TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/9 W122 2205580-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
ZDG §13 Abs1 Z2

Spruch

W122 2205580-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, wohnhaft in XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 25.07.2018, Zl. 327348/31/ZD/0718, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren vor der belangten Behörde

1. Der Beschwerdeführer gab am 08.08.2008 eine mängelfreie Zivildiensterklärung gemäß § 1 Abs. 1 Zivildienstgesetz 1986 (ZDG) ab und wurde in der Folge am 18.08.2008 für tauglich gemäß § 1 Abs. 2 ZDG befunden. Mit Bescheid vom 19.08.2008 stellte die Zivildienstserviceagentur gemäß § 5 Abs. 4 ZDG den Eintritt der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers mit 08.08.2008 fest.

2. Mit Bescheid vom 13.08.2010 wurde der Beschwerdeführer zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes einer näher genannten Einrichtung für den Zeitraum von 01.01.2011 bis 30.09.2011 zugewiesen.

Mit Bescheid vom 31.03.2011 wurde dieser Zuweisungsbescheid mangels Dienstantritt des Beschwerdeführers innerhalb von 30 Tagen nach Zuweisungszeitpunkt, ohne durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse abgehalten worden zu sein, gemäß § 22 Abs. 1a ZDG behoben.

3. Mit Bescheid vom 18.04.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes einer näher genannten Einrichtung für den Zeitraum von 01.06.2018 bis 28.02.2019 zugewiesen.

4. Mit Schreiben vom 23.05.2018 beantrage der Beschwerdeführer, ihn von der Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien, da es ihm aufgrund seiner familiären Verhältnisse nicht möglich sei, diese Aufgabe wahrzunehmen. Sein Vater sei verstorben und er müsse die Pflege für seine Mutter und seinen Onkel übernehmen. Zudem sei er selbst in psychiatrischer Behandlung.

5. Mit daraufhin ergangenem Schreiben der Zivildienstserviceagentur vom 25.05.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, längstens bis 15.06.2018 (einlangend bei der Behörde) nachfolgend angeführte Beweismittel beizubringen: Meldenachweis zu allen an seiner Adresse gemeldeten Personen, Versicherungsdatenauszug, Pensionsbescheid der Mutter, Pflegegeldbescheid der Mutter, Nachweis eines Kostenersatzes bei Inanspruchnahme eines Heimhelferdienstes, Ärztliches Attest der Mutter, Ärztliches Attest des Onkels, Nachweis Beschäftigungsverhältnis (Dienstvertrag und Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse), Firmenbuchauszug, Gewerbeberechtigung, Stellungnahme der Wirtschaftskammer, Angabe Mitarbeiterzahl und Anmeldung Gebietskrankenkasse, Darstellung seiner Tätigkeit, Einnahmen-/Ausgabenrechnung 2017.

Nach gewährter Fristerstreckung legte der Beschwerdeführer am 13.07.2018 folgende Unterlagen vor: Stellungnahme der Wirtschaftskammer, Einnahmen-/Ausgabenrechnung 2017, Auszug Girokonto Goodstuff Supply, Auszug Gewerberegister 06.05.2014, Patientenbriefe und Bescheide über Pflegegeld und Mindestsicherung der Mutter 25.06.2018 ,Meldenachweis des Beschwerdeführers, Versicherungsdatenauszug, Dienstvertrag (ohne Unterschrift und Ausstellungsdatum), Bestätigung Dienstgeber vom 03.07.2018 (Aja Car), Anmeldung Gebietskrankenkasse (40 h pro Woche) vom 23.03.2018.

Ein Meldenachweis der Mutter, ein Nachweis eines Kostenersatzes bei Inanspruchnahme eines Heimhelferdienstes, ein ärztliches Attest des Onkels sowie eine Darstellung der Tätigkeit des Beschwerdeführers wurden nicht beigebracht.

6. Mit Bescheid vom 05.07.2018 wurde der Zuweisungsbescheid vom 18.04.2018 mangels Dienstantritt des Beschwerdeführers innerhalb von 30 Tagen nach Zuweisungszeitpunkt, ohne durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse abgehalten worden zu sein, gemäß § 22 Abs. 1a ZDG behoben. Gleichzeitig wurde darüber eine Anzeige gemäß § 60 ZDG an das Magistrat Wien erstattet.

