TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/19 W129 2206200-1

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Veröffentlicht am 19.10.2018
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Entscheidungsdatum

19.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
SchOG §8h Abs1
SchOG §8h Abs2
SchOG §8h Abs3
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs2a
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W129 2206200-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde der mj. XXXX , vertreten durch die Kindeseltern XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) und XXXX (Drittbeschwerdeführer), gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 06.09.2018, Zl. 600.009/0052-R/2018, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs 1 und 2 VwGVG iVm § 11 Schulpflichtgesetz stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben und die Teilnahme der mj. XXXX am häuslichen Unterricht (zustimmend) zur Kenntnis genommen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Mit am 31.08.2018 beim Stadtschulrat für Wien eingelangten Formular zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Teilnahme ihrer Tochter XXXX (Erstbeschwerdeführerin) am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2018/2019 an.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.09.2018, Zl. 600.009/0052-R/2018, sprach der Stadtschulrat für Wien aus, dass die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2018/2019 gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz (SchPflG) untersagt werde (Spruchpunkt 1.), die Erstbeschwerdeführerin gem. § 11 Abs 2a SchPflG iVm § 8h Abs 3 entweder eine Deutschförderklasse oder einen Deutschförderkurs zu besuchen habe (Spruchpunkt 2.) und dass die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer verpflichtet seien, im Schuljahr 2018/2019 für die Erfüllung der Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatten Schule gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG zu sorgen (Spruchpunkt 3.).

Begründend führte der Stadtschulrat für Wien im Wesentlichen aus, dass die Erstbeschwerdeführerin ungenügende bzw. mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache habe.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Zweitbeschwerdeführerin fristgerecht die vorliegende Beschwerde. Begründend führte sie im Wesentlichen Folgendes aus:

Ihre Tochter habe zwei Jahre lang den Unterricht als außerordentliche Schülerin besucht. Sie sei eine gewissenhafte Schülerin mit sehr guten schulischen Leistungen. Ihr Lehrer habe in einem Gespräch mit den Eltern die Leistungen im Fach Deutsch mit "2 bis 3" bewertet. Die Behörde sei eingeladen, sich von den Deutschkenntnissen ein Bild zu machen. Es habe jedoch keinen Kontakt gegeben. Bereits nach dem ersten Schuljahr seien die Deutschkenntnisse ausreichend gewesen, es sei seitens der Schule aber vorgeschlagen worden, den Status "außerordentliche Schülerin" aufrecht zu erhalten. Man habe die Eltern am Ende des zweiten Schuljahres informiert, dass keine Notengebung erfolgen werde.

Da sich der Erstbeschwerdeführerin in der Schule unwohl gefühlt habe, habe man sich für den häuslichen Unterricht entschieden, welcher auch im Rahmen des Vereins " XXXX " stattfinden werde.

4. Mit Schreiben vom 20.09.20189 legte der Stadtschulrat für Wien die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor und führte aus, dass die Erstbeschwerdeführerin außerordentliche Schülerin gewesen und wegen mangelhafter Deutschkenntnisse in keinem Pflichtgegenstand beurteilt worden sei.

5. Am 17.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher ein Vertreter der belangten Behörde, die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführer teilnahmen. Darüber hinaus wurde jener Lehrer als Zeuge befragt, welcher die Erstbeschwerdeführerin zwei Jahre lang unterrichtet hatte.

Im Wesentlichen wurde in der Verhandlung der Umfang der Deutschkenntnisse der Erstbeschwerdeführerin erörtert. Nach Befragung der Eltern und des früheren Lehrers sowie nach einer kurzen Unterredung mit der Erstbeschwerdeführerin selbst stellte der Richter fest, dass die Deutschkenntnisse der Erstbeschwerdeführerin auch für einen Laien als sehr gut einzustufen seien. Von der Aussprache seien praktisch keine Defizite (kein Akzent) feststellbar, Satzbau und Grammatik seien einwandfrei und erschienen dem Richter als altersgemäß.

