TE Vwgh Beschluss 2018/12/13 Ra 2018/18/0283

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
BVwGG 2014 §21 Abs6;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über den Antrag der F S, vertreten durch Dr. Thomas Wiesinger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, als bestellter Verfahrenshelfer, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Revision im durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 2018 abgeschlossenen Verfahren, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

1 Der als Verfahrenshelfer bestellte anwaltliche Vertreter der Antragstellerin brachte beim Bundesverwaltungsgericht am 6. August 2018 per Telefax eine außerordentliche Revision gegen das in der gegenständlichen Asylangelegenheit ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts ein.

2 Nach Aktenvorlage erteilte der Verwaltungsgerichtshof mit verfahrensleitender Anordnung vom 17. August 2018, Ra 2018/18/0283- 5, der Antragstellerin den Auftrag, den Revisionsschriftsatz binnen zwei Wochen im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) einzubringen, sofern nicht bescheinigt werde, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am ERV nicht vorlägen.

3 Mit Beschluss vom 3. Oktober 2018, dem Verfahrenshelfer am 22. Oktober 2018 im Wege des ERV zugestellt, wurde das Revisionsverfahren in der betreffenden Asylangelegenheit eingestellt, weil die Antragstellerin der an sie ergangenen Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen ist. Weder wurde die außerordentliche Revision im Wege des ERV eingebracht noch wurde bescheinigt, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am ERV nicht vorlägen.

4 Mit dem am 5. November 2018 im Wege des ERV eingebrachten Schriftsatz wurde - unter Wiedervorlage der oben erwähnten Revision - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zur Verbesserung der Revision gesetzten Frist beantragt.

5 Begründend führt die Antragstellerin dazu zusammengefasst aus, die Zustellung der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. August 2018 im ERV sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als in der Kanzlei des Verfahrenshelfers die elektronische Post von einer jungen, "zur Probe arbeitenden" Mitarbeiterin behandelt worden sei, die sich um eine Stelle beworben habe, ohne dass im Anschluss ein Beschäftigungsverhältnis zu Stande gekommen sei. Diese Mitarbeiterin sei hinsichtlich des Abrufs der elektronischen Post und deren Ausdruck bereits eingeschult gewesen, wobei ihre Tätigkeit aber dennoch aufgrund ihrer Unerfahrenheit durch den Verfahrenshelfer genau kontrolliert worden sei. So habe dieser auch anlässlich der Zustellung der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes am 28. August 2018 die an diesem Tag eingelangten Zustellungen mit den vorgelegten Ausdrucken direkt durch Gegenüberstellung der ausgedruckten Aktenstücke mit den auf dem Bildschirm im Posteingangsordner ausgewiesenen Zustellungen verglichen. Am 28. August 2018 morgens, als die elektronische Post abgerufen worden sei, seien im elektronischen Rechtsverkehr des Verfahrenshelfers nur zwei Zustellungen zu verzeichnen gewesen, nämlich ein Protokoll samt Beschluss in einer Zivilrechtssache und die Zustellung eines Schriftstücks des Verwaltungsgerichtshofes. Zumal zu beiden Akten ausgedruckte Schriftstücke vorgelegt worden seien, habe der Verfahrenshelfer angenommen, die Post vollständig in Händen zu halten. Aus diesem Grund seien die beiden neuen Posteingänge im "EDV-System" als "erledigt" markiert und damit "unsichtbar" gestellt worden. Erst anlässlich der Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem das Revisionsverfahren eingestellt worden sei, in Verbindung mit der "aktiv und außerordentlich detailreich" vorgenommenen Überprüfung des elektronischen Rechtsverkehrs habe der Verfahrenshelfer feststellen können, dass für ihn in der gegenständlichen Revisionssache nur eines von zwei der zugestellten Schriftstücke ausgedruckt worden sei, nämlich das Zustellstück "VwGH, ra_2018_18_283", welches die offenbar nur als Beilage gedachte außerordentliche Revision samt dem E-Mail des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. August 2018 enthalten habe, mit welchem die Revision an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet worden sei. Der Verfahrenshelfer sei davon ausgegangen, dass es sich bei diesem E-Mail des Bundesverwaltungsgerichts lediglich um eine Information über die Weiterleitung der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie über eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gängige Verständigung darüber gehandelt habe, dass die Revision durch das Bundesverwaltungsgericht als rechtzeitig "erkannt" worden sei. Die gleichzeitig übermittelte "wichtige" verfahrensleitende Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes (das Zustellstück "VwGH, versand-1") sei dem Verfahrenshelfer jedoch nicht vorgelegt worden, weshalb der Verfahrenshelfer vom weitergehenden Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes keine Kenntnis erlangt habe und folglich auch die gesetzte zweiwöchige Frist für die Übermittlung der Revision im ERV nicht vermerkt worden sei. Ferner habe der Verfahrenshelfer auch nicht von der Versäumung der Frist ausgehen können, weil die Revision "formkorrekt" mittels Telefax und aus "Komfort-Gründen" für Gerichte außerdem noch per E-Mail beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden sei und dieses Gericht nicht am elektronischen Rechtsverkehr teilnehme. Der Verfahrenshelfer habe vor diesem Hintergrund einen Verbesserungsauftrag durch den Verwaltungsgerichtshof nicht erwarten müssen, weil es sich bei der Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. August 2018 streng genommen lediglich um einen "selbständigen" Wunsch und Auftrag des Gerichtshofes handle und die per Telefax und E-Mail eingebrachte Revision kein Formgebrechen aufgewiesen habe.

