TE Vwgh Beschluss 1999/9/8 AW 99/21/0191

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Veröffentlicht am 08.09.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §66 Abs2;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des am 1. Februar 1957 geborenen M in L, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, der gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 10. August 1999, Zl. Fr-4250a-91/99, betreffend Aufhebung eines Bescheids gemäß § 66 Abs. 2 AVG in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. August 1999 hat die belangte Behörde den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 36 Abs. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 ein mit sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn verwiesen.

Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass zusätzliche Erhebungen bezüglich der tatsächlichen Familienverhältnisse des Beschwerdeführers durchzuführen und diese sodann im Hinblick auf allfällige Aufenthaltsverfestigungstatbestände zu berücksichtigen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung. Zur Begründung dieses Antrages führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass zwingende öffentliche Interessen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung offenkundig nicht entgegenstünden. Aufgrund der Entscheidung der belangten Behörde sei die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn verpflichtet, längstens binnen sechs Monaten ab dem Tag der Erlassung des angefochtenen Bescheides neuerlich zu entscheiden. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn habe ihn mit Schreiben vom 16. August 1999 bereits aufgefordert, entsprechende Informationen zu erteilen. Ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei der Beschwerdeführer verpflichtet, diese Informationen zu erteilen. Erfahrungsgemäß entscheide dann die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn umgehend, sodass der Beschwerdeführer (neuerlich) eine Berufung erheben müsse, falls die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes festhalte. Es käme daher zu zwei Verfahren. Der Beschwerdeführer habe nicht nur zusätzliche Aufwendungen, sondern er könne auch sein Recht auf die Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde nicht durchsetzen. Unter diesen Umständen sei daher die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geboten.

Einer Beschwerde ist gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Bescheid, mit welchem ein unterinstanzlicher Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung sowie zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde der unteren Instanz verwiesen wurde, einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich ist, geht überwiegend dahin, dies zu verneinen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 12. April 1983, Zl. AW 83/05/0008, und vom 8. Juli 1991, Zl. AW 91/07/0029, m. w.N.), sie ist jedoch nicht einheitlich (vgl. bejahend etwa den hg. Beschluss vom 10. Juli 1989, Zl. AW 89/07/0023).

Die Frage ist aus folgenden Gründen zu bejahen:

Im Fall der Stattgebung einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG haben die Verwaltungsbehörden in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Es ist Zweck des Rechtsinstitutes der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG, die Möglichkeit der Verwirklichung dieser gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestehenden Verpflichtung für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch die Suspendierung der durch den angefochtenen Bescheid bewirkten Änderungen der Rechtslage solange offen zu halten und zu sichern, bis über seine Rechtmäßigkeit entschieden ist.

Das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung ist daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als ein die Funktionsfähigkeit jenes Rechtsschutzsystems stützendes Element anzusehen, im Rahmen dessen der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden berufen ist. Diese in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion darf durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt werden. Unter "Vollzug" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG ist daher die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit zu verstehen und eine Rücksichtnahme auf jene Folgen notwendig, die den Beschwerdeführer bei einer Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit treffen würden (hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10.381/A). Diese am Rechtsschutzgedanken orientierte Auslegung des § 30 Abs. 2 VwGG findet ihre Bestätigung in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, derzufolge Einschränkungen des Grundsatzes der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig sind (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1995, Slg. Nr. 14.374, m.w.N.). Diese Aussage trifft auch für den Rechtsbehelf der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zu.

Der Begriff "Vollzug" in § 30 Abs. 2 VwGG wird daher vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung weit ausgelegt, er versteht darunter jede "Umsetzung eines Bescheides in die Wirklichkeit", also sowohl die Herstellung der dem Bescheid entsprechenden materiellen Rechtslage, als auch die Herstellung des dieser Rechtslage entsprechenden faktischen Zustandes. Bewirkt ein Bescheid eine Änderung des bei seiner Erlassung bestehenden Rechtszustandes zum Nachteil des Beschwerdeführers, so ist grundsätzlich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer dagegen gerichteten Beschwerde möglich (vgl. etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1982, Zl. 82/08/0057, sowie auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes zu § 85 Abs. 2 VfGG vom 22. Juni 1994, B 836/94 u.a. Zlen., Slg. Nr. 13.805/1994). Auch Bescheide, die Grundlage für nachfolgende, den Betroffenen zum Nachteil gereichende Verwaltungsakte sein können, sind einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1997, Zl. AW 97/06/0009, und vom 21. Oktober 1997, Zl. AW 97/09/0070).

Auch durch einen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG werden subjektive Rechte, etwa auf Zuständigkeit der Unterbehörde, an welche die Sache verwiesen wurde, oder auf Beachtung der im Bescheid der Berufungsbehörde ausgesprochenen Rechtsansicht gestaltet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1982, Zl. 82/07/0088), auch ein solcher Bescheid ist daher einem Vollzug im Sinne einer Umsetzung in die Wirklichkeit zugänglich. Auch im vorliegenden Fall wurde die Rechtssphäre des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid zweifellos auf diese Weise verändert, weshalb auch im vorliegenden Fall die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Im vorliegenden Fall ist aber nicht ersichtlich, inwiefern die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung für den Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG bedeuten würde. Ermittlungen der Fremdenbehörde erster Instanz über seine privaten und familiären Beziehungen können als ein solcher unverhältnismäßiger Nachteil jedenfalls schon deswegen nicht gewertet werden, weil solche Ermittlungen auch im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 1 AVG angeordnet werden könnten. Deren Ergebnis könnte auch im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides verwertet werden.

Dem Antrag war daher der Erfolg zu versagen.

Wien, am 8. September 1999

Schlagworte

VollzugBegriff der aufschiebenden WirkungUnverhältnismäßiger Nachteil

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:AW1999210191.A00

Im RIS seit

16.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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