TE OGH 2018/11/26 8Ob130/18b

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Veröffentlicht am 26.11.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B*****, 2. N*****, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** PLC, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 12.524,04 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 3.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. März 2017, GZ 2 R 146/16d-18, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Juli 2016, GZ 56 Cg 210/12v-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Verfahren wird fortgesetzt.

II. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

1. Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die klagenden Parteien Rechnungslegung begehren und ihr Zahlungsbegehren auf vertragliche Ansprüche stützen.

2. Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass die von der beklagten Partei erhobene Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen, dem insofern die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wird.

3. Die Kosten des Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung:

I. Das Revisionsrekursverfahren ist am 30. 5. 2017 zu 8 Ob 62/17a bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 10. 5. 2017 zu 3 Ob 28/17i gestellten Antrag auf

Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen worden. Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 12. 9. 2018, C-304/17, Löber, über diesen Antrag entschieden. Das Revisionsrekursverfahren ist daher von Amts wegen fortzusetzen.

II. Die Kläger sind Anleger mit Wohnsitz in Wien. Sie haben am 16. 10. 2007 über den Sekundärmarkt um 11.927,63 EUR insgesamt 6,457 Anteile des „X***** Zertifikat“ (in der Folge: das Zertifikat) erworben, dessen Emittentin die Beklagte ist.

Die abwickelnde Clearingstelle dieses Erwerbs war eine AG mit Sitz in F*****. Dort ist auch die Globalurkunde des Zertifikats hinterlegt. Die Gelder sind großteils verloren, das Zertifikat ist wertlos.

Die Kläger begehren Zahlung von 12.524,04 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe von 6,457 Anteilen des Zertifikats, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für den Schaden, der ihnen aus der getätigten Investition in dieses Wertpapier entstanden und noch nicht bezifferbar sei oder in Zukunft entstehen werde, sowie Rechnungslegung. Sie stützen sich auf vertragliche und deliktische (Schadenersatz-)Ansprüche, insbesondere Prospekthaftung. Zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts beriefen sie sich auf die Gerichtsstände der Art 15 EuGVVO 2001, hilfsweise Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001, sowie Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wandte die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts ein.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Kläger könne die Zuständigkeit weder auf Art 15 Abs 1 noch auf Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO 2001 stützen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es angesichts der Vielzahl gleich oder ähnlich gelagerter Fälle im Hinblick auf die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich wird auf die ausführlichen Begründungen in den jüngst ergangenen, zwei gleichgelagerte Fälle betreffenden und auf dem Urteil des EuGH, C-304/17, Löber, beruhenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 185/18d und 4 Ob 185/18m verwiesen.

Die Vorinstanzen haben daher aus den dort genannten Gründen die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für die geltend gemachten vertraglichen Ansprüche und das Rechnungslegungsbegehren zu Recht verneint, weshalb insofern der angefochtene Beschluss zu bestätigen ist.

Dagegen ist das Erstgericht für die aus Delikt abgeleiteten Ansprüche nach Art 5 Nr 3 EuGVVO 2001 international zuständig, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts insoweit im Sinne der Verwerfung der erhobenen Einrede abzuändern ist. Das Erstgericht wird daher das gesetzmäßige Verfahren über diese Ansprüche zu führen haben.

Zur Frage der internationalen Zuständigkeit liegt ein Zwischenstreit vor (RIS-Justiz RS0109078 [T15]). Angesichts des Umstands, dass beide Parteien jeweils in Ansehung eines der beiden tragenden Rechtsgründe als unterlegen anzusehen sind, ist die Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 erster Fall ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und
– nach §§ 50, 43 Abs 1 erster Fall ZPO – für das Rechtsmittelverfahren sachgerecht.

Textnummer

E123734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00130.18B.1126.000

Im RIS seit

17.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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