6 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

7 Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0557, mwN). Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2018/01/0107; siehe auch VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0147).

8 Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der in der Kanzlei des Verfahrenshelfers "zur Probe arbeitenden" Mitarbeiterin beim Ausdrucken der im ERV zugestellten Schriftstücke insofern ein Versehen unterlaufen sei, als nicht die verfahrenseinleitende Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. August 2018, sondern lediglich deren Beilagen ausgedruckt worden seien. Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen gelingt es der Antragstellerin jedoch nicht darzulegen, dass die Versäumung der in Rede stehenden Frist auf ein einen minderen Grad des Versehens nicht überschreitendes Verschulden zurückzuführen ist.

9 Zunächst handelt es sich bei der nach den Ausführungen des Wiedereinsetzungsantrags "zur Probe arbeitenden" Mitarbeiterin nicht um eine Angestellte, die sich im Sinne der dargestellten Judikatur bisher als geeignet und bewährt erwiesen hätte. Folglich hätte sich der Verfahrenshelfer, dessen Verschulden der Antragstellerin zuzurechnen ist, im Rahmen der ihm obliegenden Kontrolle dieser Mitarbeiterin jedenfalls nicht damit begnügen dürfen, dass ihm zu den im Wege des ERV erfolgten Zustellungen jeweils Schriftstücke vorgelegt wurden. Vielmehr wäre er auch gehalten gewesen, deren Vollständigkeit zu überprüfen; dies zumal dem Verfahrenshelfer nach seinen eigenen Ausführungen bekannt war, dass am 28. August 2018 eine Zustellung durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt war und es objektiv nicht nachvollziehbar erscheint, weshalb der Verwaltungsgerichtshof der Antragstellerin ohne ein an sie adressiertes Schriftstück des Gerichtshofes ein E-Mail des Bundesverwaltungsgerichts per ERV zukommen lassen sollte. Schon daher hätte der Verfahrenshelfer - bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt - die Unvollständigkeit der ihm vorgelegten Dokumente erkennen und sich zur nochmaligen Überprüfung des Posteingangs veranlasst sehen müssen. Sofern sich der Verfahrenshelfer aber auf eine "formkorrekte" Einbringung der Revision beruft und ausführt, das Bundesverwaltungsgericht sei nicht an den elektronischen Rechtsverkehr angebunden, genügt es - wie im Übrigen bereits in der verfahrensleitenden Anordnung vom 17. August 2018 erfolgt - auf § 21 BVwGG, und zwar insbesondere auf dessen Abs. 6 hinzuweisen (vgl. dazu auch VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0027).

10 Vor diesem Hintergrund ist es der Antragstellerin als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass der Verfahrenshelfer dem mit verfahrensleitender Anordnung vom 17. August 2018 erteilten Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht nachgekommen ist (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/15/0023, mwN).

11 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zur Verbesserung der Revision gesetzten Frist war somit abzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180283.L00.1

Im RIS seit

15.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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