TE Lvwg Beschluss 2018/12/3 VGW-122/V/043/11242/2018, VGW-122/V/043/11243/2018

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Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs3
VwGVG §22 Abs1
GewO 1994 §78 Abs1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Kovar-Keri über den Antrag 1) der Frau Dr. A. B., Wien, E.-Straße 17, und 2) des Herrn DI Dr. C. D., Wien, E.-Straße 17, auf aufschiebende Wirkung der Beschwerde in Bezug auf den Beginn der Bauarbeiten, den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG iVm § 13 Abs. 1 VwGVG wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

 

Begründung

 

Ad I.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Behörde gemäß § 81 GewO 1994 eine Änderung der Betriebsanlage in Wien, E.-Straße 19, in welcher die F. AG das Handelsgewerbe ausübt, unter Vorschreibung von 19 Auflagen genehmigt.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welcher die beschwerdeführenden Personen gleichzeitig einen Antrag auf aufschiebende Wirkung stellten. Erläuternd wurde zu diesem Antrag ausgeführt, dass die Gefahr bestehe, dass nur unter großem Aufwand reversible Arbeiten, die Gegenstand der Beschwerde seien, während der Verhandlungsphase durchgeführt werden.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Erkenntnisses über die Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber. Die zur Entscheidung berufene Behörde hat die Inanspruchnahme dieses Rechtes auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

Auch wenn die beschwerdeführenden Personen ihren Antrag nicht ausdrücklich auf § 78 GewO 1994 stützten, ist nach dem klaren Inhalt ihr Parteiwille auf den Aufschub der Möglichkeit der Anlageninhaberin, die von der Behörde genehmigten Änderungen sogleich baulich umzusetzen und in weiterer Folge die Betriebsanlage in ihrer geänderten Form vor Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Wien zu betreiben, gerichtet.

§ 78 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 normiert eine Abweichung von den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des § 13 Abs. 1 VwGVG, sodass einer Beschwerde gegen einen Betriebsanlagengenehmigungsbescheid keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, das heißt, dass die Betriebsanlage trotz fehlender Rechtskraft vorläufig im Rahmen des behördlichen Konsenses betrieben werden kann. Da § 78 Abs. 1 GewO 1994 gegenüber § 13 Abs. 1 VwGVG die speziellere Norm ist, geht sie gemäß dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ dieser vor. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich sohin, dass einer in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gegen den Bewilligungsbescheid eingebrachten Bescheidbeschwerde unter den in § 78 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 genannten Voraussetzungen prinzipiell keine aufschiebende Wirkung zukommen soll (vgl. Verwaltungsgericht Wien vom 14. Februar 2017, Zl. VGW-122/V/008/14745-14752/2016).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. August 2017, Zl. Ro 2017/04/0006, ausführt, trifft § 78 Abs. 1 GewO 1994 damit zum Schutze wirtschaftlicher Interessen des Genehmigungswerbers eine abweichende Regelung zu § 13 Abs. 1 VwGVG in dem Sinne, dass der Beschwerde gegen die Betriebsanlagengenehmigung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Pöschl, System der Gewerbeordnung (2016), Rz. 570).

Im Unterschied zu § 13 Abs. 3 und § 22 Abs. 1 VwGVG sieht § 78 Abs. 1 GewO 1994 einen Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vor. Vielmehr hat die zur Entscheidung berufene Behörde die Inanspruchnahme des Rechtes des Genehmigungsinhabers nach § 78 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 von Amts wegen auszuschließen, wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist, dass die in § 78 Abs. 1 dritter Satz GewO 1994 enthaltenen Voraussetzungen gegeben sind. Letztlich kann in diesem Sinne auch der Wortfolge "wenn der Begründung der Beschwerde zu entnehmen ist" in § 78 Abs. 1 dritter Satz GewO 1994 entnommen werden, dass Beurteilungsgrundlage die Begründung der Beschwerde und nicht ein eigener Antrag ist.

Sieht das Gesetz solcherart eine Entscheidung von Amts wegen vor, kann ein Antrag der beschwerdeführenden Nachbarn nicht anders als eine bloße Anregung verstanden werden (vgl. in diesem Sinne VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/07/0038).

Den Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage ist es somit möglich - wie in § 78 Abs. 1 dritter Satz GewO 1994 ausdrücklich angeführt - in der Begründung der Beschwerde vorzubringen, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung ihres Lebens oder ihrer Gesundheit zu erwarten ist.

