TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/19 W169 2205224-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.2018
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Entscheidungsdatum

19.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §16
BFA-VG §17
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W169 2205224-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2018, Zl. 1184575910-180697405, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.03.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.03.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er spreche die Sprachen Punjabi und Hindi, sei ledig und kinderlos. Im Herkunftsstaat, wo der Beschwerdeführer acht Jahre die Grundschule besucht und als Landwirt gearbeitet habe, würde sich noch sein Bruder befinden. Seine Eltern seien bereits verstorben. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass es seit Februar 2018 einen Streit wegen eines Ackerlandes zwischen seiner Familie und einer Familie aus dem Nachbarort gebe. Es habe mehrere Auseinandersetzungen gegeben, wobei im Februar 2018 auf den Beschwerdeführer und seinen Bruder geschossen worden sei. Es sei ihnen aber nichts geschehen. Dann sei der Beschwerdeführer geflüchtet und habe in einer anderen Stadt gelebt, wo er aber weiterhin von der anderen Familie verfolgt und mit dem Tod bedroht worden sei.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.03.2018 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer acht Jahre die Grundschule besucht und in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet, welche er nach seiner Ausreise verpachtet habe. Dort habe er in seinem eigenen Haus gelebt, welches sich auch weiterhin im Besitz des Beschwerdeführers befinde. Auch würde noch sein Bruder in Indien leben. Der Beschwerdeführer sei ledig, kinderlos und gesund.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

LA: Schildern Sie bitte all Ihre Fluchtgründe?

VP: Beim arbeiten auf dem Feld haben wir mit unserem Traktor die Grenze zum Nachbargrundstück beschädigt. Deshalb hat der Nachbar angefangen, mich und meinen Bruder zu beschimpfen. Er hat uns auch gestoßen. Mein Bruder hat ihm eine Ohrfeige gegeben. Der Nachbar ging nach Hause und kam mit seinen Brüdern und anderen Burschen und einer Pistole zurück. Als sie uns in Entfernung gesehen haben, fingen sie an zu schießen. Ich und mein Bruder konnten auf unserem Motorrad entkommen. Ich und mein Bruder sind nicht nach Hause zurück. Der Nachbar und seine Männer haben uns in unserem Haus gesucht. Wir haben in einem Tempel übernachtet. Am nächsten Tag hat mich mein Bruder nach Amritsar geschickt. Von dort aus hatte ich noch einmal telefonischen Kontakt zum Bruder. Danach war seine Telefonnummer nicht mehr aktiv. Ich habe einen Freund im Dorf angerufen und der hat mir gesagt, dass der Nachbar und die Männer täglich zu unserem Haus kommen. Ich habe dann mit dem Getreidegroßhändler telefoniert. Dieser hat mir gesagt, dass eine Anzeige sinnlos wäre, weil der Nachbar gute politische Kontakte hat. Er hat mir geraten, das Land zu verlassen. Er hat mir auch einen Schlepper vermittelt.

LA: Wo liegt das Grundstück und welche Größe hat es?

VP: Es liegt im Dorf XXXX und hat eine Größe 10 Kila, 5 Kila gehören mir und 5 Kila gehören meinem Bruder.

LA: Wann war der Vorfall konkret?

VP: Es war Anfang Februar 2018, genauer weiß ich es nicht.

LA: Was haben Sie auf dem Feld gearbeitet und wie ist der Schaden zu Stande gekommen?

VP: Mein Bruder hat mit dem Traktor in der Nacht auf dem Feld gearbeitet. Dabei ist der Schaden verursacht worden.

LA: Wann wurde der Schaden bemerkt?

VP: Der Schaden wurde in der Früh vom Nachbar bemerkt. Sie haben dann angefangen, uns zu beschimpfen.

LA: Wo ist das passiert?

VP: Das ist alles auf dem Feld passiert.

LA: Wie heißt Ihr Nachbar?

VP: Er heißt XXXX .

LA: Wie groß war der entstandene Schaden?

VP. Der entstandene Schaden war nicht sehr groß.

LA: Können Sie den Vorfall schildern, wie es zu der Schießerei gekommen ist?

