TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/19 LVwG-2011/25/0980-46

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Veröffentlicht am 19.11.2018
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Entscheidungsdatum

19.11.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §81 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die als Beschwerden zu wertenden Berufungen von AA und BA , Adresse 1 , Z , vertreten durch RA NN, Adresse 2, Y, vom 30.03.2011, und von der CC GmbH, Adresse 3, Z, vertreten durch RA DD, Adresse 4, X, vom 30.03.2011, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 17.03.2011, Zl ****, betreffend die gewerbebehördliche Genehmigung einer Betriebsanlagenänderung hinsichtlich der Änderungstatbestände „Abfahrten von zwei Lkw zwischen 05.00 und 06.00 Uhr aus Garage Nord“ und „Lkw-Verkehr an besonderen Sonn- und Feiertagssituationen“ nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Die Beschwerde von AA und BA wird hinsichtlich dieser beiden Änderungstatbestände als unbegründet abgewiesen.

2.       Der Beschwerde der CC GmbH wird insofern Folge gegeben, als hinsichtlich dieser beiden Änderungstatbestände die betriebsanlagenrechtliche Änderungsbewilligung antragsgemäß erteilt wird.

3.       Hinsichtlich der übrigen dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden Änderungstatbestände wird das Verfahren eingestellt.

4.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 17.03.2011, Zl ****: Gewerbebehördliche Genehmigung der beantragten Betriebsanlagenänderung und Vorschreibung zusätzlicher Auflagen.

Dagegen Berufungen an den UVS durch AA und AB und die CC GmbH.

Berufungserkenntnis des UVS vom 15.03.2013, *****:

Behebung und Änderung von Vorschreibungen hinsichtlich der Betriebsanlagenänderungsgenehmigung, Ersatz der drei zusätzlich vorgeschriebenen Auflagen durch eine Auflage.

Dagegen Beschwerden an den VwGH durch AA und BA und die CC GmbH.

Erkenntnis des VwGH vom 27.10.2014, Zln ****:

Behebung der Berufungsentscheidung hinsichtlich der Betriebsanlagenänderungsgenehmigung und Beschwerdeabweisung bezüglich zusätzlich vorgeschriebener Auflagen.

Beschluss LVwG vom 12.01.2015:

Beschwerden wird stattgegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 17.03.2011, ****, hinsichtlich Betriebsanlagenänderungsbewilligung aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft X zurückverwiesen.

Dagegen außerordentliche Revision durch AA und BA.

Erkenntnis des VwGH vom 24.06.2015, Ra ****:

Angefochtener Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Anzeige derselben Betriebsanlagenänderungen durch die CC GmbH als genehmigungsfrei bei der Bezirkshauptmannschaft X.

Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.07.2015, Zl ****:

Zur Kenntnisnahme dieser Änderungen gemäß § 81 Abs 2 Z 7 und 9 und Abs 3 GewO.

Dagegen Beschwerde von AA und BA an LVwG.

Schreiben CC GmbH vom 04.04.2017:

Einschränkung der Anzeige um die zwei Ausfahrten aus der Garage Nord zwischen 05.00 Uhr und 06.00 Uhr.

Teilerkenntnis LVwG vom 30.06.2017, Zl ***, mit dem der angefochtene Bescheid vom 16.07.2015 im Hinblick auf die getroffene Einschränkung ersatzlos behoben wird.

Dagegen außerordentliche Revision von AA und BA an den VwGH.

Dazu Beschluss des VwGH vom 08.08.2018, Ra *****, mit dem diese Revision zurückgewiesen wird.

Erkenntnis LVwG vom 28.08.2017, Zl *****:

Ersatzlose Aufhebung des Bescheides hinsichtlich der ausnahmsweisen Warenauslieferung an Sonn- und Feiertagen an sieben Tagen aufgrund Anzeigenrücknahme. Behebung des übrigen Bescheides hinsichtlich der emissionsneutralen Änderung und Zurückweisung der auf § 81 Abs 2 Z 9 GewO gestützten Änderungsanzeige wegen Änderung der Rechtslage.

