TE Vwgh Beschluss 1999/9/16 97/20/0418

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Veröffentlicht am 16.09.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §44 Abs1;
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, in der namens des A A, geboren 00-1978, unbekannten Aufenthaltes, durch R H, per Adresse Caritas der Erzdiözese Wien, Sechsschimmelgasse 21 in 1090 Wien, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/20, eingebrachten Beschwerdesache gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Asylangelegenheit, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die namens des A A von R H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Rainer, erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Mit der am 15. Juli 1997 (Datum der Postaufgabe) beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerde stellte der Beschwerdeführer den Antrag, über die Berufung vom 13. Jänner 1997 im Sinne einer Stattgebung zu entscheiden und die belangte Behörde zum Ersatz der Kosten zu verhalten, und brachte begründend vor, innerhalb der Frist des § 73 AVG sei über seine am 13. Jänner 1997 im Asylverfahren erhobene Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Dezember 1996, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, nicht entschieden worden.

In ihrer Gegenschrift führte die belangte Behörde aus, die Berufung vom 13. Jänner 1997 sei nicht dem Beschwerdeführer (Asylwerber) zuzurechnen, diese sei nämlich in dessen Namen durch einen "gewillkürten Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg als vermeintlichen gesetzlichen Vertreter" des damals im Sinn des § 13 AsylG 1991 minderjährigen und damit asylrechtlich nicht handlungsfähigen Beschwerdeführers (Asylwerbers) eingebracht worden. Die Ermittlungen der belangten Behörde hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einbringung seines Rechtsmittels von Seiten der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg (13. Jänner 1997) nicht in deren Amtsbereich, sondern zwischen dem

4. und dem 9. Dezember 1996 in der Pfarre Akkonplatz, 1150 Wien, Oeverseestraße 2, wohnhaft gewesen und zwischen dem 9. und dem 14. Dezember 1996 im Rahmen der Bundesbetreuung bei der G. GesmbH in St. Unterkunft genommen habe. Dieser Wohnsitz sei im Bereich der Bezirkshauptmannschaft Güssing gelegen, die mit Telefax vom 5. September 1997 die nachträgliche Genehmigung zur asylrechtlichen und fremdenpolizeilichen Vertretung des minderjährigen Asylwerbers durch einen namentlich genannten Mitarbeiter der Caritas erteilt habe. Der Beschwerdeführer habe die Betreuungsstelle ohne Bekanntgabe einer neuen Unterkunft verlassen und sei am 14. Dezember 1996 "unbekannt wohin" abgemeldet worden. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz danach in den Bereich der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg (gemeint: zurück-)verlegt habe bzw. sich weiter im Bereich der Bezirkshauptmannschaft Güssing aufgehalten hätte. § 13 Abs. 2 AsylG 1991 übertrage die Vertretung von Asylwerbern, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträgern. Diese örtliche Zuständigkeit sei jedoch im Augenblick der Berufungseinbringung der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg eindeutig nicht und im Augenblick der Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft Güssing nicht mehr zugekommen, womit die Berufung vom 13. Jänner 1997 jedenfalls durch einen falsus procurator des Asylwerbers und jetzigen Beschwerdeführers erhoben worden sei. Dementsprechend sei dessen Einschreiten auch mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 mangels Vertretungsbefugnis zurückgewiesen worden. Es sei hervorzuheben, dass die Partei im materiellen Sinn diesfalls die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg selbst und nicht der jetzige Beschwerdeführer, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg gewesen sei. Es sei damit aber auch dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf den Zurückweisungsbescheid wegen mangelnder Vertretungsbefugnis in keinem Zeitpunkt entstanden, sondern nur dem falsus procurator, d. h. der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg. Im Rahmen des Asylverfahrens habe zu keinem Zeitpunkt ein dem jetzigen Beschwerdeführer zurechenbares Anbringen, das eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde diesem gegenüber ausgelöst hätte, vorgelegen, sodass die belangte Behörde diesem gegenüber auch nicht säumig hätte werden können.

Nach Vorlage der Verwaltungsakten hat der Verwaltungsgerichtshof über die Prozessvoraussetzungen in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Ohne auf die Frage der rechtswirksamen Erhebung der Berufung durch den vom Asylwerber bestellten Vertreter eingehen zu müssen, erweist sich die Säumnisbeschwerde aus folgenden Überlegungen als jedenfalls unzulässig:

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht (von hier nicht in Betracht kommenden Fällen abgesehen) binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Das Wesen einer Säumnisbeschwerde liegt darin, dass sie die Partei vor der Rechtsverweigerung durch die Verwaltungsbehörde schützt; das Ziel der Säumnisbeschwerde ist es, eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes an Stelle der säumigen Behörde herbeizuführen. Ist aber die Zuständigkeit der säumigen Behörde zur Entscheidung über ein Parteibegehren nach Einbringung der Säumnisbeschwerde infolge Gesetzesänderung weggefallen, so ist deren Entscheidungspflicht untergegangen und die Säumnisbeschwerde mangels Berechtigung des Beschwerdeführers zu deren Erhebung zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Jänner 1969, Slg. Nr. 7492/A, sowie die Beschlüsse vom 22. Juni 1962, Zl. 957/62, und vom 30. Oktober 1978, Zl. 2025/77).

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76, sind die am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der Bundesminister für Inneres hat die bei ihm anhängigen oder nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof anhängig werdenden Sachen dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten. Eine Verpflichtung der Berufungsbehörde in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine "non-refoulement-Prüfung" vorzunehmen, besteht nicht. Der unabhängige Bundesasylsenat entscheidet gemäß § 38 leg. cit. über das Rechtsmittel.

Da das Asylverfahren des Beschwerdeführers bereits vor dem 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängig war, ist der Bundesminister für Inneres seit dem Inkrafttreten des AsylG 1997 nicht mehr zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers zuständig. Seine Entscheidungspflicht ist damit weggefallen. Der Entscheidung dieser im vorliegenden Fall belangten Behörde steht somit seit dem 1. Jänner 1998 ein gesetzliches Hindernis in Form der geänderten Zuständigkeitsbestimmung entgegen. In einem solchen Fall liegt eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht mehr vor. Mit dem Wegfall der Entscheidungspflicht ist zugleich der grundlegenden Voraussetzung zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde der Boden entzogen, denn nach dem Wesen der Säumnisbeschwerde stehen diesbezüglich belangte Behörde und Verwaltungsgerichtshof auf derselben Ebene des Verwaltungsverfahrens. Der Verwaltungsgerichtshof kann seine Entscheidung nur an Stelle der belangten Behörde treffen, was rechtlich lediglich dann und nur solange möglich ist, als die belangte Behörde zur Entscheidung zuständig ist. Die Auffassung, die einmal begründete Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes bliebe trotz späteren Wegfalles der Entscheidungspflicht als Folge der verloren gegangenen Zuständigkeit der belangten Behörde bestehen, würde es mit sich bringen, dass dem nun zuständig gewordenen Organ (hier dem unabhängigen Bundesasylsenat) die Zuständigkeit genommen würde, wofür das Gesetz keine Grundlagen bietet (vgl. den hg Beschluss vom 23. September 1998, Zl. 97/01/0648).

Aus dem Eintritt der Unzuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich der Untergang der Entscheidungspflicht. Die wegen Verletzung ihrer Entscheidungspflicht erhobene Beschwerde ist daher wegen des Verlustes der Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung unzulässig geworden.

Aus diesen Gründen war sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG

zurückzuweisen.

Kosten waren nicht zuzusprechen.

Wien, am 16. September 1999

Schlagworte

Änderung der ZuständigkeitVerletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungVerhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997200418.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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