TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/15 99/04/0099

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Ing. J S in T, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. März 1999, Zl. 318.700/5-III/9/98, betreffend Verweigerung der Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 30. März 1999 verweigerte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG unter Berufung auf § 28 Abs. 1 GewO 1994 die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zum Zwecke der Ausübung des Gewerbes "Technisches Büro für Kulturtechnik, eingeschränkt auf Wasserversorgungsanlagen, nicht kommunale Abwasserentsorgungsanlagen bzw. Abwasserentsorgungsanlagen bis zum Anschluss ans öffentliche Kanalnetz". Zur Begründung führte der Bundesminister im Wesentlichen aus, der im 41. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer habe in seinem Nachsichtsansuchen zu seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit angegeben, er habe im Jahre 1978 an der HTBL Pinkafeld mit ausgezeichnetem Erfolg maturiert und im Sommer 1978 als Angestellter in einem näher bezeichneten Technischen Büro zu arbeiten begonnen. 1982 sei ihm das Recht zur Führung der Standesbezeichnung Ingenieur verliehen worden und am 9. Juni 1988 habe er die Prüfung für den Befähigungsnachweis zur Führung eines Technischen Büros mit Ausbilderprüfung erfolgreich abgelegt. Im Jänner 1992 habe er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber gekündigt und führe seither ein Technisches Büro für Maschinenbau, Installation und Heizungstechnik. An der HTBL Pinkafeld sei er auch in Wasserversorgung, Sanitär- und Installationstechnik, Rohrleitungsbau sowie in Bau- und Vermessungskunde unterrichtet worden. In seiner 14-jährigen Tätigkeit als leitender angestellter Techniker habe er unter anderem auch eine große Anzahl von Projekten auf dem Fachgebiet der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung selbstständig geplant, die Behördenverfahren abgewickelt, die Bauausführung beaufsichtigt und die Abrechnungsüberprüfung der einzelnen Projekte durchgeführt. Nach Gründung seines eigenen Technischen Büros sei er auf diesem Fachgebiet auch als selbstständiger Techniker in den letzten vier Jahren intensiv tätig gewesen und könne auch als selbstständiger Techniker auf eine Reihe von erfolgreich geplanten Projekten auf diesem Fachgebiet verweisen. In seiner Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, die Bildungs- und Lehraufgabe im Unterrichtsgegenstand Wasserversorgung, Sanitär- und Installationstechnik an der HTBL Pinkafeld seien gründliche Kenntnisse der gesamten Wasserversorgungstechnik und des Wasserrohrleitungsbaues sowie die Befähigung zum Entwurf und zur Berechnung solcher Anlagen gewesen. Gleichzeitig sei er auch im Unterrichtsgegenstand Bau- und Vermessungskunde unterrichtet worden. Die Bildungs- und Lehraufgaben dieses Unterrichtsgegenstandes seien Kenntnisse der Grundsätze und der Ausführungsgepflogenheiten bei Hoch- und Tiefbauten in einem solchen Umfang, wie es zur Projektierung und Ausführung von Wasserversorgungsanlagen und Heizungsanlagen nötig sei. Er habe sein Nachsichtsansuchen genau auf jene Fachgebiete eingeschränkt, die seiner Schulbildung und seiner bisherigen Berufspraxis entsprächen. Im Rahmen des Berufungsverfahrens habe ein amtlicher Sachverständiger mitgeteilt, dass von ihm sämtliche einschlägigen Projektunterlagen des Beschwerdeführers durchgesehen worden seien. Auf dem Gebiet der Wasserversorgung seien mehrere kleine Projekte nach den Regeln der Technik erstellt worden. Bei der Abwasserbeseitigung lägen keine nennenswerten Unterlagen vor. Es könne daher, sofern dies rechtlich möglich sei, allenfalls die Befugnis zur Planung kleinerer Wasserversorgungsanlagen im genossenschaftlichen und privaten Bereich erteilt werden. Im Berufungsverfahren sei in der Folge von vier amtlichen Sachverständigen eine informative Befragung des Beschwerdeführers über die zur Ausübung des gegenständlichen Gewerbes erforderlichen Kenntnisse durchgeführt worden. Das Ergebnis der Befragung sei von diesen wie folgt zusammengefasst worden:

