TE Bvwg Beschluss 2018/12/4 W123 2210191-1

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Veröffentlicht am 04.12.2018
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Entscheidungsdatum

04.12.2018

Norm

BVergG 2006 §12 Abs1 Z2
BVergG 2006 §141
BVergG 2006 §2 Z8
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2
BVergG 2006 §6
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
B-VG Art.133 Abs9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W123 2210191-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über den Antrag der XXXX , vertreten durch XXXX , auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Psychiatrische stationäre Rehabilitation in den Versorgungszonen Nord, Ost und West" zu Los 2 (Versorgungszone Ost), der Auftraggeberin XXXX vertreten durch XXXX , vom 26.11.2018, den Beschluss:

A)

Dem Antrag wird insoweit stattgegeben, als es der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren "Psychiatrische stationäre Rehabilitation in den Versorgungszonen Nord, Ost und West" betreffend Los 2 (Versorgungszone Ost) untersagt wird, die Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung zu versenden, den Bietern den Abschluss der Verhandlungen bekannt zu geben und die Aufforderung zur Angebotsabgabe an die ausgewählten Bieter zu versenden.

Im übrigen Umfang wird der Antrag abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 26.11.2018 stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren in Verbindung mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 14.11.2018 an die Antragstellerin, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühr bzw. auf Rückerstattung zu viel entrichteter Pauschalgebühr.

Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass sich die Begründung des Ausscheidens nicht mit den Festlegungen in der Ausschreibung decke. Sollte dennoch davon ausgegangen werden, dass ein Mangel vorliege, würde es sich um einen behebbaren Mangel handeln, weshalb die Auftraggeberin die Antragstellerin zur Verbesserung des Antrages hätte auffordern müssen.

2. Am 28.11.2018 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde folgendes Vorbringen erstattet:

"Die Auftraggeberin spricht sich in diesem Zusammenhang nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung für das Los 2 (Versorgungszone Ost) aus, mit welcher der Auftraggeberin die Versendung der Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung untersagt wird (als das ‚gelindeste noch zum Ziel führende Mittel' im Sinne des § 351 Abs 3 Bundesvergabegesetz 2018, BGBl I Nr 65/2018). Sie tut dies im Vertrauen auf eine möglichst rasche Entscheidung des BVwG in der Sache selbst."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung "PVA - Psychiatrische stationäre Rehabilitation in den Versorgungszentren Nord, Ost und West" Dienstleistungen mit dem CPV-Code 85100000 (ergänzende Gegenstände 75300000 85310000) nach dem Bestbieterprinzip im Oberschwellenbereich in einem zweistufigen Zertifizierungsverfahren aus. Es erfolgte eine Unterteilung in drei Lose, das verfahrensgegenständliche Los 2 betrifft die Versorgungszone Ost (Nordburgenland, Niederösterreich, Wien). Der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer für Los 2 (Versorgungszone Ost) beträgt EUR 23.869.377,--. Es handelt sich hierbei um die Ausschreibung einer nicht prioritären Dienstleistung gemäß § 141 BVergG 2006 zur "Erbringung von Leistungen der psychiatrischen stationären Rehabilitation in den Versorgungszonen Nord, Ost und West". Die Laufzeit des Rahmenvertrages beträgt 36 Monate. Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 29.11.2017 zur unter der Ausschreibungsnummer 2017/S 229-478005 und im Amtlichen Lieferungsanzeiger vom 28.11.2017.

Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als zweistufiges Zertifizierungsverfahren durch und das Verfahren befindet sich in der zweiten Stufe.

Am 31.08.2018 wurden den in der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens zugelassenen Bietern die Ausschreibungsunterlagen 1. Fassung (neu) übermittelt. Die Antragstellerin übermittelte ihr Angebot 1. Fassung fristgerecht. Am 14.11.2018 um 08:30 Uhr fand ein Verhandlungsgespräch in den Räumlichkeiten der Antragstellerin statt.

Mit Schreiben vom 14.11.2018 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass deren Angebot für das gegenständliche Vergabeverfahren zu Los 2 ausgeschieden werde.

Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.

Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.2 § 28 Abs 1 VwGVG ("Erkenntnisse"), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[...]"