2. Der angefochtene Bescheid

Mit dem bekämpften Bescheid vom 25.07.2018, Zl. 327348/31/ZD/0718, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG abgewiesen.

Begründend führte die Behörde nach Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, dass das vom Beschwerdeführer vorgelegte Attest der Mutter die vorgeschriebenen Voraussetzungen für eine Befreiung nicht erfüllen könne. Durch die berufsbedingte Abwesenheit (laut Dienstvertrag 40 Stunden pro Woche) des Beschwerdeführers sei die gleichzeitige notwendige Anwesenheit für die Pflege der Mutter nicht möglich. Die angegebene notwendige Betreuung des Onkels stehe im Widerspruch zu der getätigten Abmeldung seines Wohnsitzes vom 14.06.2018 und finde somit keine klare Berücksichtigung im Verfahren. Da er weiters trotz Aufforderung den Nachweis eines Kostenersatzes bei Inanspruchnahme eines Heimhelferdienstes nicht beigebracht habe, werde davon ausgegangen, dass dieser sehr wohl zumutbar sei.

Zivildienstleistende würden in der Nähe des Wohnortes eingesetzt werden und die Dienstzeit entspreche im Wesentlichen jener bei Ausübung des zivilen Berufes. Dadurch würden sie die Möglichkeit erhalten, täglich private Interessen zu betreiben und die notwendige Hilfestellung zu leisten. Es werde festgehalten, dass jeder Zivildienstpflichtige in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Dienstleistung alle seine persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände so einrichten müsse, dass vorhersehbare Schwierigkeiten bei Leistung des Zivildienstes vermieden würden (Harmonisierungspflicht, VwGH 17.12.1998, Zl. 98/11/018). Da der gegenständliche Sachverhalt nicht geeignet gewesen sei, zumindest eine der gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen zu erfüllen, sei der Antrag spruchgemäß abzuweisen gewesen.

3. Beschwerde

Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte begründend im Wesentlichen aus, dass er für die Pflege seiner Mutter zuständig sei, die an starken Depressionen sowie an Diabetes erkrankt sei, welche er aber nicht in ein Altersheim geben möchte, um das Gefühl der Einsamkeit zu vermeiden. Er habe im Oktober 2014 ein Unternehmen gegründet und da er keine Vertretung habe bzw. sich keine leisten könne, sei die Existenz seines Unternehmens schwer gefährdet (siehe Stellungnahme Wirtschaftskammer). Um dieser Situation entgegenzuwirken, sei er gezwungen worden eine Vollzeit-Anstellung anzustreben und sei seit Anfang 2018 am Flughafen angestellt. Aufgrund des Schichtdienstes sei es ihm möglich, sich parallel dazu um seine Mutter und um den Erhalt seines Unternehmens zu kümmern. Er selbst sei mit all dem vollkommen überfordert und gestresst, was dazu geführt habe, dass er bereits in psychiatrischer Behandlung sei.

4. Weiteres Verfahren

In der Folge legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 11.09.2018 die Beschwerde sowie die bezughabenden Akten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit am 20.09.2018 eingegangen Schreiben übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht das nunmehr gegen den Beschwerdeführer gerichtete Straferkenntnis vom 17.09.2018 des Magistrates Wien betreffend den Nichtantritt des Zivildienstes gemäß § 60 ZDG iHv € 200,00 bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am 18.08.2008 für tauglich befunden.

Der Beschwerdeführer hat bereits seiner mit Bescheid vom 13.08.2010 erfolgten Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes für den Zeitraum von 01.01.2011 bis 30.09.2011 sowie seiner mit Bescheid vom 18.04.2018 erfolgten Zuweisung für den Zeitraum von 01.06.2018 bis 28.02.2019 keine Folge geleistet. Mit Straferkenntnis vom 17.09.2018 des Magistrates Wien wurde betreffend den Nichtantritt des Zivildienstes von 01.06.2018 bis 28.02.2019 gemäß § 60 ZDG über ihn eine Geldstrafe iHv € 200,00 bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.

Dem Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Eingehens seiner finanziellen Verpflichtungen (insbesondere der Gründung seines Einzelunternehmens im Jahr 2014) bekannt, dass er noch seinen ordentlichen Zivildienst abzuleisten hatte.

