Entscheidungsdatum
09.11.2018Norm
AlVG §24Spruch
W162 2174047-1/3Z
B E S C H L U S S
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. über die
Beschwerde von Dipl. Ing XXXX , SVNR: XXXX , gegen den Bescheid des AMS Wien Hietzinger Kai vom 01.06.2017 nach
Beschwerdevorentscheidung vom 19.09.2017 beschlossen:
Das Verfahren wird gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr.
51 idgF, (AVG) bis zur Vorlage der rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015 ausgesetzt.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai vom 01.06.2017 wurde der Bezug der Notstandshilfe des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 10.06.2014 bis 04.07.2014, vom 14.10.2014 bis 21.03.2015, vom 18.04.2015 bis 14.06.2015, vom 09.07.2015 bis 22.09.2015, vom 08.10.2015 bis 11.11.2015 und vom 23.12.2015 bis 31.01.2016 gemäß § 24 iVm. § 38 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Be-schwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 iVm. § 38 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt emp-fangenen Notstandshilfe in Höhe von € 12.763,60 verpflichtet. Begründend führte das Ar-beitsmarktservice aus, dass laut Abfrage der Einkommenssteuerbescheide des Beschwerde-führers für die Jahre 2014 und 2015, welche mit 15.09.2016 ausgestellt und rechtskräftig seien, sein Einkommen aus Vermietung und Verpachtung seinen Anspruch auf Notstandshilfe für die oben angeführten Zeiträume übersteige. Das Arbeitsmarktservice habe erst am 19.04.2017 davon Kenntnis erlangt. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass die §§ 24, 25 Abs. 1 und 38 AlVG in seinem Fall nicht anwendbar seien. Er habe auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (W141 2123960-1) verwiesen. Das Fi-nanzamt habe sein Einkommen falsch eingeschätzt. Sein tatsächliches Einkommen sei gerin-ger als in den Bescheiden des Finanzamtes.
3. Am 09.08.2017 langte beim Arbeitsmarktservice eine Beschwerdeergänzung des Be-schwerdeführers ein, in der er ausführte, dass gegen den Bescheid, den er am 17.07.2017 zugestellt bekommen habe und mit dem ein Betrag in der Höhe von € 12.763,60 rückgefor-dert werde, Beschwerde erhebe, da diese Rückforderung und der Grund diesbezüglich nicht richtig seien und auch die Summe des Betrages nicht stimme. Als Beweis legte er die Nie-derschrift des Bundesverwaltungsgerichtes mit der Geschäftszahl W141 2123960-1/15Z vor. Zudem beantragte er eine mündliche Verhandlung und legte eine Haftbestätigung vor.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice vom 19.09.2017, GZ: 2017-0566-9-001450, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Ar-beitsmarktservice vom 01.06.2017 abgewiesen und ausgesprochen, dass der Rückforde-rungsbetrag in Höhe von € 12.763,60 binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides einzuzahlen sei. Begründend ausgeführt, dass die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2014 und 2015 ein anrechenbares Einkommen aus Vermietung und Verpachtung erzielt hät-ten, welches den Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe übersteigen würde.
5. Mit Schreiben vom 25.09.2017 beantragte der Beschwerdeführer, seine Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
6. Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Verwaltungsakten des Verfahrens dem Bun-desverwaltungsgericht am 19.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt.
7. Am 29.10.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage mitgeteilt, dass gegen die Einkommenssteuerbescheide 2014 und 2015 eine Beschwerde anhängig sei. Es könne derzeit keine Prognose gestellt werden, wann das Verfahren abgeschlossen sei.
II. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS.
§ 56 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das
Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Er entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, eröffnet, leitet und schließt diese. Er verkündet die Beschlüsse des Senates, unterfertigt die schriftlichen Ausfertigungen, arbeitet den Erledigungsentwurf aus und stellt im Senat den Beschlussantrag.
Der Vorsitzende eines Senates darf kein Erkenntnis alleine fällen. Hinsichtlich der Beschlüsse ist zwischen verfahrensleitenden und nicht-verfahrensleitenden Beschlüssen zu differenzieren. Verfahrensleitende Beschlüssen kann der Vorsitzende alleine fassen, sofern sie nicht auch verfahrensbeendend sind (vgl. Fister/Fuchs/Sachs
Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, §9 BVwGG Anm. 3)
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
§ 38 AVG räumt der entscheidenden Behörde ein im Sinne des Gesetzes auszuübendes Ermessen ein (vgl. VwGH 22.05.2001, 2001/05/0029 mwN), eine im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfrage, welche eine Hauptfrage in einem anderen Verfahren darstellt, selbst zu entscheiden, oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen.
Aus Sicht der entscheidenden Richterin handelt es sich bei der Aussetzung gemäß § 38 AVG um einen für die Verfahrensführung erforderlichen Beschluss, welcher, zumal er auch in einem Aktenvermerk festgehalten und der Partei formlos bekannt gegeben werden könnte (vgl. VwGH 30.04.2014, 2013/12/0220; 11.02.1992, 92/11/0006), durch die oder den Vorsitzende/n eines Senates zu treffen ist.
Wie sich aus § 17 und § 34 Abs. 2 Z 1 VwGVG schlüssig ergibt, kann das Bundesverwaltungsgericht ein Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage gemäß § 38 AVG aussetzen.
2.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles [...] sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 VwGVG werden in die Frist [Entscheidungsfrist gemäß Abs. 1 leg.cit] die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist (Z1) oder die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (Z2) nicht eingerechnet.
Im gegenständlichen Verfahren bildet das anhängige Verfahren bezüglich der Einkommenssteuerbescheide 2014 und 2015 bezüglich der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Zeitraum für den verfahrensgegenständlichen Bescheid die Vorfrage (vgl. VwGH 19.10.2011, 2008/08/0210; 20.10.1998, 94/08/0284).
Diese Vorfrage ist Gegenstand eines derzeit anhängigen Verfahrens, weshalb das gegenständliche Verfahren spruchgemäß ausgesetzt wird. Am 29.10.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage mitgeteilt, dass gegen die Einkommenssteuerbescheide 2014 und 2015 eine Beschwerde anhängig sei. Es könne derzeit keine Prognose gestellt werden, wann das Verfahren abgeschlossen sei.
Dem Beschwerdeführer wird hiermit aufgetragen, die entsprechenden Unterlagen nach Vorliegen der rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheide aus den Jahren 2014 und 2015 dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich vorzulegen.
Schlagworte
Aussetzung, Einkommenssteuerbescheid, VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W162.2174047.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.01.2019