"Im Bereich Grundlagen der Hydraulik konnte der Nachsichtswerber nur ein relativ geringes Basiswissen (Mängel bei Rohrhydraulik z. B. Energielinie/Drucklinie, und Gerinnehydraulik z. B. strömender/schießender Abfluss) nachweisen. Auf dem Fachgebiet Wasserversorgung ist zwar ein Basiswissen vorhanden. Für komplexere Systeme und Anlagen konnte ein ausreichender Wissensstand nicht nachgewiesen werden. Auf dem Gebiet der Bautechnik hat der Nachsichtswerber auf Grund seiner Ausbildung sicher nicht die Befähigung und das entsprechende Fachwissen zur Projektierung, Bemessung und Bauüberwachung von größeren baulichen Maßnahmen und Bauten, wie man es etwa bei Absolventen von HTL's der Fachrichtung Hochbau, Tiefbau und Bautechnik annehmen kann. Gerade auf dem Gebiet der Wasserversorgung mit umfangreichen baulichen Maßnahmen im Gelände außerhalb von Gebäuden ist aber dies eine unverzichtbare Voraussetzung. Zusammenfassend war daher aus fachlicher Sicht zu folgern, dass der Nachsichtswerber die uneingeschränkte Befugnis für die Projektierung, Bemessung und Bauüberwachung von Wasserversorgungsanlagen (gemeint sind dabei ausdrücklich Trink- und Nutzwasserversorgungsanlagen) nicht erteilt werden kann. Der Ansicht des Nachsichtswerbers, dass seine Schulbildung und die bisherige Tätigkeit die uneingeschränkte Befugniserteilung für den Bereich Wasserversorgung rechtfertigen würde, kann nicht gefolgt werden."

