss im Mündungsbereich sich flächenhaft über die Parzellen Nr. 2442 und 2444 und die östlich anschließenden Parzellen verteilt habe. Durch Abkehren, die in diesem Bereich angelegt worden seien, sei allerdings versucht worden, die Ableitung gegen Südwesten aufrecht zu erhalten, da im Mündungsbereich die Hofstelle des Anwesens der mP gelegen sei. Aufgrund der Untergrundverhältnisse sei eine Versickerung kaum möglich.

Die mP bestritt auch in dieser Verhandlung die ihr vorgeworfene Veränderung der Abflussverhältnisse. Die aus dem Hohlweg ankommenden Wässer seien seit jeher westlich des Anwesens der mP zu Tal geflossen. Eine Beseitigung des Walles und des Grabens würde die Verhältnisse für die Beschwerdeführerin nicht verbessern. Für die zuvor bestandenen Abflussverhältnisse seien in der Berufung Zeugen genannt worden, auf deren Vernehmung bestanden werde.

Der Amtssachverständige für Hydrogeologie erwiderte, dass durch den Wall die Ableitung gegen Südwesten hergestellt und durch den angeschlossenen Graben die konzentrierte Ableitung weiter hangabwärts geführt worden sei. Je früher die flächenhafte Verteilung stattfinde, desto geringer sei die Auswirkung im unterliegenden Gelände vor allem im Hinblick auf Fremdeigentum zu erwarten.

Mit einer weiteren Eingabe bezog sich die Beschwerdeführerin auf eine Äußerung der Verhandlungsleiterin in der Berufungsverhandlung vor dem Landeshauptmann des Inhaltes, dass die Wasserrechtsbehörde hinsichtlich der Parzelle Nr. 4400 deswegen keinen Auftrag erteilen könne, weil es sich bei dieser Parzelle um öffentliches Gut handle. Die Beschwerdeführerin führte dazu aus, dass die Wegparzelle Nr. 4400 tatsächlich ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken diene, über öffentlichen Grund überhaupt nicht erreichbar und völlig eingebettet in die umgebenden landwirtschaftlich genutzten Flächen im Eigentum der mP sei. Es sei die Bestimmung des § 39 WRG 1959 demnach zweifellos auch auf den Hohlweg und den ihn an seinem talseitigen Ende sperrenden Wall anzuwenden.

Nachdem die Beschwerdeführerin schließlich den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung der mP an die belangte Behörde begehrt hatte, gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufung der mP gegen den Bescheid der BH vom 5. Juni 1996 dahin Folge, dass sie den vor ihr bekämpften Bescheid ersatzlos behob und dies damit begründete, dass sich die Bestimmung des § 39 WRG 1959 nur auf unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke beziehe. Eine Anwendung der Bestimmung des § 39 WRG 1959 sei hingegen ausgeschlossen, wenn auch nur das obere oder das untere Grundstück den Charakter eines der Landwirtschaft gewidmeten Grundes und Bodens nicht aufweise. Im vorliegenden Fall handle es sich bei den unteren Grundstücken, zu deren Nachteil die Abflussverhältnisse auf den Parzellen Nr. 4400 und 2442 durch die mP verändert worden seien, um den Baugrund 198/2 (Stallgebäude) und 2505 (Hoffläche) der Beschwerdeführerin, um die Hofzufahrt P. (Parzelle Nr. 2514/3) sowie den Bringungsweg, und damit um keine der Landwirtschaft gewidmeten Grundstücke. Die Regelung des Abflusses von Niederschlagswässern zum Schutze verbauter Liegenschaften sei aber von der Baubehörde zu entscheiden; eine Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung des Gegenstandes liege daher nicht vor. Es lägen die gefährdeten Bauwerke zwar in einer Anlage, die bei stärkeren Regenfällen durch die von der mP durchgeführten Maßnahmen zweifellos Vernässungen und Überschwemmungen ausgesetzt sein könnte. Die zur Hintanhaltung von Schadenseinwirkungen erforderlichen Maßnahmen könnten jedoch nur im Zusammenwirken mit allen Grundeigentümern durchgeführt werden und fielen nicht in den Kompetenzbereich der Wasserrechtsbehörde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der aus dem Gesamtzusammenhang ihres Vorbringens erkennbaren Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem aus § 39 WRG 1959 erfließenden Recht auf Unterbleiben einer willkürlichen Veränderung des natürlichen Abflusses der Gewässer durch die mP als verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Den gleichen Antrag hat die mP gestellt.

