TE Vfgh Beschluss 1997/6/25 B1866/96

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §87 Abs3

Leitsatz

Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Stellung eines nachträglichen Abtretungsantrags aufgrund bloß leichter Fahrlässigkeit bei Versäumung der Frist um einen Tag; keine Zweifel an Verläßlichkeit der Kanzleiangestellten der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Stellung des Antrages, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird bewilligt.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 1997 , B1866/96-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Aril 1996, Z305.770/2-III/11/96, ab.

Dieser Beschluß wurde den Vertretern der Beschwerdeführerin am 28. Mai 1997 zugestellt.

2. Mit dem am 12. Juni 1997 zur Post gegebenen und am 13. Juni 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz begehrt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Unter einem wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

Zur Begründung brachten die Vertreter der Beschwerdeführerin folgendes vor: Die zweiwöchige Frist zur Antragstellung auf Abtretung der Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG sei von der Kanzleikraft der Beschwerdevertreter richtig mit 11. Juni 1997 im Kanzleikalender eingetragen worden.

Der den Abtretungsantrag enthaltende Schriftsatz sei am 11. Juni 1997 von der Konzipientin der Kanzlei diktiert und von der Kanzlei der Vertreter der Beschwerdeführerin geschrieben worden. Nach Durchsicht des Schriftsatzes und Unterschrift des Dr. D sei der Schriftsatz kuvertiert und versehentlich nicht mit einem Aufgabeschein versehen und damit nicht zu den eingeschriebenen Postsendungen gegeben worden, obwohl sich auf dem Antrag der Stempel "Einschreiben" befunden hätte.

Man hätte daher den Schriftsatz zur normalen Post gereiht, die erst am nächsten Tag, dem 12. Juni 1997, aufgegeben werden sollte. Erst an diesem Tag sei aufgefallen, daß der Schriftsatz irrtümlich nicht eingeschrieben und somit nicht fristgerecht aufgegeben worden sei.

Die ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführerin treffe an dieser erstmaligen Fehlleistung ihrer Angestellten kein Verschulden und sie hätten diese auch nicht verhindern können.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO in der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

2. Die rechtzeitige Einbringung des Antrages wurde durch einen Irrtum einer Kanzleiangestellten und der daraus resultierenden verspäteten Aufgabe des Schriftsatzes gehindert. Dieser Fehler wurde sofort bemerkt, als man den Antrag am darauffolgenden Tag bei der normalen Post entdeckt hatte. An demselben Tag, dem 13. Juni 1997, an dem der verspätet eingebrachte Schriftsatz beim Verfassungsgerichtshof einlangte, wurde bereits ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Dieser Antrag ist somit rechtzeitig.

Nach dem schlüssigen und glaubhaften Vorbringen der Vertreter der Beschwerdeführerin kann nicht angenommen werden, daß die Beschwerdeführerin oder ihre Bevollmächtigten ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden trifft (vgl. VfGH am 24.09.1996, B1577/96).

Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, oder an der Verläßlichkeit der Kanzleiangestellten der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zu zweifeln.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zu bewilligen.

III. Dies konnte gemäß §33 und §19 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1866.1996

Dokumentnummer

JFT_10029375_96B01866_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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