TE Vwgh Beschluss 2018/12/3 Ra 2018/11/0115

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Veröffentlicht am 03.12.2018
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Index

E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

62013CJ0586 Martin Meat VORAB;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §17 Abs3;
AÜG §17 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §45 Abs1 Z2;
VStG §9 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamts Innsbruck gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. April 2018, Zlen. LVwG-2017/28/1370-13, LVwG-2017/28/1371-13, betreffend Übertretungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes - AÜG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Imst; mitbeteiligte Partei: M S in L, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Dr. Pfeiffenberger-Straße 14), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 2. Mai 2017 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Organ der M GmbH zu verantworten, dass die M GmbH in ihrer Eigenschaft als (inländische) Beschäftigerin von näher genannten ungarischen Arbeitskräften es unterlassen habe, für diese die erforderlichen Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument A1 nach der VO (EG) Nr. 883/04) am Arbeitsort in geeigneter Form zur Überprüfung bereitzuhalten. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 17 Abs. 7 AÜG zuwidergehandelt. Deshalb wurde über ihn eine Geld- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt (ein weiteres Straferkenntnis gleichen Datums betrifft die Anlastung einer Übertretung nach § 17 Abs. 7 AÜG durch Nichtbereithaltung der nach § 17 Abs. 2 und 3 AÜG erforderlichen Meldungen).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der dagegen gerichteten Beschwerde des Mitbeteiligten statt, behob die Straferkenntnisse und stellte die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Die Erhebung einer ordentlichen Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich, soweit es die Übertretung wegen Nichtbereithaltung der Sozialversicherungsdokumente betrifft, die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten vorgelegte - außerordentliche - Amtsrevision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit (auf das Wesentliche zusammengefasst) vor, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, weil die Bejahung des Vorliegens eines Werkvertrags zwischen der M GmbH und der L Kft auf unvollständigen Sachverhaltsfeststellungen beruhe und insofern den Anforderungen des Erkenntnisses vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, nicht genüge. Das Verwaltungsgericht habe damit das Vorliegen grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung verneint, ohne sich dabei mit sämtlichen dafür relevanten Kriterien (solche werden in der Revision im Einzelnen dargelegt) auseinanderzusetzen. Insoweit weiche das Erkenntnis auch von der die Anforderungen an die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung normierenden Judikatur (Verweis auf VwGH 20.10.2015, Ra 2014/09/0028) ab.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis Ra 2017/11/0068 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (u.a. Urteil vom 18.6.2015, C-586/13, "Martin Meat") dargelegt, welche Kriterien unter Berücksichtigung des Unionsrechts für die Beurteilung der auch gegenständlich entscheidungsrelevanten Frage, ob ein Vertragsverhältnis als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder als Werkvertrag zu beurteilen ist, maßgebend sind.

10 An diese Entscheidung anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof jene Revisionsfälle, in denen bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung die nach dieser Judikatur maßgebenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbeurteilung herangezogen wurden bzw. in denen das Verwaltungsgericht einzelnen dieser Kriterien ein höheres, anderen aber ein geringeres Gewicht beigemessen hat, wegen ihrer einzelfallbezogenen Bedeutung als nicht revisibel angesehen (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/11/0024 bis 0029 und Ra 2017/11/0016, VwGH 3.1.2018, Ra 2017/11/0207, VwGH 8.2.2018, Ra 2017/11/0206, VwGH 23.4.2018, Ra 2017/11/0221, 0222, 16.5.2018, Ra 2018/11/0088, 20.7.2018, Ra 2018/11/0053, 20.9.2018, Ra 2018/11/0112, 25.9.2018, Ra 2018/11/0174).

11 Im in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht - auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse zweier mündlicher Verhandlungen - das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung verneint, weil die Arbeitsleistungen im Rahmen eines zwischen der M GmbH und der L Kft bestehenden Werkvertrags erbracht worden seien. Diese Beurteilung erfolgte im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, der insbesondere zu Grunde gelegt wurde, dass zwischen den Vertragspartnern ein gewährleistungstauglicher Erfolg vereinbart worden sei, dass die Zahl der für die Herstellung des im Werkvertrag vereinbarten Werks eingesetzten Arbeitskräfte durch die L Kft bestimmt worden sei und dass diese auch die individuellen Weisungen an die ungarischen Arbeitskräfte erteilt habe.

12 Das Verwaltungsgericht hat damit die von VwGH Ra 2017/11/0068 gezogenen Leitlinien nicht verlassen (vgl. insoweit auch VwGH 12.11.2018, Ra 2018/11/0137 (Zurückweisung der Revision im den Verantwortlichen der L Kft betreffenden Parallelverfahren)).

13 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62013CJ0586 Martin Meat VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110115.L00

Im RIS seit

20.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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