VP: Mein Bruder und ich waren am Feld, als der Nachbar und seine Männer aus weiter Entfernung auf uns zu schießen begannen. Mein Bruder und ich flüchteten auf dem Motorrad.

LA: Konnten Sie das aus weiter Entfernung so genau sehen?

VP: Ich habe ihn erkannt. Er war auch nicht so weit weg und hatte eine Pistole.

LA: Wurde jemand verletzt?

VP; Nein

LA: Haben Ihr Bruder oder Sie Anzeige gegen den Nachbarn erstattet?

VP; Nein, der Getreidegroßhändler hätte gemeint, es hat keinen Sinn.

LA: Wo lebt Ihr Bruder derzeit?

VP: Ich weiß es nicht. Ich habe keinen Kontakt zu ihm.

LA: Sie hätten Sie ja in einem anderen Teil von Indien niederlassen können?

VP: Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Ich hätte auch keine Arbeit gefunden.

LA: Was haben Sie auf dem Grundstück angebaut?

VP: Weizen und Kartoffeln.

LA: Wie lange waren Sie in Amritswar aufhältig?

VP: 4 Tage war ich dort in einem Tempel, dann habe ich mir ein Zimmer genommen und war noch 10 Tage dort. Dann hat mir der Schlepper ein Ticket besorgt und ich bin ausgereist.

LA: Woher konnte die Familie wissen, dass Sie nach Amritswar gereist und dort aufhältig waren?

VP: Das war nicht so. In Amritswar wurde ich nicht bedroht.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche enge familiäre oder private Anbindungen?

VP: Nein

LA: Was würde eintreten, wenn Sie heute in Ihren Herkunftsstaat zurückreisen?

VP: Ich habe Angst um mein Leben, der Nachbar würde mich umbringen.

LA: Warum sollte Sie der Nachbar umbringen?

VP: Wegen dem Streit nachher. Mein Bruder hat ihn ja geohrfeigt.

LA: Hat der Nachbar Ihren Bruder angezeigt bzw kam es zu einer Gerichtsverhandlung?

VP: Nein.

(...)"

Der Beschwerdeführer gab weiters zu Protokoll, dass er niemals Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Freunde oder sonstigen sozialen Kontakte zu Österreichern habe und die meiste Zeit zuhause sei. Er wohne gemeinsam mit einem Inder in einer Privatwohnung, welcher für den Unterhalt des Beschwerdeführers sorge. Der Beschwerdeführer besuche keine Kurse, Schule, Vereine oder Universitäten und spreche auch kein Deutsch.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, in die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien Einsicht zu nehmen. Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Einsichtnahme und Übersetzung.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2018, Zl. 1184575910-180264843, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 16.03.2018 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers erachtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für nicht glaubwürdig, zumal sich sein Bruder, welcher die Probleme mit den Nachbarn verursacht habe, auch weiterhin in Indien aufhalten könne. Im Hinblick auf das fehlende Meldewesen in Indien bestünde für den Beschwerdeführer auch bei Wahrunterstellung der Verfolgungsbehauptungen die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative. Da dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, er dort auch Anknüpfungspunkte habe und überdies gesund sei, gehe die Behörde davon aus, dass ihm auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Er sei ein arbeitsfähiger junger Mann, der auch bisher sein Auskommen in Indien gefunden habe und sei im Falle einer Rückkehr die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit möglich und zumutbar. In Anbetracht der sehr kurzen Aufenthaltsdauer, der mangelnden Deutschkenntnisse und der mangelnden Anknüpfungspunkte in Österreich überwiege das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgründe vorgebracht habe.

3. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs dieser in Rechtskraft.

4. Am 24.07.2018 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er die Sprache Punjabi in Wort und Schrift beherrsche sowie Hindi und Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Zu den Gründen für die Stellung eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer an, dass seine alten Gründe aufrecht bleiben würden und er auch neue Gründe habe. So habe ihm ein Bekannter aus Indien, den er in Wien getroffen habe, erzählt, dass die Feinde des Beschwerdeführers ihn in Indien als Terroristen angezeigt hätten und die Polizei nun nach ihm suche. Da die Wahlen zu Khalistan im Jahr 2020 stattfinden würden, würden alle Befürworter verhaftet werden, was auch die Befürchtung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr sei. Auch habe er erfahren, dass sein Bruder von der Polizei erschossen worden sei.

