TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/15 99/04/0028

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1994 §94 Abs3;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §79 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der P Gesellschaft m. b. H. in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Dezember 1998, Zl. MA 63-P 607/97, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Auflage Punkt 4. des erstbehördlichen Bescheides ("Gaszähler und Hauptabsperreinrichtungen müssen stets leicht zugänglich sein. Leicht brennbare Lagerungen in einem Umkreis von einem Meter um den Gaszähler sind verboten.") vorgeschrieben wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführerin für ihre näher bezeichnete Betriebsanlage gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 und § 94 Abs. 3 des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes unter anderem folgende Auflage vorgeschrieben:

"Gaszähler und Hauptabsperreinrichtungen müssen stets leicht zugänglich sein. Leicht brennbare Lagerungen in einem Umkreis von einem Meter um den Gaszähler sind verboten."

Zur Begründung dieser Vorschreibung wird ausgeführt, sowohl bei der gewerbetechnischen Überprüfung der Betriebsanlage am 30. September 1997 als auch anlässlich der Erhebung im Zuge des Berufungsverfahrens am 27. Jänner 1998 seien leicht brennbare Lagerungen unmittelbar neben dem Gaszähler vorgefunden worden. Diese Auflage, deren Einhaltung mit keinem nennenswerten wirtschaftlichen Aufwand verbunden sei, sei zur Hintanhaltung einer Brandgefahr und damit von Gefahren für die Arbeitnehmer und fremdes Eigentum unerlässlich. In welcher Weise die Einhaltung des Sicherheitsabstandes gewährleistet werde, bleibe der Betriebsinhaberin überlassen. Was die allfällige Errichtung eines Metallkastens um den Zähler betreffe, sei darauf zu verweisen, dass der Aufstellungsort des Gasmessers gemäß der rechtskräftigen Vorschreibung im Punkt 27. des Genehmigungsbescheides vom 30. Jänner 1976 ausreichend belüftet sein müsse. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, es sei ihr anlässlich einer Augenscheinsverhandlung vom 29. Juli 1998 und einer Befundaufnahme am 28. Jänner 1998 von Stadtbaurat Mag. D. gestattet worden, einen solchen Metallkasten zu errichten, so werde übersehen, dass Mag. D., wäre er an den angeführten Tagen in der Betriebsanlage gewesen, als Amtssachverständiger aus dem Fach der Luftreinhaltung der Magistratsabteilung 22 (Umweltschutz) gar nicht kompetent gewesen wäre, solche Meinungsäußerungen abzugeben.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen die Vorschreibung der genannten Auflage, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichterteilung der in Rede stehenden Auflage verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie im Wesentlichen vor, anlässlich der am 28. Jänner 1998 stattgefundenen Befundaufnahme durch die Magistratsabteilung 36 sei der Beschwerdeführerin von der Behörde alternativ die Möglichkeit eingeräumt worden, entweder einen Metallkasten um den Gaszähler zu errichten oder einen Sicherheitsabstand zu dem Gaszähler durch Wegschaffung der Lagerungen herzustellen, um voraussehbare Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu vermeiden. Die Beschwerdeführerin habe dies als einen Verwaltungsakt aufgefasst, der verbindliche Rechtswirkungen entfalte. Dieser Verwaltungsakt weise zudem die Mindesterfordernisse eines Bescheides auf: Er richte sich an einen individuell bestimmten Adressaten, nämlich die Beschwerdeführerin; es habe die Verwaltungsbehörde kraft der gesetzlich verliehenen Kompetenz einseitig verbindliche Anordnungen getroffen und die Auflage im oben zitierten alternativen Sinn vorgeschrieben; die belangte Behörde sei hoheitlich tätig geworden und es sei die Anordnung ausschließlich als Äußerung des autoritativen Wollens der Behörde deutbar. Die Beschwerdeführerin habe die vorgeschriebene Auflage durch die Montage eines Metallkastens erfüllt. Die nunmehrige Vorschreibung der zweiten alternativ genannten Auflage, einen Sicherheitsabstand einzuhalten, entspreche nicht dem Gesetz. Dies sei unverhältnismäßig und unbillig, wenn nicht sogar Ausdruck von Behördenwillkür. Der Leiter der damaligen Kommission habe am 28. Jänner 1998 die Sachlage richtig dahin beurteilt, dass durch die Montage eines Metallkastens eine Gefährdung nicht mehr gegeben sei. Im Vertrauen darauf, dass die Behörde ihre Auflage im erstbehördlichen Bescheid vom 6. November 1997 durch einen rechtsverbindlichen Verwaltungsakt anlässlich der gegenständlichen Befundaufnahme präzisiert bzw. modifiziert habe, habe die Beschwerdeführerin die Montage des Sicherungskastens aus Metall bereits vorgenommen. Sie habe damit sogar die für sie teuere Variante gewählt. Wenn sogar die belangte Behörde der Meinung sei - das sei sie jedenfalls am 28. Jänner 1998 gewesen -, dass durch eine der beiden Auflagen allein der angestrebte Erfolg erzielt werde, dann sei die Einhaltung des Sicherheitsabstandes nicht mehr notwendig und stelle eine unverhältnismäßige Auflage im Sinne des § 79 GewO 1994 dar. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Parteiengehörs rügt die Beschwerdeführerin, sie sei von der belangten Behörde nicht aufgefordert worden und es sei ihr auch keine Gelegenheit dazu gegeben worden, darzutun, wer die gegenständliche Zusage erteilt habe. Aus der Erinnerung der Beschwerdeführerin sei Mag. D. zumindest am 28. Jänner 1998 bei der Befundaufnahme anwesend gewesen, doch seien darüber keine Aufzeichnungen gemacht worden. Zu diesem Vorbringen habe die belangte Behörde keine gegenteiligen Unterlagen vorgelegt. Hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, so hätte ihr Vorbringen ergeben, dass die Montage des Metallkastens zur Erfüllung der Auflage gemäß der Erörterung vom 28. Jänner 1998 ausreiche. Von der Beschwerdeführerin könne nicht verlangt werden, dass sie die Kompetenz des Leiters der Kommission überprüfe, zumal dazu keine ausreichende Möglichkeit bestehe und eine offensichtliche Inkompetenz nicht erkennbar gewesen sei. Die belangte Behörde habe nicht begründet, warum die Montage eines Metallkastens nicht ausreiche. Trotzdem die Beschwerdeführerin in ihren Äußerungen im Verfahren auf den Umstand, dass die Montage eines Metallkastens ausreiche, hingewiesen habe, werde im Berufungsbescheid darauf nicht ausreichend Bezug genommen. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, zur Beurteilung dieser Frage einen Amtssachverständigen beizuziehen.