In diesem Sinn wird den Nachbarn die Möglichkeit einer aufschiebenden Wirkung durch § 78 Abs. 1 GewO 1994 nicht schlechthin vorenthalten und werden sie auch nicht einseitig mit den Folgen der potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung über die Genehmigung belastet (vgl. das zu § 78 Abs. 1 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 63/1997 ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2002, G 319/01, VfSlg. 16.460, mit dem die eine Ausnahme zugunsten des Arbeitsinspektorates bewirkenden Wortfolgen dieser Bestimmung aufgehoben wurde).

Ein darüber hinausgehendes Antragsrecht bzw. subjektivöffentliches Recht auf Ausschluss der Inanspruchnahme dieses Rechtes ist § 78 Abs. 1 GewO 1994 nicht zu entnehmen (VwGH vom 18. August 2017, aaO).

Der Vollständigkeit halber sei jedoch ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht Wien sich auch von Amts wegen nicht dazu veranlasst sah, die Rechtswirkungen des § 78 Abs. 1 erster Satz GewO 9914 auszuschließen. Dies aus folgenden Gründen:

Gegenstand des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens ist die Änderung des Restaurants und der Bar des F. Neben Modernisierung der Möblierung und Adaptierung der Haustechnik ist vor allem die Erweiterung der Restaurantterrasse von bisher 83 m² auf nunmehr 271,78 m² samt Vergrößerung der Anzahl der Verabreichungsplätze von bisher 24 auf nunmehr 50 gegenständlich. Weiters wird ein Sonnenschutz und eine Schallschutzwand errichtet. Auf der Barterrasse wird ein Fluchtweg eingerichtet, darüber hinaus gibt es keine Änderungen. Auf den Terrassen gibt es keine Musikdarbietungen. In der Bar ist eine Musikwiedergabe von 79 db(A-bewertet) geplant, wobei die Barterrasse ab einer Musikwiedergabe von 70 db(A-bewertet) geschlossen bleibt. Bei geöffneter Türe der Bar auf die Terrasse ist die Musikwiedergabe mit 70db(A-bewertet) limitiert. Die Öffnungszeit der Barterrasse ist mit 22:00 Uhr begrenzt. Die Genehmigung für die projektierte Änderung wurde nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens seitens der Verwaltungsbehörde unter Vorschreibung von 19 Auflagen erteilt, wobei sich 16 Auflagen auf den Schallschutz beziehen.

In ihrer Beschwerde verweisen die beschwerdeführenden Personen auf die ihrer Ansicht nach vorliegende Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens. Die Beurteilungsgrundlagen für den Schutz der Anrainer vor Schall seien unzureichend und daher der Schallschutz nicht gewährleistet. Dies auch weil von einem Öffnen der Türen trotz bescheidmäßiger Unzulässigkeit gerechnet werden müsse. Die gesundheitsschädliche Wirkung der Beleuchtung sei nicht beurteilt worden, zumal eine Limitierung der Beleuchtungswerte im Bescheid fehle.

Mit diesem Vorbringen vermögen die Antragsteller jedoch nicht konkret eine besondere Situation des Einzelfalles darzutun, wonach trotz Einhaltung der mit dem bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Auflagen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist. Basierend auf den nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten, wonach bei Einhaltung der Auflagen und gesetzlichen Bestimmungen Belästigungen im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, erscheint eine Lebens- oder Gesundheitsgefährdung der Antragsteller nicht plausibel. Das Verwaltungsgericht Wien ist daher zum Ergebnis gelangt, dass durch den Betrieb der geänderten Anlage im Rahmen der gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigung eine Gesundheitsgefährdung oder Lebensgefährdung der Nachbarn, darunter die beschwerdeführenden Personen, nicht herbeigeführt wird.

Der Begründung der Beschwerde ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist. Das Verwaltungsgericht Wien durfte daher die Inanspruchnahme des Rechts des § 78 Abs. 1 erster Satz GewO durch die Anlageninhaberin nicht von Amts wegen ausschließen.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Beschwerde ergeht mit gesonderter Entscheidung. Es wird darauf hingewiesen, dass die Einschätzung der mangelnden Gesundheits- und Lebensgefährdung kein Präjudiz zu dieser noch zu treffenden Entscheidung darstellt.

Eine Verhandlung über den zurückzuweisenden Antrag konnte gemäß § 24 Abs. 1 und 2 VwGVG analog entfallen.

Ad II.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Fragen der Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung; Betriebsanlagengenehmigung; lex specialis; fehlendes Antragsrecht; Anregungsrecht; amtswegige Entscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.122.V.043.11242.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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