Dagegen außerordentliche Revision von AA und BA.

Dazu Erkenntnis des VwGH vom 08.08.2018, Ra ****, mit dem diese Revision als unbegründet abgewiesen wird.

Die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts im Parallelverfahren Zl LVwG-**** sind rechtskräftig.

Schreiben der CC GmbH vom 04.09.2018:

Einschränkung des Genehmigungsantrages auf die beiden Änderungstatbestände „Abfahrten von zwei LKW zwischen 05.00 Uhr und 06.00 Uhr aus der Garage Nord“ und „LKW-Verkehr an besonderen Sonn- und Feiertagssituationen“.

Hinsichtlich der damit noch offenen bewilligungspflichtigen Änderungstatbestände über die Abfahrten von zwei Lkw zwischen 05.00 Uhr und 06.00 Uhr aus der Garage Nord und die ausnahmsweise Warenauslieferung an Sonn- und Feiertagen an 7 Tagen ohne laufendes Kühlaggregat (Einschalten desselben erst bei Schranken zwischen den Bereichen „E“ und „F“) hat das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren Gutachten des lärmtechnischen und des medizinischen Amtssachverständigen eingeholt.

Der lärmtechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten vom 29.06.2017 Folgendes aus:

„Sehr geehrter Herr Dr. Hohenhorst,

mit Ihrem Schreiben vom 10.4.2017 (Gzl. LVWG - ****) wurde der von der CC GmbH erstattete Schriftsatz vom 10.4.2017 übermittelt. Daran anschließend ging das Ersuchen, die dort unter 2) beschriebenen Erhebung für das dort behängende Änderungsverfahren zu berücksichtigen.

Im vorzitierten Schreiben wird begehrt, dass der gewerbetechnische Sachverständige neben den Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Änderungsanzeige (ZI. LVWG****) auch mit der Frage befasst werden möge, ob 2 LKW-Ausfahrten aus der Garage Nord im Zeitraum 05:00 Uhr - 06:00 Uhr hinsichtlich der dadurch verursachten Immissionen bei der Nachbarschaft, insbesondere Fam A, nach § 81 Gewerbeordnung genehmigungsfähig wäre. Festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass bei den Ausfahrten der LKW's aus der Garage Nord diese ohne laufende Kühlaggregate betrieben würden. Die Kühlaggregate würden erst bei errichteten Schranken zwischen den Bereichen „E“ und „F“ eingeschaltet. Weiters wird in diesem Schreiben begehrt, eine immissionsfachliche Stellungnahme dahingehend abzugeben, wenn die Betriebsweise wie folgt modifiziert wird:

„Wenn mehrere Feiertage hintereinander auf Wochentage entfallen, was insbesondere zu Weihnachten und um die Jahreswende der Fall sein kann, sind Warenauslieferungen auch an Sonn- oder Feiertagen erforderlich, jedoch maximal an 7 Sonn- oder Feiertagen im Jahr. In diesen Ausnahmefällen finden jedoch in der Garage Nord vor 8 Uhr keine Ausfahrten statt“.

Vorab gilt es zu bemerken, dass die Frage der Genehmigungsfähigkeit ausschließlich eine Rechtsfrage ist, zu deren Beantwortung immissionsfachlich nur beigetragen wird. Dazu werden die aus der Aktenlage bekannten tatsächlichen örtlichen Verhältnisse den durch diese Emissionen und daraus resultierenden Immissionen gegenübergestellt, die Veränderungen beschrieben sowie auch nach fachlichen Gesichtspunkten bewertet. Als Indikatoren für die Lärmeinwirkung werden jene verwendet, wie sie auch in den Vorgutachten zur Anwendung gelangten. Daher wird auf eine Wiedergabe der verwendeten Begriffe in diesem Zusammenhang verzichtet. Dem Sachverständigen standen neben den Verwaltungs- und Gerichtsakten auch die digitalen „Lärmmodelle“, erstellt mit der Schallimmissionsprognosesoftware EE durch die Sachverständigen für Maschinenwesen und Umwelttechnik der Bezirkshauptmannschaft X zur Verfügung. Diese Modelle implizieren die Ergebnisse der Vorverfahren und korrespondieren sehr gut mit Messergebnissen der Einwirkungen der Bundesstraße X als auch durch Rangierbewegungen bzw. Zu- und Abfahrten im Bereich Nord, der der Beschwerde führenden Familie A am nächsten liegt. Die Bewertung der beiden Beweisthemen erfolgt getrennt.