Der Beschwerdeführer wird auch neben der Ableistung des Zivildienstes der Pflege seiner Mutter in dem notwendigen und von ihm dargelegten Ausmaß nachgehen können. Ein überdurchschnittlicher Pflegebedarf bzw. eine zeitlich über das neben einer Berufstätigkeit hinausgehende Ausmaß vorliegende Betreuungsverpflichtung konnte nicht festgestellt werden.

Eine vom Beschwerdeführer zu verrichtende notwendige Pflege seines Onkels konnte nicht feststellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, insbesondere aus dem Bescheid vom 25.07.2018 sowie den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen.

Mit Schreiben vom 25.05.2018 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt und ihn ordnungsgemäß aufgefordert, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen und zu bescheinigen. Aus den daraufhin vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ergeben sich nur finanzielle Verpflichtungen, welche der Beschwerdeführer nach seiner Tauglichkeitsfeststellung im Jahre 2008 eingegangen ist, wie insbesondere die Gründung seines Einzelunternehmens im Jahr 2014.

Ein überdurchschnittlicher Pflegebedarf bzw. eine zeitlich über das neben einer Berufstätigkeit hinausgehende Ausmaß vorliegende Betreuungsverpflichtung wurden vom Beschwerdeführer weder geltend gemacht noch war dem Verwaltungsakt ein entsprechender Hinweis darauf zu entnehmen. Der Beschwerdeführer bringt vielmehr selbst vor, dass er die Betreuung der Mutter neben seiner 40 Stunden Anstellung und der Führung seines Einzelunternehmens ausübt. Dass dies während der Tätigkeit als Zivildienstleistender im Ausmaß von 40 Stunden in einer dem Wohnort des Beschwerdeführers nahe gelegenen Einrichtung nicht mehr möglich sein solle, ist daher nicht nachvollziehbar.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Pflege seines Onkels konnte dieser mangels der Vorlage von entsprechenden Unterlagen nicht nachweisen. Überdies geht aus den Unterlagen eine vom Beschwerdeführer am 14.06.2018 unterzeichnete Anregung zur Abmeldung des Onkels vom gemeinsamen Wohnsitz hervor, wonach sich dieser seit Mai 2018 nicht mehr dort aufhält.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt mangels anders lautender gesetzlicher Anordnung eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Letzteres ist hier der Fall. Ebenso liegen im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat etwa in seiner Entscheidung vom 5. September 2002, Speil v. Austria, no. 42057/98, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte ("where the facts are not disputed and a tribunal is only called upon to decide on questions of law of no particular complexity, an oral hearing may not be required under Article 6 § 1"; vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.02.2014, Zl. 2013/07/0169). Eine solche Fallkonstellation lag auch im Beschwerdefall vor.

Der Unterlassung der Verhandlung steht Art. 6 EMRK nicht entgegen, weil im gegenständlichen Verfahren die maßgeblichen Fakten nicht bestritten waren und es im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nur um Rechtsfragen ohne besondere Komplexität ging. Im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie konnte die Verhandlung daher entfallen (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu A)

3.1. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, idF BGBl. I Nr. 146/2015, von Bedeutung:

"§ 13. (1) Die Zivildienstserviceagentur hat den Zivildienstpflichtigen - gleichgültig ob er bereits Zivildienst leistet oder noch nicht - von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es Belange des Zivildienstes oder sonstige öffentliche Interessen - insbesondere gesamtwirtschaftliche, familienpolitische oder Interessen der Entwicklungshilfe - erfordern,

2. auf Antrag des Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche, familiäre oder auf Grund einer eingetragenen Partnerschaft bestehende Interessen erfordern.

(2) Der Bescheid, mit dem die Befreiung verfügt wird, setzt einen allfälligen Zuweisungsbescheid außer Kraft.

(3) Die Zivildienstserviceagentur hat die Befreiung (Abs. 1) zu widerrufen, wenn die Voraussetzung für die Befreiung wegfällt.

(4) ..."

3.2. Im gegenständlichen Fall ist zu prüfen, ob besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche, familiäre oder auf Grund einer eingetragenen Partnerschaft bestehende Interessen vorliegen, die gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 ZDG eine Befreiung des Beschwerdeführers von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes erforderlich machen.

Der Beschwerdeführer macht in seinem Antrag sowohl besonders berücksichtigungswürdige wirtschaftliche als auch familiäre Interessen geltend und legt dazu entsprechende Unterlagen vor.

