TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/9 98/06/0104

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Veröffentlicht am 09.09.1999
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
BauG Stmk 1995 §27 Abs1;
BauG Stmk 1995 §27 Abs2;
BauG Stmk 1995 §27 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des P in H, vertreten durch D, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Mai 1998, Zl. 03-12.10 G 126-98/1, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Parteien: 1. HK in P; 2. JK, ebendort, beide vertreten durch D, Rechtsanwalt in P; 3. Gemeinde Greinbach, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 11. Dezember 1997 beantragten der Erst- und die Zweitmitbeteiligte die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses auf näher angeführten Grundstücken. Aus dem Protokoll über die mündliche Bauverhandlung in diesem Bauverfahren (am 10. Jänner 1998) ist festgehalten, dass der ordnungsgemäß mit RS-Brief geladene Beschwerdeführer an der Bauverhandlung teilgenommen habe und über die Situierung des Abbruch- und des neuen Bauobjektes aufgrund der vorliegenden Pläne ausreichend informiert und über die baurechtlichen, diesbezüglichen Belange in Kenntnis gesetzt worden sei. Der Beschwerdeführer werde die Benützung seines Grundes, die für die Bauarbeiten bei Errichtung des Gebäudes und bei eventuellen Reparaturarbeiten erforderlich wäre, im Bereich seiner Einfahrt in der notwendigen Breite, jedoch maximal 3,0 m, gestatten. Des Weiteren nehme der Beschwerdeführer zur Kenntnis, dass an der Grenze zu seinem Grundstück die Außenmauer des neuen Objektes errichtet werde und in dieser Außenmauer im Kellergeschoß ein Fenster, im Erdgeschoß drei Fenster, im Obergeschoß drei Fenster und im Dachgeschoß zwei Fenster ausgeführt würden und diese Fenster mit nach außen öffenbaren Fensterläden (Balken) ausgestattet würden. Die Fensterbalken würden über die Grundgrenze geöffnet. Sollte auf dem Grundstück des Beschwerdeführers ein weiteres Bauwerk errichtet werden, so seien die gesetzlichen Gebäudeabstände einzuhalten. Unter diesen Teil des Protokolls ist die Unterschrift des Beschwerdeführers mit dem beigefügten Datum "10.01.1998" gesetzt.

Mit Antrag vom 22. Jänner 1998 stellte der Beschwerdeführer in dieser Bauangelegenheit den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit Einwendungen gegen das Bauansuchen. Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer am Tag der Bauverhandlung starke Kopfschmerzen gehabt habe, schwindelig gewesen sei und Probleme gehabt hätte, den Dingen gedanklich zu folgen und sich zu konzentrieren. Zu alldem sei am Morgen auch noch eine plötzliche Störung im Magen-Darm-Trakt (Brechdurchfall) eingetreten. Er sei daher zu dieser Verhandlung sehr geschwächt gekommen, um dort seine Interessen wahrzunehmen. Er habe sich sehr schlecht gefühlt, habe den Vorgängen in der Verhandlung nicht so recht folgen können, habe diese auch ganz anders in Erinnerung, als sie in der nun vorliegenden Verhandlungsschrift ersichtlich seien und habe deshalb auch vorzeitig die Verhandlung verlassen müssen. Es sei ihm auch nicht möglich gewesen, eine andere Person zu dieser Bauverhandlung zu entsenden, weil seine Eltern damals auf Urlaub gewesen seien, seine Schwester selbst ihrem Beruf als Verkäuferin nachgehen habe müssen. Er habe auch seinen Vertreter am 10. Jänner 1998, einem Samstag, für die für 11.00 Uhr anberaumte Bauverhandlung nicht mehr mobilisieren können, weil dieser nicht erreichbar gewesen sei. Bei seinem Hausarzt habe er in Erfahrung bringen können, dass die Ursache in der hohen Dosierung des ihm verordneten Medikamentes Parkemed gelegen sein könne und dadurch sein kritikloses Verhalten zu erklären sei. Er sei zufolge eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses nicht in der Lage gewesen, zur Bauverhandlung einen Vertreter zu entsenden, dem Verlauf dieser Verhandlung gehörig zu folgen und dort die von ihm beabsichtigten Einwendungen gegen das Bauvorhaben anzubringen.