Frage 1: Abfahrten von 2 LKW zwischen 05:00 und 06:00 Uhr aus Garage Nord

Befund

Die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse im Beurteilungszeitraum zwischen 05:00 und 06:00 Uhr wurden im Zuge des Anzeigeverfahrens 2015 im gewerbetechnischen Gutachten von Herrn Ing. FF und Ing. GG vom 10.6.2016 (ZI. ****) auf Basis der Annahme, dass im Bereich Nord bereits Abfahrten aus der Betriebsanlage als genehmigt gelten, ermittelt. Diese Annahme wurde im verwaltungsgerichtlichen Schreiben vom 2.8.2016 mit der Beschreibung des Konsenses der Betriebsanlage nicht getragen. Aus diesem Grund wird zur Beschreibung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse in diesem Zeitraum auf die dafür maßgebenden Einwirkungen der vorbeiführenden Bundesstraße X zurückgegriffen. Für diese Immission gibt es mehrere Messergebnisse, welche im gewerbetechnischen Gutachten vom 26.01.2011 wiedergegeben sind. Messungen im Jänner 2010, März 2010 und Jänner 2008 zeigen ein sehr einheitliches Bild, dass die ortsüblichen Schallimmissionen durch die Bundesstraße X im Zeitraum 5:00 bis 6:00 Uhr bei ca. 46 dB liegen (exakt wurde die Ist-Situation im zitierten Gutachten mit 46,1 dB ausgewiesen).

Der Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission im Zeitraum von 5:00 bis 6:00 Uhr Lr,o,5-6 wird daher mit 46,1 dB beschrieben.

Die Immissionsprognose laut gewerbetechnischem Gutachten vom 10.6.2015 für den Nachtzeitraum weist beim Nachbargebäude A einen Beurteilungspegel Lr,spez von 42,2 dB aus (der Spitzenpegel 7a,sp wurde messtechnisch mit 57 dB aus dem Gutachten vom 26.1.2011 angegeben). Dieser Wert gilt für die immissionswirksamsten Ausfahrten aus den Garagen 1 und 2, welche für die Nachbarn A am belastendsten sind und den ungünstigsten Fall darstellen.

Von der Antragstellerin wurde im Anzeigeverfahren eine schalltechnische Untersuchung über LKW Fahrbewegungen bei der Garage Nord, erstellt von Ing. JJ am 27.2.2017 (Bericht Nr.****) vorgelegt. Inhalt dieser Untersuchung ist der Vergleich von Immissionen durch im Betrieb vorhandene „alte LKW“, welche noch mit Rückfahrwarnern und ohne Handsender ausgestattet sind und neuen LKW s welche diese Einrichtungen, welche auch im Anzeigeverfahren thematisiert sind, haben. Dadurch ergäbe sich laut Antragstellerin eine Emissionsersparnis nicht nur durch das Wegfallen der Rückfahrwarnergeräusche sondern auch durch die nicht mehr notwendigen Stehzeiten der LKW mit Motorengeräuschen im Standlauf zum Öffnen und Schließen der Garagentore.

Zusammenfassend weist diese Untersuchung aus, dass die immissionsrelevante Schallimmission durch die Maßnahme um mindestens 2 dB gesenkt werden kann.