3.2.1. Hinsichtlich der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen ist Folgendes auszuführen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Zivildienstpflichtige - ebenso wie Wehrpflichtige - gehalten, ihre wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall der Zuweisung bzw. Einberufung zur Ableistung des Dienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es der Betreffende, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der von ihm zu erwartenden Dienstleistungsverpflichtung zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Dienstes regelnden Bestimmungen angesehen werden. Sind wirtschaftliche Schwierigkeiten die Folge der Verletzung dieser sogenannten "Harmonisierungspflicht", können sie als Grundlage für die Befreiung nicht herangezogen werden (vgl. VwGH 17.07.2009, Zl. 2008/11/0145; 24.07.2013, Zl. 2010/11/0140, mwN).

Finanzielle Verpflichtungen könnten nur dann als besonders rücksichtswürdige Interessen Beachtung finden, wenn dem Zivildienstpflichtigen im Zeitpunkt des Eingehens dieser Verpflichtungen nicht bekannt gewesen wäre, dass er weiterhin mit einer Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu rechnen habe (VwGH 18.12.1990, Zl. 90/11/0104).

Der Beschwerdeführer hätte daher in Kenntnis der noch vor ihm liegenden Zivildienstleistung auf die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes Bedacht zu nehmen gehabt.

Da es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten finanziellen Verpflichtungen rein um solche handelt, die nach seiner Tauglichkeitsfeststellung im Jahre 2008 eingegangen wurden (wie insbesondere die Gründung seines Einzelunternehmens im Jahr 2014) können diese fallbezogen nicht als besonders rücksichtswürdige Interessen Beachtung finden und somit nicht zur Gewährung einer Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes führen.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass ein von der Wirtschaftskammer ausgestelltes Schreiben, wonach die Befreiung des Beschwerdeführers von der Ableistung des Zivildienstes unter Hinweis auf seine wirtschaftliche Situation mit Nachdruck befürwortet werde, an der fallbezogen im Einklang zur höchstgerichtlichen Judikatur getroffenen rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern vermag.

3.2.2. Zu den vorgebrachten familiären Interessen ist auszuführen, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Pflege seiner Mutter bei Ableistung des Zivildienstes unter denselben Umständen zu bewältigen wäre wie bei seiner derzeitigen Berufstätigkeit (40 Stunden pro Woche laut vorgelegtem Dienstvertrag sowie die nebenher betriebene Tätigkeit als Einzelunternehmer). Allein aus der Argumentation, er würde seine Angestelltentätigkeit in Schichtdiensten am Tagesrand verrichten können und damit die Pflege seiner Mutter (sowie die Führung seines Einzelunternehmens) besser verrichten können, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, zumal er - wie die belangte Behörde bereits richtigerweise anführt - als Zivildienstleistender in der Regel in der Nähe seines Wohnortes eingesetzt wird, die Dienstzeit im Wesentlichen der eines zivilen Berufes entspricht und er dadurch die Möglichkeit hat, täglich private Interessen zu betreiben und die notwendige Hilfeleistung zu verrichten.

3.2.3. Eine psychische Ausnahmesituation eines Zivildienstpflichtigen (zB. eine depressive gemischt ängstliche Episode einer abnormen Belastungsreaktion mit zunehmender Suizidgefahr) begründet selbst bei Mitverursachung dieses Zustandes durch wirtschaftliche oder familiäre Sorgen für sich jedenfalls weder wirtschaftliche noch familiäre Interessen iSd § 13 Abs 1 Z 2 ZDG. (VwGH, 13.12.1994, Zl. 94/11/0370)

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er selbst mit allem vollkommen überfordert und gestresst und daher auch in psychiatrischer Behandlung sei, führt somit vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ins Leere.

3.2.4. Da der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes von der belangten Behörde im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde, war der Beschwerde keine Folge zu leisten.

3.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben dargestellte umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zeigt zudem, dass die für den gegenständlichen Fall maßgebliche Rechtsfrage, nämlich die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, von dieser einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Befreiungsantrag, besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen,
besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen,
Einzelunternehmer, Harmonisierungspflicht, ordentlicher Zivildienst,
unternehmerische Tätigkeit, Zivildienstpflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W122.2205580.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten