TE Vwgh Erkenntnis 2018/12/14 Ra 2018/02/0294

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Veröffentlicht am 14.12.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FSG 1997 §24;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §44 Abs1;
VwGVG 2014 §44 Abs2;
VwGVG 2014 §44 Abs3;
VwGVG 2014 §44 Abs4;
VwGVG 2014 §44 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 6. August 2018, Zl. LVwG 30.20-1860/2018-2, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: P in G, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in 8605 Kapfenberg, Wiener Straße 100), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Landespolizeidirektion vom 23. Mai 2018 wurde die Mitbeteiligte schuldig erachtet, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (Alkoholgehalt der Atemluft 0,66mg/l) und dabei einen Verkehrsunfall verschuldet zu haben. Gemäß § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO wurde über die Mitbeteiligte eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge gegeben, das angeführte Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

3 Nach der wesentlichen Begründung habe die Mitbeteiligte in der im Beschwerdeverfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2018 angegeben, vor Durchführung des Alkomattests fünf oder sechs Zigaretten geraucht zu haben. Gemäß der Bedienungsanleitung für das verwendete Atemalkoholmessgerät sei unter anderem nach dem Rauchen eine Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten. Ob eine solche Wartezeit eingehalten worden sei, habe im Revisionsfall nicht geklärt werden können, zumal die Mitbeteiligte angegeben habe, gleich nach dem Unfall fünf oder sechs Zigaretten geraucht zu haben, während der den Alkotest durchführende Beamte nicht die ganze Zeit zugegen gewesen sei und sich nicht mehr habe erinnern können, ob die Mitbeteiligte geraucht habe. Damit könne grundsätzlich nicht von einem verwertbaren Messergebnis des Atemalkoholgehaltes ausgegangen werden.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

5 In der Revisionsbeantwortung beantragte die Mitbeteiligte die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Für zulässig erachtet die revisionswerbende Landespolizeidirektion die Revision, weil das Verwaltungsgericht keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und weil es - unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung - keinen Sachverständigen zur Beantwortung der Frage beigezogen habe, ob Rauchen innerhalb der 15-minütigen Wartezeit Einfluss auf das Messergebnis haben könne.

7 Dir Revision ist zulässig und aus den von der revisionswerbenden Landespolizeidirektion aufgezeigten Gründen auch berechtigt.

8 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG in Verwaltungsstrafsachen grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung ist nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen (VwGH 8.3.2018, Ra 2017/02/0273).

9 Entgegen dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht von der Verhandlung abgesehen und das Absehen nicht begründet. Die Verhandlung im Entziehungsverfahren kann eine solche im Verwaltungsstrafverfahren nicht ersetzen.

10 In der Sache hat das Verwaltungsgericht entgegen ständiger Rechtsprechung keinen Sachverständigen zur Frage beigezogen, ob auch im Falle von Rauchen innerhalb der in den Verwendungsrichtlinien geforderten 15-minütigen Wartezeit ein gültiges Messergebnis zustande kommen kann. Es kann nämlich auch bei Nichteinhaltung der erforderlichen Wartefrist das Zustandekommen eines gültigen Messergebnisses angenommen werden, wenn diese Annahme aus fachlichen Gründen zulässig ist (vgl. etwa VwGH 19.7.2013, 2011/02/0020, mwN, und VwGH vom 26.1.2000, 99/03/0318).

11 Zur verlässlichen Abklärung der Frage des Einflusses des von der Revisionswerberin behaupteten Rauchens während der Wartefrist auf das im Revisionsfall erzielte Messergebnis hätte es daher auch der Beiziehung eines messtechnischen Sachverständigen bedurft.

12 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 14. Dezember 2018

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietFeststellung der AlkoholbeeinträchtigungBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020294.L00

Im RIS seit

04.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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