Beurteilung

Auf Hinblick auf die tatsächlich örtlichen Verhältnisse im Zeitraum zwischen 05:00 - 06:00 Uhr sind die in den erstinstanzlichen Verfahren ermittelten Werte ausreichend abgesichert, so dass diese auch im Beschwerdeverfahren Verwendung finden können. Die durch die 2 zu beurteilenden Ausfahrten verursachten spezifischen Geräusche und deren Emissionen sind dem gegenüber kritischer zu betrachten. Der Emissionsansatz mittels längenbezogenen Schallleistungspegels für die Langsamfahrten von LKW von Z.w = 62 dB wurde in den vorangegangenen Beschwerdeverfahren zwar kritisiert, auf Basis von Messergebnissen aber als ausreichend genau und für die Situation zutreffend befunden. Nun wurde von der Antragstellerin eine schalltechnische Untersuchung beigebracht, welche eine weitere Überprüfung dieses Emissionswertes ermöglicht. Die schalltechnischen Messungen und Aussagen beziehen sich allerdings auf einen Messpunkt, der sich innerhalb des Betriebsgrundstückes befindet. Aus diesem Grund war es notwendig, die von Ing. J gewonnene Messergebnisse in Relation zu den bislang getroffenen rechnerischen Beurteilungsannahmen zu setzen. Die zusammenfassenden Tabellen 1 und 2 aus der schalltechnischen Untersuchung Ing. J zeigen folgende Ergebnisse.

Tabelle 1 Zusammenfassung der Messergebnisse Ing. J für Ein- und Ausfahrten bei Garage 10

 

Ausfahrten

Einfahrt

Garage 10

Dauer
[mm:ss]

LA,eq [dB]

SEL [dB]

Dauer
[mm:ss]

LA,eq [dB]

SEL [dB]

LKW Alt

01:40

60,3

80,4

01:44

60,5

80,7

Neuer LKW

00:46

59,9

76,5

01:11

59,5

78

Differenz - 3,9

-2,7

Tabelle 2 Zusammenfassung der Messergebnisse Ing. J für Ein- und Ausfahrten bei Garage 6

 

Ausfahrten

Einfahrt

Garage 6

Dauer
[mm:ss]

LA,eq [dB]

SEL [dB]

Dauer
[mm:ss]

LA,eq [dB]

SEL [dB]

LKW Alt

01:28

62,6

82,1

01:43

60,3

80,4

Neuer LKW

01:11

61,4

78,4

01:11

58,2

76,3

Differenz -3,7

-4,1

Für den Vergleich mit dem längenbezogenen Schallleistungspegel des Berechnungsmodells werden im ersten Schritt diese ermittelten Schallereignispegel auf dem Beurteilungszeitraum einer Stunde umgerechnet, womit zum Vergleich eine Immission dargestellt wird, welche sich am Messpunkt Ing. J bei einer Fahrbewegung (Aus- oder Einfahrt) pro Stunde ergibt. Im zweiten Schritt wurde nun mit dem ursprünglich getroffenen Emissionsansatz eines längenbezogenen Schallleistungspegels von Lw- =62 dB am Messpunkt Ing. J die entsprechenden Immission ermittelt und die Abweichungen bestimmt. Nachstehende Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse von Messung und Berechnung und den Vergleich zueinander.

Tabelle 3 Vergleich der Messergebnisse Ing. J für Ein- und Ausfahrten mit Berechnungswerten in dB

 

Messung bez. 1 FZ/h

Berechnung Lw‘=62

Differenz

 

LKW Alt Garage 10

44,8

45,1

45,9

47,5

1,1

2,4

Neuer LKW Garage 10

40,9

42,4

 

 

 

 

LKW Alt Garage 6

46,5

44,8

48,4

46,3

1,9

1,5

Neuer LKW Garage 6

42,8

40,7

 

 

 

 

