TE Vfgh Beschluss 2018/9/25 G240/2018 ua

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit
23/01 Insolvenzordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1 Z8
IO §78

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrages auf Aufhebung einer Bestimmung der Insolvenzordnung wegen genereller Ausnahme von der Möglichkeit der Stellung eines Parteiantrags auf Normenkontrolle bei Insolvenzverfahren und der diese Ausnahme regelnden Bestimmung des VfGG mangels ihrer Anwendbarkeit durch das ordentliche Gericht

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Sachverhalt und Antragsvorbringen

1.       Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 11. Juli 2018, AZ 28 S 89/18v, wurde in Bezug auf den Antragsteller ein Insolvenzverfahren (Konkursverfahren) eröffnet.

2.       Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 24. Juli 2018, GZ 28 S 89/18v-29, erging unter Berufung auf §78 Abs4 IO die Benachrichtigung, dass die Insolvenzverwalterin über ein bestimmtes Konto des Antragstellers – ungeachtet der mit demselben Beschluss verfügten gerichtlichen Sperre – verfügungs- und zeichnungsberechtigt sei und ermächtigt werde, dieses Konto zu löschen.

3.       Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller am 9. August 2018 Rekurs. Am selben Tag stellte er an den Verfassungsgerichtshof einen auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag, §78 IO und §62a Abs1 Z8 VfGG als verfassungswidrig aufzuheben.

II.      Rechtslage

1.       §78 Insolvenzordnung – IO (RGBl. 337/1914 idF BGBl I 29/2010) lautet:

''Sicherungsmaßnahmen und Benachrichtigungen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

§78. (1) Zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherung der Masse und zur Fortführung eines Unternehmens dienlich sind. Vor dessen Schließung hat es den Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuß sowie, wenn es rechtzeitig möglich ist, den Schuldner und sonstige Auskunftspersonen (§254 Abs5) zu vernehmen.

(2) Das Gericht hat zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Post- und Telegraphendienststellen, die Flugplätze, Bahnhöfe und Schiffsstationen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte in Betracht kommen, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluß faßt, haben diese Stellen dem Insolvenzverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Schuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind.

(3) Der Insolvenzverwalter darf die ihm ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden. Ansonsten hat der Insolvenzverwalter dem Schuldner Einsicht in die an diesen gerichteten Mitteilungen zu gewähren und ihm die Sendungen, die die Masse nicht berühren, unverzüglich auszufolgen.

(4) Kreditinstitute und Verwahrungsanstalten, bei denen der Schuldner allein oder gemeinsam mit anderen ein Depot, ein Guthaben, ein Konto oder ein Schrankfach hat, sind von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Auftrag zu benachrichtigen, Verfügungen hierüber nur mit Zustimmung des Gerichtes zu vollziehen.

(5) Steht der Schuldner im öffentlichen Dienst, so ist dessen vorgesetzte Dienstbehörde von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen.''

2. §62a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG (BGBl 85/1953 idF BGBl I 107/2016) lautet auszugsweise:

"§62a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:

[...]

8. im Insolvenzverfahren;

[...]"

III.    Zur Zulässigkeit

1.       Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

2.       Gemäß Art140 Abs1a B-VG kann die Stellung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist.

3.       Gemäß §62a Abs1 Z8 VfGG ist ein Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG in Insolvenzverfahren ausgeschlossen.

4.       Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg 20.113/2016 ausgesprochen, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich sei, in Insolvenzverfahren die Stellung eines Parteiantrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG auszuschließen. Das Insolvenzverfahren weise nämlich – wie auch das Exekutionsverfahren (vgl VfSlg 20.060/2016) – auf Grund seines Zwecks Spezifika auf, die es dem Gesetzgeber erlaubten, von der ihm durch Art140 Abs1a B-VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen. Allerdings sei der Ausnahmetatbestand "Insolvenzverfahren" eng auszulegen: Er erfasse nur Verfahren nach jenen Vorschriften, die das eigentliche Insolvenzverfahren regeln. Sonstige Verfahren, die im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen, wie etwa Verfahren zur Klärung streitiger Rechtssachen (zB Anfechtungs- oder Prüfungsverfahren), gehörten hingegen nicht zum Insolvenzverfahren im Sinne des §62a Abs1 Z8 VfGG.

5.       Da der Antragsteller den vorliegenden Antrag im Rahmen eines Insolvenzverfahrens iSd §62a Abs1 Z8 VfGG gestellt hat, erweist sich der Antrag insoweit als unzulässig.

6.       Der Antrag auf Aufhebung des §62a Abs1 Z8 VfGG erweist sich ebenso als unzulässig, denn diese Bestimmung ist im Anlassverfahren vor dem ordentlichen Gericht nicht anzuwenden (siehe Art140 Abs1 Z1 litd B-VG), sondern ausschließlich im verfassungsgerichtlichen Verfahren.

7.       Angesichts dieses Ergebnisses hat der Verfassungsgerichtshof nicht mehr zu prüfen, ob noch weitere Prozesshindernisse bestehen.

8.       Der Antrag ist somit schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, VfGH / Zuständigkeit, Insolvenzrecht, Rechtsschutz, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G240.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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