TE Vwgh Beschluss 2018/11/29 Ra 2017/06/0155

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Index

L85005 Straßen Salzburg;
20/11 Grundbuch;

Norm

GBG 1955 §136;
LStG Slbg 1972 §40 Abs1 litb;
LStG Slbg 1972 §40;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der Gemeindevertretung der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 29. Juni 2017, LVwG-2/103/58-2017, betreffend Feststellung der Öffentlichkeit nach dem Salzburger Landesstraßengesetz (mitbeteiligte Partei: M H GmbH, vertreten durch die Sluka Hammerer Tevini Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Alpenstraße 26; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der M H GmbH Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Den Sachverhalt und den Verfahrensgang betreffend wird auf den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2017/06/0156 bis 0184, verwiesen.

5 In ihren Zulässigkeitsausführungen bringt die Revisionswerberin zunächst vor, das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) sei von der Rechtsprechung des VwGH - insbesondere vom hg. Erkenntnis vom 27. August 2013, 2011/06/0173 - abgewichen, weil es den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt habe. Es habe einzelne Dienstbarkeiten nicht berücksichtigt, obwohl bestehende Zufahrten urkundlich nachgewiesen seien bzw. die Aufschließung von (durch Teilung neu entstandenen) Grundstücken vertraglich bestätigt worden sei. Das LVwG habe auch die Ausführungen im hg. Erkenntnis 2011/06/0173 hinsichtlich der konkludenten Ausführung von Grunddienstbarkeiten unbeachtet gelassen.

6 Sofern die Revision vermeintliche Verfahrensmängel bei der Feststellung vertraglicher oder konkludent eingeräumter Dienstbarkeiten rügt, zeigt sie deren Relevanz für den Verfahrensausgang nicht auf (zum Erfordernis, die Relevanz eines behaupteten Verfahrensmangels bereits in den Zulässigkeitsbegründung dartun zu müssen, vgl. etwa VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0130, mwN). Das angefochtene Erkenntnis beruht im Wesentlichen auf der zutreffenden Rechtsansicht, dass bei Bestehen von Dienstbarkeiten nicht von einem dringenden Verkehrsbedürfnis auszugehen ist und die Benutzung des J-Weges durch Personen mit einem dringenden Verkehrsbedürfnis ohne entsprechende Berechtigung aufgrund einer Dienstbarkeit noch nicht in zumindest zwanzigjähriger Übung erfolgte. Falls - wie in der Revision vorgebracht - über die vom LVwG festgestellten Dienstbarkeiten noch weitere außerbücherliche (vertragliche oder konkludent eingeräumte) Dienstbarkeiten vorliegen sollten, würde dies am Ergebnis nichts ändern, sondern das Nichtvorliegen eines dringenden Verkehrsbedürfnisses im Sinn des § 40 Abs. 1 lit. b Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (LStG) nur weiter unterstreichen.

7 Die Revision bringt vor, es wäre zu klären gewesen, ob der J-Weg vor Aufstellen des Fahrverbotsschildes über einen Zeitraum von 20 Jahren allgemein und ungehindert benutzt worden sei (Hinweis auf VwGH 95/06/0006). "In diesem Zusammenhang ist die Feststellung des Landesverwaltungsgerichtes, wonach die auf den Grundstücken A und B errichteten Wohnbauten 2009 fertiggestellt worden sind, sohin das dringende Verkehrsbedürfnis der mitbeteiligten Parteien (gemeint: der Antragsteller) und auch die Frist von 20 Jahren erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen hat, unverständlich und aktenwidrig." Das LVwG verkenne die hg. Rechtsprechung, wonach es für die Feststellung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses nicht darauf ankomme, dass dieses Verkehrsbedürfnis für alle heute aufgeschlossenen Gebäude und Einrichtungen während dieses Zeitraumes von 20 Jahren gegeben sein müsse (Hinweis auf VwGH 96/06/0004). Darüber hinaus habe das LVwG nicht geprüft, ob vor 2007 der allgemeine Verkehr bereits ausgeschlossen worden sei und ob das Aufstellen der Verbotstafel zwischen der Kundmachung der mündlichen Verhandlung und deren Durchführung "keine wirksame Hinderung des Entstehens von des Gemeingebrauch darstellt (VwGH 27.12.1998, Zl 98/06/0085 sowie 2003/06/0149)." Die Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, wonach die M H GmbH im Jahr 2007 erstmals ein Fahrverbotsschild aufgestellt habe, sei "somit unvollständig und entgegen der Verpflichtung zur vollständigen Sachverhaltsermittlungspflicht". Die Frage, ob für den Ausschluss des Entstehens von Gemeingebrauch das Aufstellen einer Verbotstafel bei jedem Weg erforderlich sei, stelle sich im ländlichen Raum häufig.