Der Beschwerdeführer habe dem in seiner Stellungnahme entgegengehalten, der Grund, warum er die Geschwindigkeitsenergie nicht genannt habe, sei nicht in seiner Unwissenheit gelegen, sondern in der Tatsache, dass diese laut ÖNORM vernachlässigt werden könne und in der Praxis auch nachweislich vernachlässigt werde. Es sei richtig, dass er zur Gerinnehydraulik keine befriedigende Antwort habe geben können. Er sei in seiner über 20-jährigen Berufspraxis mit dem Begriff strömender/schießender Abfluss bis dato nicht konfrontiert gewesen, da er sich bis zur besagten Befragung mit Gerinnehydraulik nicht befasst habe. Der Verbau von offenen Gerinnen, wo diese Begriffe eine Rolle spielen könnten, sei von seiner angestrebten Gewerbeberechtigung ohnedies ausgenommen. Die Annahme, es sei ein Basiswissen vorhanden, für komplexere Systeme und Anlagen habe aber ein ausreichender Wissensstand nicht nachgewiesen werden können, beruhe sicher nicht auf dem Ergebnis der Befragung, da ihm keine Frage gestellt worden sei, die diese Annahme begründen könnte. Für die Beurteilung, ob ein Nachsichtswerber die volle Befähigung zur Ausübung des Gewerbes eines Technischen Büros auf dem Fachgebiet der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft besitze, seien die Bestimmungen des § 1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Befähigungsnachweis für die Gewerbe der Technischen Büros, BGBl. Nr. 725/1990, maßgebend. Der gemäß Z. 1 lit. a für die Erbringung des Befähigungsnachweises für das Gewerbe eines Technischen Büros auf dem Fachgebiet der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft geforderte erfolgreiche Besuch einer Studienrichtung für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft - eine höhere berufsbildende Schule sei für dieses Fachgebiet nicht eingerichtet - habe nach der Studienordnung BGBl. Nr. 501/1996 eine Studiendauer von mindestens zehn Semestern und umfasse zwei Studienabschnitte mit näher bezeichneten Ausbildungsprogrammen. Die Nachsicht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 dürfe von vornherein nur erteilt werden, wenn die vom Nachsichtswerber absolvierte Ausbildung mindestens in gleicher Weise wie die in den den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften geforderte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lasse. Ausgehend von den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen könne angenommen werden, dass er in einem bestimmten Umfang die nach § 1 der zitierten Verordnung für die selbstständige Ausübung des von ihm angestrebten Gewerbes zu verlangenden Kenntnisse besitze. Es dürfe aber nicht übersehen werden, dass er eine dem Fachgebiet der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft entsprechende Studienrichtung an einer inländischen Universität nicht besucht und die von ihm absolvierte fachtheoretische Ausbildung nicht den gesamten Unterrichtsstoff einer solchen Studienrichtung hinsichtlich Inhalt und Umfang umfasst habe. Bei der sich solcherart darstellenden Sachlage könne daher selbst bei der vom Beschwerdeführer angestrebten eingeschränkten Bewilligung nicht angenommen werden, dass er allen nach § 1 der in Rede stehenden Befähigungsnachweisverordnung für die selbstständige Ausübung des von ihm angestrebten Gewerbes eines Technischen Büros auf dem Fachgebiet der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft zu verlangenden Kenntnisse, insbesondere die fachtheoretischen Kenntnisse, im vollen Umfang besitze. Da auch seine bisherige Fachpraxis schon im Hinblick auf die den Befähigungsnachweis für das gegenständliche Gewerbe festlegenden Vorschriften den ihm fehlenden erfolgreichen Besuch der Studienrichtung Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an einer inländischen Universität nicht zu ersetzen vermöge, sei somit vom Beschwerdeführer ein Ausbildungsstand, der der Erbringung des Befähigungsnachweises für das in Rede stehende Gewerbe gleichzuhalten sei, nicht erreicht worden. Dem Beschwerdeführer fehle es aber auch an der für eine Nachsichtserteilung nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erforderlichen hinreichenden Befähigung. Im Rahmen des von ihm angestrebten Gewerbes seien die mit der Planung, Projektierung etc. von Trinkwasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen verbundenen Leistungen zu erbringen. Die zufrieden stellende Verrichtung solcher Leistungen setze neben praktischen Erfahrungen ein entsprechendes theoretisch-technisches Fachwissen voraus. Der Beschwerdeführer habe durch Zeugnisse nachgewiesen, dass er im Jahr 1978 die Reifeprüfung an der Höheren Abteilung für Maschinenbau, Installation und Heizungstechnik der HTBL Pinkafeld erfolgreich abgelegt und danach gewisse Arbeiten auf dem Fachgebiet des von ihm angestrebten Gewerbes durchgeführt habe. Er habe aber bei den mit den Amtssachverständigen geführten Fachgesprächen ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet des in Rede stehenden Gewerbes nicht nachgewiesen. Es könne daher nicht angenommen werden, dass er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfüge, um die mit der Ausübung des von ihm angestrebten eingeschränkten Gewerbes eines Technischen Büros auf dem Fachgebiet der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft verbundenen Leistungen zufrieden stellend erbringen zu können. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, mit dem er die fachliche Richtigkeit des eingeholten, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehenden Amtssachverständigengutachtens in Zweifel ziehe, sei entgegenzuhalten, dass die bloße Behauptung, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaften in Widerspruch, nicht ausreiche, um ein solches Gutachten in Zweifel zu ziehen. Eine derartige Behauptung sei vielmehr durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das in Rede stehende Gewerbe verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt er einerseits vor, seine bereits bestehende Gewerbeberechtigung umfasse ohnedies bereits all jene Tätigkeiten, die in den Berechtigungsumfang des Gewerbes fielen, für das die Nachsicht vom Befähigungsnachweis angestrebt werde. Es gehe ihm lediglich um eine Klarstellung der Rechtslage. Aber auch wenn man dieser Rechtsansicht nicht folgen wollte, so verfüge er doch über die in § 1 der genannten Verordnung über den fraglichen Befähigungsnachweis geforderten Kenntnisse, weil er im Rahmen seiner Ausbildung an der HTBL Pinkafeld auch die Pflichtunterrichtsgegenstände "Wasserversorgungs-, Sanitär- und Installationstechnik, Rohrleitungsbau" besucht habe. Er habe sein Nachsichtsansuchen genau auf jenen Umfang eingeschränkt, der seiner Ausbildung entspreche. Es gehe nicht an, dass die belangte Behörde seine Fähigkeiten am Maßstab eines Diplomingenieurs der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft und damit an der universitären Ausbildung für diesen gesamten umfangreichen Tätigkeitsbereich messe. Für den eingeschränkten Berechtigungsumfang verfüge er aber über die volle Befähigung. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, dass er von der belangten Behörde zu Unrecht nicht angeleitet worden sei, mit Rücksicht darauf, dass seine bestehende Gewerbeberechtigung bereits den Berechtigungsumfang des angestrebten Gewerbes umfasse, sein Begehren auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides umzustellen. Auch hätte die belangte Behörde ihn in Kenntnis seines Bildungsweges und seiner Praxis dahin gehend anleiten müssen, den Wortlaut des Gewerbes, für welches er um Nachsicht ansuche, einerseits den Anforderungen der §§ 211 und 28 GewO 1994 und andererseits seinem Bildungsgang an der HTBL Pinkafeld anzupassen. Schließlich sei er auch nicht darüber belehrt worden, dass er dem Gutachten der Amtssachverständigen nur mit einem auf gleicher fachlicher Ebene stehenden Privatgutachten entgegentreten könne. Dieses Sachverständigengutachten könne aber gar nicht als ein solches gewertet werden, weil es an einer entsprechenden Gliederung in Befund und Gutachten mangle, da vor allem die ihm gestellten Fragen und seine darauf gegebenen Antworten darin nicht festgehalten seien.

