TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/2 98/18/0001

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Veröffentlicht am 02.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z5;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §19 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des K P, (geboren am 15. Oktober 1943), in Wien, vertreten durch Dr. Alfred Daljevec, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 23-25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Oktober 1997, Zl. SD 1178/97, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Personalausweises,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit darin die Erlassung einer Verfügung beantragt wird, dass die "Republik Österreich, Sicherheitsdirektion Wien, Passamt" dem Beschwerdeführer einen Personalausweis auszustellen und auszufolgen habe, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Juni 1995 wurde dem Beschwerdeführer dessen mit Gültigkeitsdauer bis 5. Jänner 1998 ausgestellter Personalausweis gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 4 und 5 iVm § 19 Abs. 2 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 (im folgenden: PassG), entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer, der insgesamt 18 Vorstrafen aufweise, zuletzt innerhalb weniger Monate, nämlich am 28. April 1994 in Deutschland wegen Vergehens gegen das Suchtgiftgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und am 21. Juli 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei, wobei dem letztgenannten Urteil zugrunde gelegen sei, dass er im Jahr 1994 zweimal versucht habe, große Mengen Suchtgift (insgesamt fast viereinhalb Kilo Haschisch und 75 Gramm Marihuana) aus den Niederlanden nach Österreich zu schmuggeln. Angesichts dieses Verhaltens und im Hinblick darauf, dass gerade im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß sei, könne nicht angenommen werden, dass die Achtung der österreichischen Zollvorschriften den Beschwerdeführer davon abhalten könnte, neuerlich Suchtgift nach Österreich einzuführen. Eine Zukunftsprognose könne für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht positiv ausfallen. Die erstinstanzliche Behörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Annahme gerechtfertigt sei, er werde (u.a.) seinen Personalausweis dazu benützen, um Zollvorschriften zu übertreten oder zu umgehen, bzw. es würde durch seinen Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werden.

2. Mit dem am 21. Juli 1997 bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachten Antrag begehrte der Beschwerdeführer, ihm einen Personalausweis auszustellen. Nachdem diese ihm ihre Absicht bekannt gegeben hatte, die Ausstellung eines Personalausweises im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung vom 21. Juli 1994 und die daraufhin erfolgte Entziehung seines Personalausweises wegen entschiedener Sache versagen zu wollen, brachte der Beschwerdeführer vor, dass im Zuge des von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens keine Tatsachen hervorgekommen seien, die die Versagung rechtfertigen könnten, und es rechtswidrig sei, die Ausstellung eines Personalausweises von einem längeren Wohlverhalten abhängig machen zu wollen, als das Landesgericht für Strafsachen Wien im Urteil vom 21. Juli 1997 (offensichtlich gemeint: 1994) für die zu erwartende endgültige Strafnachsicht vorgesehen habe.

Mit Bescheid vom 28. August 1997 wies die erstinstanzliche Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Personalausweises gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend führte die belangte Behörde nach Hinweis auf den obgenannten Bescheid vom 12. Juni 1995 und nach Wiedergabe der darin getroffenen Sachverhaltsannahme aus, dass sich an der negativen Zukunftsprognose nichts geändert habe. Auch wenn das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bereits drei Jahre zurückliege, könne schon allein auf Grund seines bisherigen Verhaltens eine neuerliche Tatwiederholung nicht ausgeschlossen werden. Immerhin habe er auch in der Vergangenheit sehr augenfällig dokumentiert, dass er offenbar nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die strafrechtlichen Bestimmungen der Republik Österreich einzuhalten. Selbst eine rechtskräftige Verurteilung wegen Vergehens gegen das Suchtgiftgesetz in Deutschland habe ihn nicht davon abgehalten, unmittelbar darauf neuerlich - noch dazu einschlägig - straffällig zu werden. Das Wohlverhalten über einen Zeitraum von wenigen Jahren sei vor allem im Hinblick darauf, dass gerade bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß sei, nicht geeignet, eine günstige Prognose für den Beschwerdeführer zu stellen. Im Hinblick darauf, dass er nach der erfolgten Entziehung seines Personalausweises immer wieder in Strafhaft gewesen sei, werde es wohl eines sehr langen Zeitraumes des Wohlverhaltens bedürfen, um sicherzustellen, dass er sich von der Suchtgiftszene gänzlich gelöst habe. Da sich sohin seit der Entziehung des Personalausweises die maßgeblichen Umstände in keiner Weise geändert hätten, sei der vorliegende Antrag zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und zu verfügen, dass die "Republik Österreich, Sicherheitsdirektion Wien, Passamt" dem Beschwerdeführer einen Personalausweis auszustellen und auszufolgen habe.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das auf eine inhaltliche Abänderung des angefochtenen Bescheides abzielende Begehren, zu verfügen, dass die "Republik Österreich, Sicherheitsdirektion Wien, Passamt" dem Beschwerdeführer einen Personalausweis auszustellen und auszufolgen habe, ist einer meritorischen Erledigung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich, weil ihm im Rahmen einer Bescheidbeschwerde lediglich die Stellung eines Kassationsgerichtshofes zukommt. Im Umfang dieses Begehrens war die Beschwerde daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 19. Jänner 1994, Zl. 93/03/0304, auf den gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird).

2. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

3. Die Beschwerde macht geltend, dass die Zurückweisung wegen entschiedener Sache bedenklich erscheine, weil es sich einmal um die Entziehung und das andere Mal um die Verweigerung der Neuausstellung eines Personalausweises handle. Im Übrigen liege die (für die Entziehung des Personalausweises maßgebliche) gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers über drei Jahre zurück und könne diese keine Tatsache iS des § 14 PassG zur Begründung der Annahme sein, er wolle den Personalausweis neuerlich benützen, um Zollvorschriften zu übertreten.

4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft eines früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Bescheides einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Mit dem Begehren der neuerlichen sachlichen Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache vermag die Partei nur dann durchzudringen, wenn sich seit Erlassung des betreffenden Bescheides die Rechtslage oder der maßgebliche Sachverhalt in nicht bloß unwesentlichen Nebenumständen geändert hat (vgl. etwa die bei Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, zu § 68 Abs. 1 AVG E 18a, 20c und 30c zitierte Judikatur).

5. Während die belangte Behörde ihren Bescheid vom 12. Juni 1995 auf § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 4 und 5 iVm § 19 Abs. 2 PassG in der Fassung vor der (mit 1. Jänner 1996 in Kraft getretenen) Passgesetz-Novelle 1995, BGBl. Nr. 507, gestützt hat, wäre nunmehr im Fall meritorischer Erledigung die Rechtslage nach dem Passgesetz in der Fassung dieser Novelle heranzuziehen. Sowohl nach dem Passgesetz in der Stammfassung als auch nach dem in der novellierten Fassung sind für die Ausstellung, die Versagung und Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen des Passgesetzes anzuwenden (§ 19 Abs. 2) und ist, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung eines Reisepasses rechtfertigen, dieser zu entziehen (§ 15 Abs. 1).

§ 14 Abs. 1 Z. 4 und 5 PassG idF vor der Passgesetz-Novelle 1995 lauten:

     "§ 14 (1) Die Ausstellung, die Verlängerung der

Gültigkeitsdauer, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die

Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn

     .......

     4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber

den Reisepass benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten oder

zu umgehen, oder

     5. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den

Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere

Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde."

     Demgegenüber hat § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und f und Z. 4 PassG

idF dieser Novelle folgenden Wortlaut:

     "§ 14 (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des

Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu

versagen, wenn

     .......

     3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber

den Reisepass benützen will, um

     ........

     b) Zollzuwiderhandlungen zu begehen,

     ........

f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder

4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde."

Die auf Grund bestimmter Tatsachen gerechtfertigte Annahme, dass ein Ausweiswerber den Personalausweis benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten, oder dass durch seinen Aufenthalt im Ausland die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde, so z.B. durch den Handel mit Suchtgiften (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1983, Slg. 11.055/A), gebietet sowohl nach der vor der Passgesetz-Novelle 1995 bestehenden Gesetzeslage als auch nach dem Passgesetz in der novellierten Fassung die Entziehung eines bereits ausgestellten wie auch die Versagung der Ausstellung eines Personalausweises.

Daraus ergibt sich für die Beurteilung des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Antrages des Beschwerdeführers, dass insoweit durch die Passgesetz-Novelle 1995 gegenüber der für den Bescheid vom 12. Juni 1995 maßgebenden Rechtslage keine Änderung eingetreten ist.

6. Dennoch kommt der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren unter anderem vorgebracht, es sei rechtswidrig, die Ausstellung eines Personalausweises von einem längeren Wohlverhalten abhängig machen zu wollen, als das Landesgericht für Strafsachen Wien im Urteil vom 21. Juli 1997 (offensichtlich gemeint: 1994) "für die in diesen Tagen zu erwartende endgültige Nachsicht der bedingten Strafe" vorgesehen habe (vgl. das in den Verwaltungsakten erliegende Schreiben vom 21. August 1997). Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass die im Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1995 getroffene Annahme, er werde seinen Personalausweis dazu benützen, um Zollvorschriften zu übertreten oder zu umgehen, bzw. durch seinen Aufenthalt im Ausland würde die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werden, nicht mehr gerechtfertigt sei.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführte, lag das für die Beurteilung durch die Behörde maßgebliche strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bereits drei Jahre zurück. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes stellt das Verstreichen eines solchen Zeitraumes im Zusammenhang mit einem strafbaren Verhalten, das für die Annahme eines Versagungsgrundes von Bedeutung war, eine Änderung des Sachverhaltes dar, die den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Demzufolge hatte der Beschwerdeführer einen Anspruch auf meritorische Erledigung seines Antrages durch die Behörde erster Instanz und durfte sein Antrag nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden. Wenn sich die erstinstanzliche Behörde in ihrer Bescheidbegründung auch mit dem Verhalten des Beschwerdeführers seit der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 12. Juni 1995 auseinander gesetzt und eine Prognose über sein künftiges Verhalten getroffen hat, so ist eine Umdeutung ihres verfahrensrechtlichen Bescheides in eine meritorische Erledigung des Antrages angesichts der eindeutigen Formulierung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides unzulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1994, Zl. 93/07/0079).

7. Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt und den erstinstanzlichen Bescheid nicht aufgehoben hat (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 68 AVG E 170), war der vorliegend angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. September 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998180001.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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