5. Am 30.07.2018 wurde dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Vorgehensweise des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sachen zurückzuweisen, zur Kenntnis gebracht und ihm gleichzeitig die Länderfeststellungen zur Lage in Indien mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme übergeben.

6. Am 13.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre, sowie ledig, kinderlos und gesund sei. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer acht Jahre die Grundschule besucht und als Landwirt gearbeitet. Er besitze nach wie vor das Haus und die familieneigene Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer habe durch einen Bekannten aus Indien, den er in Wien im Tempel getroffen habe, erfahren, dass sein Bruder vor kurzem bei einem Terroranschlag ums Leben gekommen sei und er somit niemanden mehr im Herkunftsstaat habe. Nachgefragt führte der Beschwerdeführer an, dass er der genannten Person seine Fluchtgeschichte erzählt habe und diese noch am selben Tag ihre Familie in Indien angerufen und die Information erhalten habe.

Auf die Frage, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, führte der Beschwerdeführer Folgendes aus (A:

nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

L: Sie haben bereits am 16.03.2018, unter der Zahl 1184575910-180264843, einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?

A: Da mein Leben nach wie vor in Indien in Gefahr ist. Die Gegner sind politisch sehr einflussreich. Es wird mir vorgeworfen dass ich ein Mitglied der terroristischen Gruppierung bin. Gegen mich ist eine Anzeige erstattet wurde. Jetzt habe ich auch Angst vor der Polizei.

L: Wen meinen Sie mit Gegner?

A: Leute aus unserem Nachbardorf.

L: Sie haben angegeben dass Sie Streit mit Ihrem direkten Nachbarn hatten, da die Grundstücksgrenze beschädigt wurde. Jetzt geben Sie Leute aus dem Nachbardorf an.

A: Ich habe damals auch angegeben dass es Leute aus einem anderen Dorf sind. Die Grundstücke grenzen aneinander an, das stimmt. Deshalb gab es Streit.

L: Warum sind Sie nicht in Indien geblieben?

A: Dort hätten Sie mich finden können.

L: In Indien gibt es kein Meldegesetz. Die naheliegendste Möglichkeit wäre in eine andere Provinz zu ziehen. Wie sollte Ihr Nachbar Sie in einem Land mit ca. 1,3 Milliarden Menschen finden?

A: Wenn das Verfahren bei der Polizei ist, ist es kein Problem für die Behörden mich ausfindig zu machen. Auch Menschen aus dem Ausland werde zurückgeholt und verfolgt. Mein Bruder war auch auf der Flucht in Indien. Auch er wurde gefunden. Ihm wurde auch vorgefunden dass er in Terrorgruppierungen tätig war.

L: Woher wissen Sie plötzlich dass er in Indien auf der Flucht war.

A: Der Freund den ich im Tempel traf hat mir erzählt dass er erschossen wurde.

L: Aber woher weiß er dass er auf der Flucht war.

L: Woher weiß er das so genau?

A: Seine Familie hat das erzählt. Sie haben das von Mitbewohnern des Viertels.

L: Es ist nicht nachvollziehbar dass die Familie das wissen kann, denn Sie geben an, gemeinsam von Ihrem Haus geflüchtet zu sein. Hatte Ihr Bruder zu jemanden Kontakt?

A: Nachdem mein Bruder von der Polizei erschossen wurde, wusste jeder über den Vorfall Bescheid.

L: Das erklärt noch immer nicht woher Ihr Nachbar das weiß.

A: Mein Bruder wurde in einer anderen Provinz erschossen. Er wurde dann in unser Dorf geschickt.

L: Warum glauben Sie dann dass Sie in Ö sicher sind.

A: Da ich das Land verlassen habe um mein Leben zu schützen. Ich fühle mich in Ö sicher. Die Behörden in Indien haben mich in Indien überall finden können.

