TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/20 98/21/0137

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Veröffentlicht am 20.09.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
VStG §22 Abs1;
VStG §24;
VStG §25 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der M, (geboren am 21. März 1973), in Wien, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. Jänner 1998, Zl. UVS-03/P/43/02531/97, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 14. Jänner 1998 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin, einer kroatischen Staatsangehörigen, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. Juni 1997 wegen Übertretung des § 15 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass als Tatzeitraum "12.12.1996 bis 6.3.1997" angeführt wurde. Ferner wurde die Beschwerdeführerin zu einem Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahren in der Höhe von

S 200,-- verpflichtet.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Straferkenntnis zur Last gelegt worden sei, sich als Fremde (§ 1 Abs. 1 FrG) vom 12. Dezember 1996 bis dato in Wien, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz oder einer Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes zu sein, daher nicht rechtmäßig, aufgehalten zu haben, und dass über sie deswegen gemäß § 82 Abs. 1 FrG eine Geldstrafe von S 1.000,--, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, verhängt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe der Ladung zur Verhandlung (über die Berufung) trotz des Hinweises auf § 51f Abs. 2 VStG unentschuldigt keine Folge geleistet, sodass sie die Möglichkeit zur mündlichen Erörterung ungenützt gelassen habe. Wie aus dem Akt der Magistratsabteilung 62 hervorgehe, habe sie erstmals am 13. Oktober 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt, der mit Bescheid vom 10. April 1994 mangels Antragstellung vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz abgewiesen worden sei. Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1994 abgewiesen worden. Da § 15 Abs. 1 FrG im Zusammenhang mit einer Aufenthaltsbewilligung nicht auf die Antragstellung, sondern auf die erteilte Bewilligung abstelle, sei ein Aufenthalt im Bundesgebiet ohne entsprechende Bewilligung rechtswidrig. Die Strafe sei daher dem Grunde nach zu bestätigen gewesen, wobei die Abänderung im Spruch der Präzisierung des Tatzeitraumes gedient habe.

Was die Strafbemessung anlange, so habe die Tat in nicht unerheblichem Maß das öffentliche Interesse an der Verhinderung unrechtmäßiger Aufenthalte von Fremden in Österreich geschädigt, weshalb der Unrechtsgehalt dieser Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering gewesen sei. Dass die Einhaltung des Fremdengesetzes eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Verwirklichung des Tatbestands aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, sei nicht hervorgekommen und aufgrund der Tatumstände nicht anzunehmen, weshalb das Verschulden der Beschwerdeführerin nicht als geringfügig angesehen werden könne. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe erscheine die Strafe selbst unter Annahme lediglich unterdurchschnittlicher Einkommensverhältnisse, Vermögenslosigkeit und etwaiger gesetzlicher Sorgepflichten der Beschwerdeführerin durchaus angemessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Unter dem Blickwinkel der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vertritt die Beschwerde die Ansicht, dem angefochtenen Bescheid seien keine mit den Angaben der Beschwerdeführerin in Einklang bringbaren Ermittlungsergebnisse für die Feststellung zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin sich bis 6. März 1997 nicht rechtmäßig bzw. überhaupt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Hätte die belangte Behörde den Sachverhalt mit ihr in jeder Richtung verhandelt und erörtert, dann hätte sie keine Entscheidungsgrundlage für diese Feststellung gefunden. Der Sachverhalt sei in einem wesentlichen Punkt von der belangten Behörde aktenwidrig angenommen worden und bedürfe auf jeden Fall einer Ergänzung.

1.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung ("... während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet vom 12.12.1996 bis 6.3.1997 ...") wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass sich diese eindeutig aus der Aktenlage - womit erkennbar auf die in den Verwaltungsakten erliegende Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. März 1997 Bezug genommen wird - ergebe und auch in der Berufung nicht "dementiert" werde. Diesen Ausführungen hat die Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Argumente entgegengesetzt.

Der Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat (§ 24 VStG iVm § 39 Abs. 2 AVG, § 25 Abs. 1 VStG), befreit die Partei nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen, wobei diese Mitwirkungspflicht auch den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren trifft. Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, und erfordert es, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten. So löst etwa das bloße globale Bestreiten des Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, in einem durch eine Meldung eines Sicherheitswachebeamten eingeleiteten Verfahren keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen durchführt. (Vgl. zum Ganzen etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, zu § 25 Abs. 1 VStG E 8a bis c zitierte hg. Rechtsprechung.)