Die Beschwerdeführerin hat repliziert und der dagegen erstatteten Erwiderung durch die belangte Behörde noch weiteres Vorbringen entgegengesetzt.

Auch die mP hat weiteres Vorbringen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 39 Abs. 1 WRG 1959 darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluss der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern.

Handelt ein Grundstückseigentümer dieser Vorschrift des Wasserrechtsgesetzes zuwider, dann verwirklicht er damit den Tatbestand des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959, nach welchem unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten ist, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Februar 1998, 97/07/0175, und vom 23. Februar 1993, Slg. N.F. Nr. 13.785/A).

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, hat die Bestimmung des § 39 Abs. 1 WRG 1959 ihren Anwendungsbereich nur für unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke (vgl. die bei Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Tz 2 zu § 39 WRG 1959 wiedergegebene höchstgerichtliche Judikatur ebenso wie etwa auch das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, 95/07/0088). Die belangte Behörde meint, weil die von den Veränderungen der Abflussverhältnisse durch die mP nachteilig berührten unteren Grundstücke im Sinne des § 39 Abs. 1 WRG 1959 keine der Landwirtschaft gewidmeten Grundstücke im Sinne dieser Rechtsprechung seien, habe der Bescheid der BH vom 5. Juni 1996 zufolge Unzuständigkeit der Wasserrechtsbehörde mangels Anwendungsbereiches des § 39 WRG 1959 ersatzlos behoben werden müssen. Mit diesem Ergebnis des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde aber Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung das Ergehen eines anders lautenden Bescheides nicht ausgeschlossen werden kann. Die belangte Behörde hat es nämlich verabsäumt, der Beschwerdeführerin zur Frage der landwirtschaftlichen Nutzung ihrer durch die von der mP bewirkten Abflussveränderungen nachteilig betroffenen Grundstücke das Parteiengehör zu gewähren, und hat damit überdies gegen das auch im Verwaltungsverfahren geltende Überraschungsverbot (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1993, 93/07/0004, vom 16. Dezember 1996, 96/10/0015, und vom 20. Oktober 1998, 95/21/0491) verstoßen.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift selbst Zweifel an der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides über den Charakter der von der Abflussänderung betroffenen Grundstücke der Beschwerdeführerin einräumt, dazu aber ins Treffen führt, dass die mP nicht Eigentümer des auf Parzelle Nr. 4400 liegenden Hohlweges sei, und aus diesem Grunde meint, dass ein ihr unterlaufener Irrtum in der Beurteilung der Grundstücke der Beschwerdeführerin deshalb den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig machen könne, irrt sie. Zum einen können unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommene Sachverhaltsfeststellungen eines angefochtenen Bescheides nicht in der Gegenschrift durch neuerungsweise vorgebrachte Behauptungen der belangten Behörde ausgetauscht und kompensiert werden. Zum anderen war mit dem vor der belangten Behörde bekämpften Bescheid der mP auch die Zuschüttung eines Grabens auf der Parzelle Nr. 2442 aufgetragen worden, die unstreitig im Eigentum der mP liegt. Der Vollständigkeit halber sei zudem noch angemerkt, dass die Beschwerdeführerin zum Charakter der Parzelle Nr. 4400 im Berufungsverfahren ein Sachvorbringen erstattet hat, das einer Auseinandersetzung durchaus bedürftig war.

Der angefochtene Bescheid war, da sein Spruch auf einer Tatsachenfeststellung der belangten Behörde beruht, die in einem mit einem relevanten Mangel behafteten Berufungsverfahren zustande gekommen ist, deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997070223.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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