TE Vwgh Erkenntnis 2018/11/22 Ra 2018/15/0041

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Veröffentlicht am 22.11.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §19 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/15/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführer Karlovits, LL.M., über die Revision 1. des M D, und 2. der

U s.r.o., beide in B, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 29. Dezember 2017,

1) Zl. VGW-002/079/1460/2017-1 und 2) Zl. VGW-002/V/079/1461/2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Soweit das angefochtene Erkenntnis den Schuldspruch betrifft, wird die Revision zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Soweit das angefochtene Erkenntnis den Strafausspruch betrifft, wird der Revision Folge gegeben und der Spruchpunkt I. dahingehend abgeändert, dass die Strafsanktionsnorm nicht § 52 Abs. 1 Z 1, sondern § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 13/2014 ist.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 2. November 2016 wurde der Erstrevisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zweitrevisionswerbenden Partei wegen zwei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall GSpG schuldig erkannt. Über ihn wurden zwei Geldstrafen von jeweils 10.000 EUR (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens von jeweils 1.000 EUR auferlegt. Die zweitrevisionswerbende Partei haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerden der nunmehr revisionswerbenden Parteien mit der Maßgabe ab, dass es die "Tatanlastung" neu formulierte und den Tatzeitraum um ca. 50 Minuten einschränkte (Spruchpunkt I.). Es erlegte dem Erstrevisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 26.7.2018, Ra 2017/17/0804).

8 Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit vor, die nationalen Glücksspielbestimmungen seien mit Unionsrecht nicht vereinbar. Das Glücksspielmonopol entspreche nicht dem Kohärenzgebot. Auch fehle Rechtsprechung zur Frage, "ob bzw. in welchen Fällen der Verwaltungsgerichtshof gemäß der Bestimmung des Art. 267 AEUV (...) dazu verpflichtet ist, einen Vorlagenantrag an den EuGH in Bezug auf die Zulässigkeit des Monopolsystems des GSpG zu stellen".

9 Dem ist zu entgegnen, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Desgleichen sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn 28, 62 ff, sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

10 Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, stehen die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55 sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

11 Die Revision war somit, soweit das angefochtene Erkenntnis den Schuldspruch betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Weiters rügen die Revisionswerber im Rahmen ihres Zulässigkeitsvorbringens, dass das angefochtene Erkenntnis im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 3 VStG stehe, wonach im Spruch u.a. auch die richtige Strafnorm anzuführen ist (Hinweis auf VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021).

13 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. z.B. VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021 bis 0023, und VwGH 15.10.2013, 2010/02/0161). Im vorliegenden Fall einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ist die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG.

14 Das Verwaltungsgericht hat insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen (vgl. zu § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und § 52 Abs. 2 GSpG nochmals VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021 bis 0023).

15 Da das Verwaltungsgericht die Strafsanktionsnorm trotz des fehlerhaften Abspruchs im Straferkenntnis nicht korrigiert hat, ist die Revision insoweit zulässig und berechtigt.

16 Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Ein solcher Fall liegt gegenständlich vor.

17 Im Rahmen der Sachentscheidung über die Strafe übernimmt der Verwaltungsgerichtshof die Erwägungen des angefochtenen Erkenntnisses zur Strafzumessung. Der Zeitraum zwischen Tatbegehung und der Entscheidung über die Bestrafung ist bei der Strafbemessung insofern zu berücksichtigen, als zu den Milderungsgründen eine überlange Verfahrensdauer zählt (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2, § 19 VStG Rz. 15). Im angefochtenen Erkenntnis wird dazu ausgeführt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts sei der Umstand der überlangen Verfahrensdauer nicht vorgelegen. Auch wenn sich durch das vorliegende Revisionsverfahren seit der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts der maßgebliche Zeitraum um rund 1 Jahr verlängert hat, ergibt sich daraus nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs im Revisionsfall noch keine zu berücksichtigende überlange Verfahrensdauer; somit spricht auch derzeit die Gesamtbeurteilung für die Angemessenheit der vom Verwaltungsgericht bestätigten Strafhöhe.

18 Das angefochtene Erkenntnis wird in Bezug auf den Ausspruch über die Strafe daher lediglich dahin geändert, dass eine Richtigstellung der angewendeten Strafsanktionsnorm erfolgt.

19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018150041.L00

Im RIS seit

26.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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