Der Revision ist zwar zuzustimmen, dass es für die Feststellung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses nicht darauf ankommt, dass dieses Verkehrsbedürfnis für alle heute aufgeschlossenen Gebäude und Einrichtungen während eines Zeitraumes von 20 Jahren gegeben sein muss (und diese Voraussetzung auch schon vor dem Jahr 2007 erfüllt gewesen sein könnte). Sie übersieht jedoch, dass - wie im hg. Erkenntnis 2011/06/0173 näher ausgeführt wird - im Grundbuch eine Dienstbarkeit des Geh-, Fahrt- und Viehtriebsrechtes unter anderem auf dem Grundstück Nr. C eingetragen ist, welche die landwirtschaftliche Nutzung umfasst. Zu beurteilen ist fallbezogen somit, ob eine Nutzung in zumindest zwanzigjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses erfolgte, die nicht von der Dienstbarkeit für die landwirtschaftliche Nutzung umfasst ist. Dies verneinte das LVwG mit der Begründung, dass das über die landwirtschaftliche Nutzung hinausgehende Befahren des Weges aufgrund der Vermietung der Bauwerke auf dem Grundstück Nr. D an Feriengäste erst seit 11 bzw. 6 Jahren erfolgt sei und die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nr. A und Nr. B erst 2009 fertiggestellt worden seien. Daraus zog das LVwG zutreffend den Schluss, dass hinsichtlich der über die landwirtschaftliche Nutzung hinausgehenden Verwendung des J-Weges noch keine zumindest zwanzigjährige Übung vorliegt und deshalb die Voraussetzung des § 40 Abs. 1 lit. b LStG nicht erfüllt ist.

8 Das LVwG stellte fest, dass im Jahr 2007 erstmals die Benützung des J-Weges durch das Aufstellen eines Fahrverbotsschildes beschränkt worden sei. Gegenteiliges wird auch von der Revisionswerberin nicht vorgebracht. Inwiefern fallbezogen die Frage, ob das Aufstellen der Verbotstafel zwischen der Kundmachung der mündlichen Verhandlung und deren Durchführung eine wirksame Hinderung des Entstehens des Gemeingebrauches darstelle, entscheidungsrelevant sein könnte, legt die Revision nicht dar; dies ist auch nicht erkennbar. Auf das diesbezügliche Vorbringen war daher nicht einzugehen.

9 Die Revision rügt weiter, es fehlten Feststellungen, dass der J-Weg neben den Grundeigentümern allenfalls auch nur von wenigen Personen, die nicht aufgrund einer Dienstbarkeit nutzungsberechtigt seien, benützt worden sei, wobei nur eine geringe Anzahl von Nutzern der Öffentlichkeitserklärung eines Weges nicht entgegenstehe (Hinweis auf VwGH 2004/04/0101 (gemeint wohl: 29.11.2005, 2004/06/0101)).

Ob der J-Weg von wenigen Personen, die nicht aufgrund einer Dienstbarkeit nutzungsberechtigt sind, benutzt wurde, ist schon deshalb nicht entscheidungsrelevant, weil hinsichtlich dieser Personen (gemeint könnten die aufgrund der extrem steilen und abschüssigen Wegbeschaffenheit nur vereinzelt zur J-Alm zufahrenden Gäste sein) ein dringendes Verkehrsbedürfnis nicht einmal behauptet wurde (vgl. VwGH 27.8.2013, 2011/06/0173, wonach für die Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich eine entsprechende Benützung in langjähriger Übung sowie andererseits das Vorliegen eines damit zu befriedigenden dringenden Verkehrsbedürfnisses).

10 Schließlich bringt die Revision vor, das LVwG habe seiner Beurteilung betreffend die Ersitzung von Dienstbarkeiten die "dazu vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht zugrunde" gelegt, nicht festgestellt, "ob bekanntlich eine zumindest 30-jährige Ersitzungsfrist" erfüllt sei, nicht ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen überhaupt Ersitzung angenommen werden könne und warum diese durch das LVwG nicht angenommen worden sei.

Mit dem Hinweis auf die "dazu vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes" meint die Revision offenbar den Beschluss des OGH vom 4. Juni 2007, 5 Ob 78/07t, womit einem Antrag auf Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit an den Grundstücken Nr. E und Nr. F für die Grundstücke Nr. A und Nr. B sowie auf eine entsprechende Anmerkung in der EZ X (diese umfasst unter anderem die Grundstücke Nr. E und Nr. F) gemäß § 136 Grundbuchgesetz (GBG) nicht Folge gegeben wurde, weil Zweifel über das aufrechte Bestehen und das Ausmaß des Rechtes einer Wegdienstbarkeit einer Eintragung im Wege des vereinfachten Berichtigungsverfahrens entgegenstünden. Inwiefern die Beurteilung nach dem GBG fallbezogen entscheidungsrelevant sein soll, lässt die Revision offen. Eine solche Relevanz ist auch nicht erkennbar, zumal die Verneinung der Zulässigkeit einer Eintragung im Wege des vereinfachten Berichtigungsverfahrens nichts darüber aussagt, ob die Dienstbarkeit besteht. Entgegen den widersprüchlichen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung stellte das LVwG hinsichtlich des Grundstückes Nr. G - mit näherer Begründung - ohnehin das Vorliegen einer mehr als 30-jährigen redlichen Nutzung durch den rechtmäßigen Besitzer fest und ging von einer Ersitzung des Geh- und Fahrtrechtes zugunsten der Schihütte J-Alm aus. Die Zulässigkeitsbegründung zeigt nicht auf, dass die vom LVwG fallbezogen bei der Beurteilung ersessener Rechte gezogenen Schlussfolgerungen tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes verletzten bzw. die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2014/06/0038, mwN).

11 Das Schicksal der Amtsrevision hängt somit nicht von der Lösung der in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfragen ab. Sie war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 29. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017060155.L00

Im RIS seit

21.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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