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, dass er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist,

oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Nachsicht gemäß Abs. 1 auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

Wie sich aus der zuletzt zitierten Bestimmung ergibt, ist dann, wenn die Nachsicht nur für eine Teiltätigkeit eines Gewerbes beantragt wird, die Nachsicht, und zwar auch jene im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1, also bei voller Befähigung, zu erteilen, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten des Nachsichtswerbers nicht den gesamten Berechtigungsumfang des betreffenden Gewerbes abdecken, sondern lediglich die vom Antrag umfasste Teiltätigkeit dieses Gewerbes. Wird in einem Fall wie dem vorliegenden die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis lediglich für eine Teiltätigkeit eines Gewerbes beantragt, so hat die Behörde unter dem Gesichtspunkt der vollen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 unter Zugrundelegung der den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften zunächst Feststellungen darüber zu treffen, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für eine volle Beherrschung der fraglichen Teiltätigkeit des in Rede stehenden Gewerbes erforderlich sind und daran sodann im Sinne der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 zu prüfen, ob nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, dass er diese Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt. Gleiches gilt für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 2 Einleitungssatz leg. cit. mit der Einschränkung, dass hier zunächst festzustellen ist, welche Leistungen im Rahmen der vom Nachsichtsansuchen betroffenen Teiltätigkeit des Gewerbes in der Regel zu erbringen sind und welche Tätigkeiten beherrscht werden müssen, um solche Leistungen zufrieden stellend zu verrichten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0195).

Diesem Erfordernis kommt der angefochtene Bescheid nicht nach, weil darin offensichtlich die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen des Beschwerdeführers sowohl unter dem Gesichtspunkt der vollen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 als auch unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne der Z. 2 dieser Gesetzesstelle an den Erfordernissen für die Ausübung des uneingeschränkten Gewerbes eines Technischen Büros auf dem Fachgebiet der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft gemessen wurden.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Es erübrigt sich daher, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040099.X00

Im RIS seit

11.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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