In dem mit diesem Antrag vorgelegten ärztlichen Attest wird ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer am 27. November 1997 das Medikament Parkemed verschrieben worden sei. Die Dosierungsempfehlung sei 4x1 gewesen. Bei dieser Dosierung komme es normalerweise - das Körpergewicht des Patienten berücksichtigend - zu keiner Nebenwirkung, wenn man die Unverträglichkeit der Wirksubstanz als Möglichkeit ausschließe. In höheren Dosierungen könne es sehr wohl zu schwereren Beeinträchtigungen auch von Seiten der zerebralen Funktionen (wie Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsstörungen) kommen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Februar 1998 wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer habe an der Verhandlung teilgenommen und sei daher die Voraussetzung zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht gegeben.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde ohne Datum (dem Beschwerdeführer zugestellt am 3. April 1998) als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß dem Gesetzestext des § 71 Abs. 1 AVG 1991 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann bewilligt werden könne, wenn eine mündliche Verhandlung versäumt worden sei. Wie sich aus der Verhandlungsschrift vom 10. Jänner 1998 ergebe, sei der Beschwerdeführer bei der Verhandlung anwesend gewesen. Dieser Umstand sei vom Beschwerdeführer auch niemals in Abrede gestellt worden. Demzufolge ergebe sich, dass die Voraussetzung, nämlich die Versäumung einer Verhandlung, im Gegenstandsfalle nicht vorliege und daher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Gesetz folgend nicht bewilligt werden könne. Da bereits die Voraussetzung zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht gegeben sei, könne auch auf die inhaltlichen Vorbringen, die sowohl in der Berufung als auch in der Vorstellung geltend gemacht worden seien, nicht eingegangen werden. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen wäre nur dann möglich, wenn die formalen Erfordernisse zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages in den vorigen Stand vorliegen würden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 27 Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, lautet:

"Parteistellung

(1) Wurde eine Bauverhandlung kundgemacht, so behalten nur die Nachbarn Parteistellung, die spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 erhoben haben.

(2) Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach Abs. 1 beizubehalten, so darf er seine Einwendungen auch nach Abschluss der Bauverhandlung vorbringen, und zwar

a)

bis zum Ablauf von acht Wochen ab Baubeginn oder

b)

ab Kenntnis der bewilligungspflichtigen Nutzungsänderung, längstens jedoch bis zum Ablauf eines Jahres ab durchgeführter Nutzungsänderung.

Solche Einwendungen sind binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses bei der Behörde erster Instanz einzubringen. Der Nachbar ist vom Zeitpunkt seiner Einwendung an Partei.

(3) Solange über das Bauansuchen noch nicht entschieden wurde, sind Einwendungen nach Abs. 2 von der Behörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden. Wurde hingegen der Baubewilligungsbescheid bereits erlassen, gilt die Einbringung der Einwendung als Antrag auf Zustellung des Genehmigungsbescheides. Gegen den Genehmigungsbescheid oder gegen den dem Antrag auf Zustellung nicht stattgebenden Bescheid ist die Berufung zulässig. Für das weitere Verfahren ist die zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen."

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

"1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft."

Aus § 27 Abs. 1 Stmk BauG ergibt sich, dass, wenn die Bauverhandlung kundgemacht wurde, nur die Nachbarn die Parteistellung beibehalten, die spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 leg. cit. erhoben haben. Wenn der Beschwerdeführer - wie unbestritten - in der Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren keine Einwendungen erhoben hat, ist er somit gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. nicht mehr Partei dieses Bauverfahrens. Der Beschwerdeführer kann daher die Regelung der Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG schon mangels Parteistellung in diesem Verfahren nicht in Anspruch nehmen. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers wäre daher rechtens mangels Anwendbarkeit des § 71 AVG zurückzuweisen gewesen. Der Umstand, dass der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers im vorliegenden Bauverfahren aus einem anderen Grund zurückgewiesen wurde, verletzt den Beschwerdeführer in keinen Rechten.

Bei diesem Ergebnis war auf die inhaltlichen Ausführungen der Beschwerde zu den Kriterien des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht mehr einzugehen.

Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 27 Abs. 3 erster Satz Stmk BauG im Rahmen der Begründung seines Wiedereinsetzungantrages Einwendungen samt einer Begründung im Sinne des Abs. 2 dieser Bestimmung erhoben hat, warum er ohne sein Verschulden gehindert war, die Parteistellung gemäß Abs. 1 beizubehalten. Dieses Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. Jänner 1998 ist am selben Tag bei der erstinstanzlichen Baubehörde eingelangt. Die Baubewilligung vom 19. Jänner 1998 ist gegenüber dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten am 5. Juni 1998 ergangen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers wäre somit im Sinne des § 27 Abs. 3 erster Satz Stmk BauG bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu berücksichtigen gewesen. Sofern die Behörde erster Instanz nicht von sich aus den Baubewilligungsbescheid vom 19. Jänner 1998 dem Beschwerdeführer zustellt, kann der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zustellung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides stellen. Im Rahmen der Entscheidung der Behörde über diesen Antrag ist auch zu prüfen, ob die nachträgliche Erhebung von Einwendungen durch den Beschwerdeführer im Sinne des § 27 Abs. 2 Stmk. BauG überhaupt zulässig ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998060104.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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