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren zu der im erstinstanzlichen Bescheid vom 4. Juni 1997 getroffenen Feststellung, dass sie innerhalb des Zeitraums vom 12. Dezember 1996 "bis dato", somit - wie im Folgenden noch dargelegt werden wird - bis 4. Juni 1997, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet genommen habe, lediglich vorgebracht, dass für diese Feststellung "jede Entscheidungsgrundlage fehlt", ohne jedoch Behauptungen dahingehend aufzustellen, dass sie sich in diesem Zeitraum nicht in Österreich aufgehalten habe und gegebenenfalls wo sie aufhältig gewesen sei. Mangels derartiger Behauptungen der Beschwerdeführerin bestand für die belangte Behörde somit keine Grundlage, "mit den Angaben der Beschwerdeführerin in Einklang bringbare Ermittlungen" (vgl. das Beschwerdevorbringen) durchzuführen.

Abgesehen davon liegt ein (wesentlicher) Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides bzw. Verfahrensmangel iS des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG auch deshalb nicht vor, weil es die Beschwerde unterlässt, durch konkretes tatsächliches Vorbringen anzuführen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte gelangen können (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 60 AVG E 161 zitierte hg. Rechtsprechung). Aus denselben Erwägungen geht auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, dass die belangte Behörde mit der Beschwerdeführerin den Sachverhalt nicht in ausreichender Weise verhandelt und erörtert habe, ins Leere, zumal die Beschwerdeführerin sowohl in der Berufung als auch in der von der belangten Behörde anberaumten Verhandlung, zu der die Beschwerdeführerin (und nach Ausweis der Verwaltungsakten auch ihr Rechtsvertreter) trotz vorangegangener Ladung unentschuldigt nicht erschienen sind, ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, die dem erstinstanzlichen Straferkenntnis zugrunde gelegten Feststellungen hinsichtlich ihres Aufenthaltes zu bestreiten und diesen ein konkretes Vorbringen zu ihrem Aufenthalt während des inkriminierten Tatzeitraumes entgegenzusetzen.

1.3. Nach dem Gesagten ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, die im angefochtenen Bescheid getroffene maßgebliche Sachverhaltsfeststellung, dass sich die Beschwerdeführerin vom 12. Dezember 1996 bis 6. März 1997 im Bundesgebiet aufgehalten habe, zu erschüttern. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht habe, begegnet auf dem Boden der Feststellungen der belangten Behörde und des Beschwerdevorbringens keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde macht weiters geltend, dass der Tatvorwurf auf Grund eingetretener Verjährung nicht zu Recht bestehe, weil erstmals die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen, ihr am 26. Jänner 1998 zugestellten Bescheid den Tatzeitraum "12.12.1996 - 06.03.1997" vorgeworfen habe und dieser Vorwurf nicht innerhalb der für eine rechtswirksame Verfolgung bestehenden Frist erhoben worden sei.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

§ 31 VStG lautet:

"(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitraum zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(3) Sind seit dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden.

..."

Bei der der Beschwerdeführerin angelasteten Übertretung handelt es sich um ein Dauerdelikt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 2. Oktober 1996, Zl. 95/21/0362) , bei dem nicht nur die Herbeiführung, sondern auch die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes pönalisiert ist und bei dem die Verjährungsfrist iS des § 31 Abs. 2 VStG erst von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, in dem der rechtswidrige Zustand aufgehört hat (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, § 31 VStG E 34). Wie die Beschwerde selbst vorbringt und sich aus den Verwaltungsakten ergibt, wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 4. Juni 1997, in dem der Beschwerdeführerin erstmals ihr unrechtmäßiger Aufenthalt ab dem 12. Dezember 1996, und zwar "vom 12.12.1996 bis dato" angelastet wurde, dieser am 9. Juni 1997 zugestellt. Die mit diesem Straferkenntnis gesetzte Verfolgungshandlung iS des § 32 Abs. 2 VStG wurde gegen die Beschwerdeführerin somit innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG gerichtet und schloss den Eintritt der Verfolgungsverjährung aus. Hiebei entsprach die spruchmäßige Formulierung der Tatbegehung "... bis dato" ohne ausdrückliche Anführung des entsprechenden Kalendertages dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG, weil aus dieser Formulierung klar zu erkennen ist, dass die Tatzeit mit dem Tag der Schöpfung des Straferkenntnisses (der Unterfertigung durch den Genehmigenden), somit am 4. Juni 1997, endete (vgl. Hauer/Leukauf, aaO, § 44a Z. 1 VStG E 19).

Demzufolge kann - entgegen der Beschwerde - keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführerin die Tatzeit "12.12.1996 - 06.03.1997" erstmals von der belangten Behörde vorgeworfen worden sei, und ist der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde hätte aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung das Strafverfahren einstellen müssen, nicht berechtigt.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 1999

Schlagworte

Unterschrift des Genehmigenden"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit DauerdeliktVerhältnis zu anderen Materien Normen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998210137.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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