L: Wann haben Sie diesen Bekannten das letzte Mal gesehen?

A: Ich war am 29.Juli bei der Polizei meinen Antrag gestellt. Und 2 Wochen zuvor habe ich ihn im Tempel getroffen. Das war das erste und letzte Mal.

L: Gibt es Aufzeichnungen oder Beweismittel?

A: Nein.

L: Gibt es Beweismittel darüber dass Sie angezeigt wurden?

A: Nein.

L: Wann wurden Sie angezeigt?

A: Mein Bruder wurde im Juli erschossen und die Anzeige musste auch in dieser Zeit hätte. Wenn ich jemanden in Indien hätte, könnte dieser die Anzeige beschaffen, aber ich habe dort niemanden.

L: Wieso kann das nicht die Familie Ihres Nachbarn machen.

A: Die werden sich nicht wegen mir in Schwierigkeiten bringen.

L: Dass Ihr Bekannter es ..erfahren habe.. klingt sehr vage und wenig glaubhaft, dass Ihre Erzählungen so tatsächlich passiert sind. Wollen Sie dazu etwas angeben?

A: Ich habe Ihnen die Wahrheit erzählt. Das habe ich alles über diesen Nachbarn erfahren. Ich weiß nicht wie ich das beweisen soll. In Indien wird den Sikh vorgeworfen dass wir Khalistan als ein eigenständiges Land haben wollen. Deswegen werden wir immer wieder unterdrückt.

L: Was hat das mit Ihrem Fluchtgrund zu tun?

A: Das meinte ich allgemein.

L: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Ich habe Angst um mein Leben. Die Polizei hat meinem Bruder vorgeworfen dass er Mitglied in der Terrororganisation war und sie wollen. Das selbe werden Sie auch mit mir machen.

(...)".

Zu den Lebensumständen im Bundesgebiet gab der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten bzw. sonstigen Anknüpfungspunkte oder Personen habe. Er sei nicht berufstätig und wohne bei einem Bekannten, der für seinen Lebensunterhalt aufkomme und führe der Beschwerdeführer im Gegenzug den Haushalt. Der Beschwerdeführer sei nicht in Vereinen oder Organisationen tätig und spreche kein Deutsch.

Der Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme auf die bereits erfolgte Ausfolgung der Länderfeststellungen zu Indien und die Gewährung einer Frist für die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme hingewiesen und gefragt, ob er nun etwas dazu angeben wolle. Dazu führte er an, dass die Sikhs in Indien eine Minderheit seien, von der Regierung schlecht behandelt werden würden und die Hindus die Macht im Land hätten.

Weiters wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entscheidender zurückzuweisen, da sich kein neuer wesentlich geänderter Sachverhalt ergebe. Überdies könne in den dargestellten Fluchtgründen keine Asylrelevanz erkannt werden. Dazu gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass seine Gegner sehr einflussreich seien und Beziehungen auf politischer Ebene hätten. Wäre der Beschwerdeführer zur Polizei gegangen, hätte man ihn nicht ernstgenommen, weil die Polizei auf die Gegner höre.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde von der Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG abgesehen.

Begründend wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. ausgeführt, dass seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Ein neuer Sachverhalt, welcher im gegenständlichen Fall eine anderslautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde, liege somit nicht vor. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, sei der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Weiters wurde festgehalten, dass eine der Rückkehr entgegenstehende Integration des Beschwerdeführers ebenso wenig erkannt werden könne, wie eine der Rückkehr entgegenstehende Situation nach Indien.

Zum Herkunftsstaat stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Folgendes fest:

"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

(...)

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

(...)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html#doc346922bodyText3, Zugriff 5.12.2016

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BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.11.2015):

Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 3.1.2017

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BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (20.11.2015):

Innstaatliche Konflikte - Kaschmir, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54616/kaschmir, Zugriff 3.1.2007

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FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 - Indian Kashmir, http://www.ecoi.net/local_link/310322/448267_de.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Fatalities in Terrorist Violence 1988 - 2016, http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/states/jandk/data_sheets/annual_casualties.htm, Zugriff 9.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

(...)

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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