§ 31 Abs 1 VwGVG ("Beschlüsse") ordnet Folgendes an:

"§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

[...]"

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende

Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.1.3 Zu Bestimmungen gemäß § 58 Abs 2 VwGVG zählt der 4. Teil des BVergG, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vorgeht. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:

"4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

(2) ...

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) ...

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) ...

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(3) ...

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

...

Inkrafttretens-, Außerkrafttretens- und Übergangsvorschriften

§ 376. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme der Einträge im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 62, 66, 232, 237, 367 und 368 und der §§ 54 Abs. 2, 62 samt Überschrift, 66 samt Überschrift, 223 Abs. 2, 232 samt Überschrift, 237 samt Überschrift, 367 samt Überschrift, 368 samt Überschrift und des 2. Abschnittes von Anhang VIII samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zugleich tritt das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, außer Kraft.

(2) ...

(4) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2018 neu gefassten Bestimmungen gilt Folgendes: Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Abs. 1 und 2 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage."

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Maßgebliche Rechtslage:

Am 21.08.2018 trat das BVergG 2018 nach seinem § 376 Abs 1 in Kraft und das BVergG 2006 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.

Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Vergabeverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 eingeleitet waren, nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Vergabeverfahren im November 2017 eingeleitet wurde, ist es nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage, dem BVergG 2006, zu Ende zu führen und zu beurteilen.

Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Nachprüfungsverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig waren, nach der nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Da das gegenständliche Nachprüfungsverfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, ist es nach der Rechtslage des BVergG 2018 zu führen.

3.3. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und Zulässigkeit des Antrages:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

Auftraggeber iSd § 2 Z 8 BVergG 2006 ist die Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Die PVA ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BVergG 2006. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen nicht prioritären Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 iVm § 141 BVergG 2006. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer für Los 2 (Versorgungszone Ost) EUR 23.869.377,00, sodass es sich gemäß § 12 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit b B-VG ist sohin gegeben.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.

3.4. Inhaltliche Beurteilung des Antrages:

3.4.1. Die Antragstellerin stellte in Bezug auf die Erlassung der einstweiligen Verfügung folgenden Antrag:

"Das Bundesverwaltungsgericht möge [...]

folgende für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens (vgl lit a) befristete einstweilige Verfügung erlassen[:] ‚Der Pensionsversicherungsanstalt ist es bei sonstiger Exekution untersagt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend das Vergabeverfahren der Pensionsversicherungsanstalt ‚PVA - Psychiatrische stationäre Rehabilitation in den Versorgungszonen Nord, Ost und West', Referenznummer der Bekanntmachung der Bekanntmachung im Supplement des Amtsblatts der Europäischen Union: 2017/S 229-478005, Projektnummer 2017/25, über den oben (vgl lit a) bezeichneten Antrag auf Nichtigerklärung der zu Los 2 ergangenen angefochtenen Entscheidung vom 14.11.2018 (Beilage ./1), mit der unser Angebot ausgeschieden wird,

c1. das Vergabeverfahren fortzusetzen, insbesondere die Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung zu versenden bzw. den Bietern den Abschluss der Verhandlungen bekannt zu geben und diese zur Abgabe weiterer Angebote (Angebote 2. Fassung/verbindliche Angebote) aufzufordern;

in eventu

c2. weitere Angebote (verbindliche Angebote) zu öffnen bzw. das Zertifizierungsverfahren einzuleiten;

in eventu

c3. den Auftrag zu erteilen bzw. Rahmenverträge abzuschließen.'"

Die Antragstellerin begründete den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung im Wesentlichen damit, dass diese ein erhebliches Interesse an der ausgeschriebenen Dienstleistung dargetan habe und die Erlassung einer auf die Dauer des Nachprüfungsverfahrens befristeten einstweiligen Verfügung die Auftraggeberin nicht wesentlich behindere. Das Projekt werde um die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, in der Regel maximal acht Wochen, verzögert, welcher Umstand Hinblick auf die Bedeutung des Projekts von untergeordneter Bedeutung sei. Ein allenfalls bestehender, geringfügiger zeitlicher Druck stehe vor dem Hintergrund der Größe des Projekts in keinem Verhältnis zu der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. In diesem Sinn seien weder öffentliche Interessen noch sonstige private Interessen durch eine Verzögerung des Projekts betroffen; der Erlassung einer einstweiligen Verfügung würden keine sonstigen Interessen entgegenstehen. Dass das Projekt selbst durch die Verzögerung eines Nachprüfungsverfahrens nicht gefährdet wäre und die zeitliche Komponente des Nachprüfungsantrags völlig unerheblich sei, zeige sich vor allem am Umstand, dass zwischen erstmaliger Bekanntmachung der Ausschreibung (29.11.2017) und dem Verhandlungsgespräch mit der Antragstellerin (14.11.2018) fast zwölf Monate vergangen seien.