Abschließend führte der frühere Lehrer der Erstbeschwerdeführerin aus, dass es in diesem Schuljahr erstmals eine Deutschförderklasse an seiner Schule gebe. Ziel sei es, dass die Kinder, die eine solche Klasse absolvierten, eben jene Kenntnisse aufwiesen, welche die Erstbeschwerdeführerin bereits heute habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die Erstbeschwerdeführerin ist am XXXX geboren und hält sich in Österreich dauernd auf.

Mit am 31.08.2018 beim Stadtschulrat für Wien eingelangten Formular zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Teilnahme ihrer Tochter XXXX (Erstbeschwerdeführerin) am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2018/2019 an.

Die Deutschkenntnisse der Erstbeschwerdeführerin sind im Alltagsgebrauch als sehr gut zu bezeichnen. Im Falle einer (jedoch nicht erfolgten) Beurteilung hätte sie im Fach "Deutsch, Lesen, Schreiben" eine positive Note erhalten.

Von Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Deutschförderunterrichtes wird am Ende jenes Sprachniveau der deutschen Sprache erwartet, welches die Erstbeschwerdeführerin bereits heute aufweist.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt somit über jene Sprachkenntnisse, die sie befähigen, dem Unterricht der betreffenden Schulstufe zu folgen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt, insbesondere aber aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung und den dort protokollierten Aussagen des bisherigen Lehrers der Erstbeschwerdeführerin; darüber hinaus konnte sich der zuständige Richter in einer kurzen Unterredung persönlich einen Eindruck von den sehr guten Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin verschaffen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde (Spruchpunkt A)

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.2. Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes lauten:

Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann - unbeschadet des § 12 - auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen die Polytechnischen Schule - mindestens gleichwertig ist.

(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Landesschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Landesschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat der Landesschulrat anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

3.3. Wie sich aus der Bestimmung des § 11 Abs 2a SchPflG ergibt, besteht die Möglichkeit des häuslichen Unterrichts nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

§ 8h Abs 1 SchOG sieht vor, dass den Schülerinnen und Schülern von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren und höheren Schulen, die wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache als außerordentliche Schülerinnen oder Schüler aufgenommen wurden, in Deutschförderklassen und Deutschförderkursen jene Sprachkenntnisse zu vermitteln sind, die sie befähigen, dem Unterricht der betreffenden Schulstufe zu folgen.

3.4. Die belangte Behörde hat zwar - zunächst durchaus nachvollziehbar - aus dem Status der Erstbeschwerdeführerin als "außerordentliche Schülerin" und aus der Nicht-Beurteilung im Fach "Deutsch, Lesen, Schreiben" am Ende des Schuljahres 2017/18 die Vermutung angestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht über ausreichende Kenntnisse der Unterrichtssprache verfügt, jedoch konnte diese Vermutung in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zweifelsfrei widerlegt werden: Die Erstbeschwerdeführerin verfügt bereits jetzt über jene Deutschkenntnisse, die sie befähigen, dem Unterricht der betreffenden Schulstufe zu folgen.

3.5. Daraus ergibt sich die Nichtanwendbarkeit der Bestimmung des § 11 Abs 2a SchPflG.

3.6. Da sich weder aus dem Verfahren vor der belangten Behörde noch aus der mündlichen Beschwerdeverhandlung Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der häusliche Unterricht nicht gleichwertig iSd § 11 Abs 2 SchPflG sein könnte, ist der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben und die Anzeige der Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht (zustimmend) zur Kenntnis zu nehmen.

3.7. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

3.8. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anzeige, außerordentlicher Schüler, ersatzlose Behebung, häuslicher
Unterricht, Kenntnisnahme, minderjähriger Schüler, öffentliche
Schule, Schulpflicht, Sprachkenntnisse, Unterrichtssprache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W129.2206200.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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