Wie aus obiger Tabelle ersichtlich ist, verursacht der in den bisherigen Verfahren verwendete Emissionsansatz von Lw- = 62 dB am Messpunkt Ing. J einen um 1,1 bis 2,4 dB höheren Berechnungswert als von Ing. J für dieselben Vorgängen erfassten Messungen. Das bisher verwendete Prognoseverfahren und die der darin enthaltene Emissionsansatz zeigen sich auch an diesem Punkt als gut geeignet, die zu erwarteten Immissionen modelltechnisch abzubilden. Die tendenzielle Überschätzung der Berechnung wird in dieser Beurteilung aber nicht in Rechnung gebracht und bleibt damit als Prognosesicherheit erhalten. Was die veränderte Emission angeht, lässt die vorliegende schalltechnische Untersuchung von Ing. J aber eindeutig erwarten, dass die Einwirkungen durch die geänderten Fahrzeuge und Betriebsweise tatsächlich mindestens um 2 dB niedriger sein werden.

Für den Beurteilungspegel der spezifischen Schallemission Lr,spez ist daher davon auszugehen, dass diese Emissionsersparnis im Mindestausmaß von 2 dB wirksam wird. Der Beurteilungspegel der spezifischen Schallemission für 2 Ausfahrten ist damit ausgehend von einem Wert von 42,2 dB mit 40,2 dB zu prognostizieren. Der kennzeichneten Spitzenpegel LA,Sp bleibt mit 57 dB aber unverändert.

Entsprechend der interdisziplinär erarbeiteten und fachlich anerkannten Beurteilungsgrundlage ÖAL Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 „Beurteilung der Schallimmission im Nachbarschaftsbereich“, Ausgabe 2008 ist der planungstechnische Grundsatz auf Basis der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse erfüllt. Der planungstechnische Grundsatz ist ein von der Basis beurteilungsgebildeter, entsprechend strenger Beurteilungsmaßstab, bei dessen Einhaltung davon ausgegangen werden kann, dass die zur Beurteilung der Schallimmission zu keiner über die Schwankungsbreite der ortsüblichen Schallimmission hinausgehenden Veränderung derselben führt. Damit kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Veränderung wahrnehmbar ist, sie kann aber im Rahmen der jederzeit erwartbaren Variabilität von Umweltbedingungen als für die Betroffenen akzeptabel angesehen werden können. Für die Betrachtung über die gesamte Bezugszeit (hier die Zeit zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr) bedeutet die Einhaltung des Planungstechnischen Grundsatzes keine messbare Veränderung des Mittelungspegels (LA,eq).

Die Emissionsersparnis wird nur dann wirksam, wenn jeder ausfahrende LKW mit einem Handsender zur sofortigen Schließung des Garagentores versehen ist. Eine entsprechende Verbindlichmachung der durch diese Ausstattung gegebenen Emissionsersparnis ist zur Erhaltung der Grundannahme in dieser Beurteilung aus fachlicher Sicht unabdingbar.

Wenngleich entsprechend der zitierten Literatur ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 bei Einhaltung des Planungstechnischen Grundsatzes eine Genehmigung ohne Maßnahmen möglich erscheint, wird dieser rechtlichen Würdigung hier in keinster Weise vorgegriffen.

Frage 2: LKW-Verkehr an besonderen Sonn- und Feiertagssituationen

Befund

Entsprechend dem übermittelten Schriftsatz vom 10.4.2017 soll maximal an 7 Sonn- oder Feiertagen im Jahr unter besonderen Voraussetzungen Warenauslieferung stattfinden, bei der Garage Nord jedoch nicht vor 8:00 Uhr. Ebenso wie zur Beantwortung zur ersten Frage wird auf die Ergebnisse der vorangegangenen Ermittlungsverfahren zur Bestimmung der ortsüblichen Schallimmission wie auch der spezifischen Schallimmission zurückgegriffen. Nachdem aus der Aktenlage für den Gefertigten nicht erkennbar ist, dass LKW-Verkehr an Sonn- und Feiertagen genehmigt wurde, wird auf die ortsübliche Schallimmission ausschließlich verursacht durch die Bundesstraße X zurückgegriffen. Der Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission Lr,o, es ist dies da er durch Straßenverkehr verursacht wird vom Zahlenwert her auch der energieäquivalente Dauerschallpegel LA,eq wurde für die Tagstunde von 6:00 bis 7:00 Uhr im Jahresmittel beim Nachbargebäude A mit 52,2 dB ermittelt. Dies stützt sich auf mehrere messtechnische Erhebungen (siehe gewerbetechnisches Gutachten vom 26.1.2011) als auch auf rechnerische Ermittlungen. Der Wert von 52,2 dB wurde für die Tageszeit von 06:00 Uhr - 07:00 Uhr dem Genehmigungsbescheid vom 26.2.2007 entnommen. Entsprechend der jährlichen durchschnittlichen Verkehrsverteilung auf der B 178 ergibt sich für den Beurteilungszeitraum der 13 Tagstunden von 6:00 bis 19:00 Uhr ein Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission Lr,o,Tag von 52,1 dB.

