TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/10 97/19/0592

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Veröffentlicht am 10.09.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §19 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner über die Beschwerde des I D in N, Ungarn, geboren 1951, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1997, Zl. 108.000/11-III/11/97, betreffend Ladung in einer Angelegenheit einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 2. März 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab im Antrag u.a. an, "Grenzgänger" (Pendler) zu sein und seinen Wohnsitz im Ausland zu haben. Dieser Antrag wurde von der Behörde erster Instanz unter Hinweis auf die bereits ausgeschöpfte Quote gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mit Bescheid vom 3. August 1994 abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung, in der er ua. bezweifelte, dass eine Aufenthaltsbewilligung überhaupt erforderlich sei. Er halte sich überwiegend in Ungarn auf und befördere dort als LKW-Lenker Waren von und nach Österreich für seinen österreichischen Arbeitgeber. Er übe seine Arbeit somit vorwiegend nicht in Österreich aus. Da er in Österreich keinen Wohnsitz habe, in Ungarn wohne und sofern er nach Österreich einreise ohnehin am gleichen Tag nach Ungarn zurückkehre, sei er als Grenzgänger anzusehen, der keine Aufenthaltsbewilligung benötige.

Der Bundesminister für Inneres wies mit vom 10. November 1994 die Berufung gemäß § 9 Abs. 3 AufG ab. Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, B 2832/94, behoben. Der Verfassungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis unter anderem aus, die einander widersprechenden Erklärungen des Beschwerdeführers in Antrag und Berufung hätten einer zureichenden Klarstellung durch vorzunehmende Beweiserhebungen bedurft (etwa durch die Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei bzw. durch geeignete Erhebungen bei seinem Dienstgeberunternehmen).

Im fortgesetzten Verfahren forderte die belangte Behörde den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 30. Jänner 1997 zur Vorlage verschiedener Unterlagen (Nachweis des Lebensunterhaltes, einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, Vorlage der Kopie eines Mietvertrages, Angabe des Aufenthaltszweckes, Bekanntgabe des Aufenthaltes weiterer Familienangehöriger im Bundesgebiet, Vorlage der Kopie des Reisepasses und Angabe des derzeitigen Aufenthaltsortes) auf. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 1997 legte der Vertreter des Beschwerdeführers verschiedene Unterlagen vor und machte geltend, er sei lediglich bei einem österreichischen Arbeitgeber als Kraftfahrer beschäftigt und somit auch sozialversichert; er reise aber weder (arbeits)täglich nach Österreich ein, noch hielten sich Familienangehörige in Österreich auf. Im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit (Kraftfahrer) könne es unter anderem vorkommen, dass er nach und durch Österreich für seinen Arbeitgeber fahre; er habe aber in Österreich weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt.

Schließlich wurde der Beschwerdeführer mit Ladungsbescheid vom 10. März 1997 gemäß § 19 AVG zum persönlichen Erscheinen im Bundesministerium für Inneres am 2. April 1997 um 9 Uhr bei sonstiger Androhung einer Zwangsstrafe in der Höhe von S 1000,-- und zwangsweiser Vorführung aufgefordert. Als Gegenstand der Amtshandlung wurde angeführt, dass es der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz notwendig mache, dass er hiezu persönlich im Bundesministerium für Inneres vorspreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche

Beschwerde.

§ 19 Abs. 1 AVG lautet (auszugsweise):

"(1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ..."

Der Beschwerdeführer macht geltend, beide Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 erster Satz AVG lägen in seinem Fall nicht vor; so halte er sich nicht im Amtsbereich der belangten Behörde auf und sein Erscheinen sei nicht notwendig, zumal er alle Unterlagen vorgelegt habe und rechtsfreundlich vertreten sei. In ihrer Gegenschrift bringt die belangte Behörde vor, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes habe auf die Notwendigkeit eigener Erhebungen der Berufungsbehörde hingewiesen und die Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei ausdrücklich genannt. Die von der belangten Behörde gesetzten Ermittlungsschritte hätten nicht die gewünschte Klärung der Rechtsfrage erbracht, ob der Beschwerdeführer unter das AufG falle oder nicht, weshalb "vom Beschwerdeführer selbst eine Entscheidung bezüglich seines Begehrens über eine aufenthaltsrechtliche Genehmigung zu fordern gewesen sei."

Die Beschwerde erweist sich als berechtigt. Die Erlassung eines Ladungsbescheides, mit welchem das persönliche Erscheinen des Geladenen angeordnet wird, ist nach § 19 Abs. 1 AVG und der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1988, Slg. Nr. 12 772/A, vom 4. Februar 1994, Slg. Nr. 13 999/A, sowie vom 28. Mai 1998, Zl. 94/18/0222) nur dann zulässig, wenn die Behörde den mit der Ladung verfolgten Zweck auf andere Weise - etwa schriftlich oder fernmündlich - nicht erreichen kann. Dem angefochtenen Bescheid kann (nur) entnommen werden, dass Gegenstand der Amtshandlung gemäß § 19 Abs. 2 AVG der "Antrag (des Beschwerdeführers) auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz" bilden solle. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers sei notwendig, ist nicht unmittelbar einsichtig. Aber auch die Argumentation der belangten Behörde zur Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers in der Gegenschrift vermag nicht zu überzeugen.

Wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, vom "Beschwerdeführer sei selbst eine Entscheidung bezüglich seines Begehrens über eine aufenthaltsrechtliche Genehmigung zu fordern gewesen", so wäre es ihr auch freigestanden, den Beschwerdeführer im Wege über seinen Rechtsvertreter zu diesem Thema im Wege einer Aufforderung zu einer schriftlichen Stellungnahme zu befragen. Dass die belangte Behörde mit den von ihr bisher gesetzten Ermittlungsschritten in gezielter Weise Versuche unternommen hätte, vom Beschwerdeführer eine eindeutige Aussage dazu zu erhalten, welches Ziel er mit dem von ihm gestellten Antrag in Berücksichtigung des damit in Widerspruch stehenden Berufungsvorbringen tatsächlich verfolgt (Aufenthaltsbewilligung oder Sichtvermerk), ist nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer hat allerdings in seiner Berufung (zulässigerweise) Eventualanträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bzw. eines Sichtvermerks sowie auf Feststellung, dass er keine derartigen Bewilligung benötige, gestellt. Wollte die belangte Behörde zur Behandlung dieser Anträge schließlich die genauen Umstände der Tätigkeit des Beschwerdeführers und der Häufigkeit seiner Aufenthalte im Inland klären, so hätte sie sich sowohl vom Beschwerdeführer im Wege über seinen Rechtsvertreter als auch von seinem Dienstgeber die genauen Daten seiner Reisebewegungen in einem begrenzten Zeitraum in Vergangenheit vorlegen lassen können, um sich auf diese Weise ein Bild von der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu verschaffen.

Dass eine unumgängliche Notwendigkeit für ein persönliches Erscheinen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde bestand, konnte die belangte Behörde hingegen nicht dartun. Sie hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 95/21/1014).

Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurfte, ob die weitere Voraussetzung des § 19 Abs. 1 erster Satz AVG, wonach der Geladene im Amtsbereich der Behörde seinen Aufenthalt (Sitz) haben muss, im Fall des Beschwerdeführers überhaupt zutrifft.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190592.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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