In der hg. am 28.11.2018 eingelangten Stellungnahme sprach sich die Auftraggeberin ausdrücklich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher dieser die Versendung der Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung untersagt werde, aus.

3.4.2. Die Interessen der Antragstellerin bestehen daher im Wesentlichen im Erhalt des Auftrags und zu diesem Zweck in der Teilnahme an der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens.

Die Auftraggeberin brachte keine gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechenden eigenen oder öffentlichen Interessen vor.

3.4.3. Zum Antrag auf Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens

Soweit sich das Begehren der Antragstellerin auf die Untersagung der Fortsetzung des gesamten Vergabeverfahrens richtet, ist dieses unabhängig vom Ausgang der Interessenabwägung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 als überschießend abzuweisen. Dem Bundesverwaltungsgericht ist kein Grund bekannt und ist das Vorliegen eines solchen seitens der Antragstellerin auch nicht entsprechend vorgebracht worden, welcher es erfordern würde, die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin derart weitgehend einzuschränken. Die beantragte Maßnahme stellt in Hinblick auf die mit dieser einstweiligen Verfügung zu verfolgenden Ziele nach der ständigen Rechtsprechung nicht das nötige und gelindeste Mittel dar (zB BVwG 22. 12. 2016, W187 2137620-1/2E; 15. 9. 2017, W139 2170025-1/7E; 3. 10. 2018, W187 2206514-2E).

Da die in dieser Hinsicht beantragte Maßnahme daher als überschießend zu bewerten ist, war der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung diesbezüglich abzuweisen.

3.4.4. Zum Antrag auf Untersagung

a. des Versandes der Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung,

b. der Bekanntgabe des Abschlusses der Verhandlungen an die Bieter und

c. der Aufforderung der Bieter zur Abgabe weiterer Angebote (Angebote 2. Fassung/verbindliche Angebote)

Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu beachten ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (vgl. EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).

Öffentliche Interessen, die eine sofortige Erklärung des Widerrufs und Neuausschreibung des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.

Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen.

Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die der Antragstellerin bei Zutreffen ihres Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

Da die Zustellung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Auftraggeberin nicht gemäß § 351 Abs 5 BVergG hindert, Bieter zur Angebotsabgabe einzuladen, sind die Untersagung der Versendung der Ausschreibungsunterlagen 2. Fassung, der Bekanntgabe des Schlusses der Verhandlung und der Aufforderung zur Abgabe weiterer Angebote, nämlich Angebote 2. Fassung, zweckmäßige Maßnahmen, um nach Ende des Nachprüfungsverfahrens das Vergabeverfahren unter Beachtung der Gleichbehandlung aller Bieter und des freien und lauteren Wettbewerbs fortführen zu können, ohne die Auftraggeberin in ihrer Freiheit über Gebühr einzuschränken (zB BVwG 15. 1. 2018, W138 2182130-1/2E).

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.

§ 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

Dem Antrag der Antragstellerin war daher in dieser Hinsicht stattzugeben.

3.4.5. Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausscheiden eines Angebotes, Ausscheidensentscheidung,
Ausschreibung, Dauer der Maßnahme, Dienstleistungsauftrag,
einstweilige Verfügung, Entscheidungsfrist, Frist, gelindeste
Maßnahme, gelindestes Mittel, Interessenabwägung,
Nachprüfungsantrag, Nachprüfungsverfahren, nicht prioritäre
Dienstleistung, öffentliche Interessen, öffentlicher Auftraggeber,
Provisorialverfahren, Rahmenvertrag, Schaden, Unterlagen des
Vergabeverfahrens, Untersagung, Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2210191.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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