Dem gewerbetechnischen Gutachten vom 26.1.2011 ist zu entnehmen, dass der Beurteilungspegel der spezifischen Schallimmission für die 13 Tagstunden bei einem Verkehrsaufkommen in der Betriebsanlage von 15 LKW Ausfahrten und 10 LKW Zufahrten aus- bzw. zum Garagenbereich Nord mit Lr,13h = 52 dB ermittelt wurde.

Beurteilung

Die fachliche Besonderheit dieser Fragestellung liegt im Umstand, dass hier konkret Sonn- bzw. Feiertage beurteilungsrelevant sind. Von fachlicher Seite wird davon ausgegangen, dass in diesem Zeitraum noch keine derartigen Fahrbewegungen dem Genehmigungsstand zuzurechnen sind und damit die örtlichen Verhältnisse der vorbeiführenden Straße X bestimmend sind. Andernfalls wäre eine Beurteilung ohnehin obsolet.

Die ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 weist zur Ermittlung der ortsüblichen Schallimmission aus strategischen Lärmkarten darauf hin, dass an Sonn- und Feiertagen für den Zeitraum zwischen 06:00 Uhr - 08:00 Uhr ein um 5 dB verminderter Wert zum Lärmindex für die allgemeine Lärmbelastung Lden zu verwenden ist. Dieser Zeitraum ist im nachbarkritischen Bereich Nord in der Fragestellung aber ausgeklammert. Für den Tageszeitraum selbst sind keine besonderen Anpassungen zum Jahresdurchschnitt vorgesehen. Ungeachtet dessen wird anhand der verfügbaren Verkehrsdaten geprüft, wie sich die ortsübliche Schallimmission von der B 178 stammend an durchschnittlichen Sonn- und Feiertagen vom Jahresdurchschnitt unterscheidet. Darüber hinaus wird auch eine Aussage getroffen, wie sich die Immissionsbelastung durch den Straßenverkehr der B 178 im Laufe der Jahre verändert hat, da die Ermittlung der ortsüblichen Schallimmission aus einer relativ lange zurückliegenden Untersuchung (2007) stammt. Anhand der Verkehrsstatistik des Amtes der Tiroler Landesregierung (https://apps.tirol.av.at/verkehrsinformation/web/html/vde.html) wurden das jährliche durchschnittliche tägliche Verkehrsaufkommen (JDTV), der Anteil der LKW-ähnlichen Fahrzeuge und der schweren Fahrzeuge ermittelt. Dies erfolgt für die Jahre 2008 und 2016 getrennt nach Wochendurchschnitt und Sonn- und Feiertagsdurchschnitt. Die Ergebnisse werden sodann verwendet, um den Emissionsschallpegel LA,eq 1 nach RVS 04.02.11 zu ermitteln. Entsprechend der Veränderung des Emissionsschallpegels verändert sich auch linear das Immissionsausmaß.

