TE Vwgh Beschluss 2018/11/30 Ra 2018/08/0235

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Veröffentlicht am 30.11.2018
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §8 Abs2;
ASVG §351b;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/08/0236

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen der

I F in Wien, vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OG in 1220 Wien, Wagramerstraße 135/11, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2018,

1. Zl. W260 2194205-1/5E (Ra 2018/08/0235), 2. Zl. W260 2165453- 1/19E (Ra 2018/08/0236), betreffend Einstellung und Versagung der Notstandshilfe bzw. der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 34 Abs. 1 AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem zu Ra 2018/08/0236 angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Kranken- und Pensionsversicherung der arbeitslosen Revisionswerberin nach § 34 Abs. 1 AlVG ab dem 24. Mai 2017 eingestellt, weil sie einer vom Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) gemäß § 8 Abs. 2 AlVG angeordneten ärztlichen Untersuchung betreffend ihre Arbeitsfähigkeit am 24. Mai 2017 keine Folge geleistet habe.

5 Mit dem zu Ra 2018/08/0235 angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den weiteren Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung der Notstandshilfe ab dem 22. November 2017 abgewiesen, weil sie einer weiteren vom AMS gemäß § 8 Abs. 2 AlVG angeordneten ärztlichen Untersuchung betreffend ihre Arbeitsfähigkeit am 15. Dezember 2017 keine Folge geleistet habe.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig seien.

7 Die Revisionswerberin erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Verwaltungsgericht in beiden Erkenntnissen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Eine Sanktion iSd § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG dürfe nur verhängt werden, wenn gegenüber dem Arbeitslosen Zweifel an seiner Arbeitsfähigkeit ausreichend konkretisiert worden seien und er über die rechtlichen Konsequenzen des Fernbleibens von einem Untersuchungstermin belehrt worden sei.

8 Eine vom AMS vorgenommene Anordnung einer medizinischen Untersuchung iSd § 8 Abs. 2 vierter Satz AlVG unter der Sanktionsdrohung des fünften Satzes leg. cit. ist gegen den Willen der Partei nur insoweit rechtmäßig bzw. der Arbeitslose nur insoweit verpflichtet, sich einer Untersuchung zu unterziehen, als auf Grund von bestimmten Tatsachen der objektiv begründete Verdacht besteht, dass Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) vorliegt oder dies die Partei selbst behauptet oder als möglich darstellt. Die Zuweisung an die "Gesundheitsstraße" der Pensionsversicherungsanstalt zur medizinischen Begutachtung iSd § 351b ASVG ist der Zuweisung an einen Arzt für Allgemeinmedizin gleichzuhalten. Es ist nicht notwendig, die Zuweisung mit Bescheid zu verfügen. Die Partei ist aber über die Gründe für eine Zuweisung zu einer Untersuchung zu unterrichten, dazu zu hören und über die Sanktion für den Fall der Verweigerung der Untersuchung zu belehren (VwGH 7.9.2017, Ro 2017/08/0007, mwN; 11.12.2013, 2013/08/0228).

9 Nach den unbestrittenen Feststellungen hat sich die Revisionswerberin ab dem 6. Dezember 2016 (mit stationärem Aufenthalt bis 15. Dezember) zumindest bis zum 23. Mai 2017 im Krankenstand befunden. Aus der der belangten Behörde am 7. Jänner 2017 übermittelten Aufenthaltsbestätigung der Universitätsklinik St. Pölten vom 9. Dezember 2016 ergibt sich die Diagnose "akuter subendokardialer Myokardinfarkt".

10 Dem Verwaltungsgericht kann nicht entgegengetreten werden, wenn es angenommen hat, dass diese Umstände den Verdacht begründen, dass Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) vorliegt.

11 Die Revisionswerberin nahm den Feststellungen zu Folge die von der belangten Behörde für den 8. und 24. Mai, 20. Juni und 15. Dezember 2017 unter Bezugnahme auf den langandauernden Krankenstand vorgeschriebenen Untersuchungstermine nicht wahr, obwohl ihr im Hinblick auf diesen Krankenstand und die genannte Diagnose klar sein musste, woher die Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit rühren und obwohl sie im Rahmen ihrer Korrespondenz mit dem AMS - wie zB ihre Schreiben vom 11. April und 17. Mai 2017 zeigen - Gelegenheit hatte, die genannten Zweifel auszuräumen. Sie ist auch über die rechtlichen Konsequenzen des Fernbleibens von einem Untersuchungstermin belehrt worden und hat dazu in ihrem Schreiben vom 17. Mai 2017 Stellung genommen. Dessen ungeachtet hat sie nach den (im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen) Feststellungen die Wahrnehmung der Untersuchungstermine unter Verweis auf ihren Krankenstand abgelehnt, obwohl sie insbesondere in der Lage gewesen ist, ihr Haus zu verlassen und Behördenwege zu erledigen.

12 Auf dem Boden der getroffenen Feststellungen ist das Verwaltungsgericht mit der rechtlichen Beurteilung, wonach die Revisionswerberin mit ihrer Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit zu unterziehen, den Tatbestand des § 8 Abs. 2 letzter Satz AlVG erfüllt hat, nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

13 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080235.L00

Im RIS seit

20.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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