Gemäß § 62 Abs. 1 AVG können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, setzt die Wirksamkeit eines mündlich verkündeten Bescheides die schriftliche Festhaltung seines Inhaltes am Schluss der Verhandlungsschrift oder in einer besonderen Niederschrift voraus. Die Unterlassung der Beurkundung hat zur Folge, dass der Bescheid nicht existent wird (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0291).

Von dieser Rechtslage ausgehend kann die Richtigkeit der Beschwerdebehauptungen über die Vorgänge am 28. Jänner 1998 dahin gestellt bleiben. Denn da weder in der Beschwerde behauptet wird, noch die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Aktenlage Anhaltspunkte dafür enthält, dass eine entsprechende behördliche Willensäußerung durch Mag. D. auch in der im § 62 Abs. 2 AVG vorgesehenen Form beurkundet worden wäre, kann in diesen Vorgängen keinesfalls die Erlassung eines die belangte Behörde bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides bindenden mündlichen Bescheides erblickt werden.

Die Beschwerde erweist sich aber auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71 a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben.

Gemäß § 94 Abs. 3 ASchG hat die zuständige Behörde, wenn sich in einer Arbeitsstätte nach rechtskräftig erteilter Arbeitsstättenbewilligung oder nach einer rechtskräftigen Genehmigung nach § 93 Abs. 1 zeigt, dass der Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer unter den vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen nicht ausreichend gewährleistet ist, zum Schutz der Arbeitnehmer andere oder zusätzliche Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben.

Sowohl nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 als auch nach § 94 Abs. 3 ASchG setzt die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen voraus, dass bei Einhaltung der bereits vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen einerseits die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen und andererseits der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer nicht in ausreichendem Maß gesichert ist. Um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es entsprechender, in der Regel unter Beiziehung eines Sachverständigen zu treffender Feststellungen, ob und welche Gefahren, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen drohen.

Diesen Anforderungen kommt der angefochtene Bescheid in Bezug auf die in Rede stehende Auflage insofern nicht nach, als daraus nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen im Fall brennbarer Lagerungen in einem Umkreis von einem Meter um den Gaszähler eine Brandgefahr droht. Die von der belangten Behörde im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten von Sachverständigen befassen sich mit dieser Frage nicht. Sie beschränken sich vielmehr auf die bloße Feststellung, dass innerhalb des fraglichen Abstandes "leicht brennbare Lagerungen" vorgefunden worden seien. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin im Zuge des Berufungsverfahrens wiederholt vorgebracht hat, zur Vorbeugung gegen eine allfällige Brandgefahr sei auch die Anbringung eines Metallkastens um den Gaszähler, die von ihr auch bereits vorgenommen worden sei, ausreichend. Zwar ist die Behörde bei der Vorschreibung von Auflagen nach § 79 GewO 1994 bzw. nach § 94 Abs. 3 ASchG nicht an Vorschläge des Betriebsinhabers gebunden, doch darf, wenn zur Erreichung desselben Zweckes mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, nur jene Maßnahme als Auflage vorgeschrieben werden, die den Betriebsinhaber am wenigsten belastet (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1982, Zl. 92/04/0056). Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin durch ihr erwähntes Vorbringen im Verwaltungsverfahren erkennen lassen, dass sie die Anbringung eines Metallkastens - insbesondere da dies bereits geschehen ist - als weniger belastend empfindet, als die Vorschreibung eines von brennbaren Lagerungen freizuhaltenden Sicherheitsabstandes. Die belangte Behörde hätte daher, sofern tatsächlich eine die Erlassung eines Bescheides nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 bzw. § 94 Abs. 3 ASchG rechtfertigende Brandgefahr festgestellt worden wäre, zu prüfen gehabt, ob dieser Gefahr nicht auch durch die Anbringung des erwähnten Metallkastens ausreichend begegnet werden kann.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid im Umfang der in Rede stehenden Auflage gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. September 1999

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Gewerbetechniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040028.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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