Folgende Tabelle 4 gibt die Verkehrsstärken, Schwerverkehrszahlen und die daraus gebildeten Emissionsschallpegel wieder:

Tabelle 4 Vergleich der Verkehrsaufkommen und Emissionsschallpegel in dB

Jahr

Zeitraum

JDTV

LkwÄ

SLZ

ps%

l_LKW %

LA,eq,Tag 1

2008

Mo-So

12794

1322

578

10%

56%

81,2

2008

So+F

9088

278

81

3%

71%

78,5

2016

Mo-So

14072

1312

652

9%

50%

81,6

2016

So+F

10301

268

70

3%

74%

79,1

darin sind:

JDTV          jährliches durchschnittliches Verkehrsaufkommen

LkwÄ          Lkw-ähnliche Kfz

SLZ           Lastzüge und Sattelkraftfahrzeuge

ps%           Anteil des Schwerverkehrs am Gesamtverkehr

l_LKW %      Anteil der leichten LKW am Schwerverkehr

LA,eq,Tag 1             Emissionsschallpegel gemäß RVS 04.02.11

Der Vergleich der Emissionsschallpegel zwischen 2008 und 2016 zeigt, dass dieser sich im Jahresmittel um lediglich 0,4 dB nach oben verändert hat, an Wochenenden zeigt sich ebenfalls eine marginale Steigerung von 0,6 dB. Relevant ist allerdings der Unterschied zwischen dem Jahresdurchschnitt und dem Wochenend- bzw. Feiertagsdurchschnitt, welcher bei 2,7 dB (2008) bzw. 2,5 dB (2016) liegt. Es ist daher eindeutig davon auszugehen, dass das ortsübliche Maß an diesen speziellen Tagen um 2 - 3 dB niedriger ist als im Jahresmittel. Für die immissionsfachliche Bewertung bedeutet dies, dass von einer ortsüblichen Schallimmission von 49 dB an Sonn- und Feiertagen ausgegangen werden muss, zu welcher eine spezifische Schallimmission von 52 dB kommt. Aufgrund der logarithmischen Rechenregel der Akustik ergibt sich daraus eine Gesamtimmission von 54 dB.

Die ortsüblichen Verhältnisse werden in diesen speziellen Ausnahmefällen (an maximal 7 Sonn- und Feiertagen) um 5 dB in der Tagzeit angehoben. Für derartige (seltene) Ereignisse lässt sich eine generelle Aussage weder über die Zulässigkeit noch über die Unzulässigkeit treffen. Es bedarf hier einer auf dies schalltechnischen Parameter aufbauenden individuellen lärmmedizinischen Untersuchung, welche auch akustische Kriterien berücksichtigt und insbesondere auch dem Umstand Rechnung trägt, dass die Häufigkeit im Kalenderjahr eindeutig limitiert wird. Eine Prognose einer Genehmigungsfähigkeit auch nur im fachlichen Sinn ist damit nicht möglich.

Mit freundlichen Grüßen

(K)“

Das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen vom 10.11.2017 lautet wie folgt:

„Sehr geehrter Herr Dr. Hohenhorst!

Mit do. Schreiben vom 01.08.2017, LVwG-*** erging der Auftrag zur Erstattung eines Gutachtens im gegenständlichen Verfahren zum Beweisthema:

„Bezug nehmend auf die Ausführungen im lärmtechnischen Gutachten von Dl K vom 29.06.2017, *****, Frage 2:

Darlegung ob und wenn ja welche Einwirkungen die zu erwartenden Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der im § 77 Abs 2 GewO enthaltenen Tatbestandsmerkmale hinsichtlich des Standortes der Beschwerdeführer A, Adresse 1 , Z, auszuüben vermögen.“

Die zur Beurteilung notwendigen Teile des Verfahrensakts (Akt des LVwG) wurden als Anlage zur Verfügung gestellt.

Sachverhalt:

Die Vorgeschichte darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Im gegenständlichen Verfahren ist zu klären, ob die im lärmtechnischen Gutachten von Dl K dargestellten Immissionen negative Auswirkungen auf den menschlichen Organismus, bezogen auf den Standort der Beschwerdeführer haben können.

Die in Rede stehenden Immissionen entstehen

1) durch die Abfahrten von 2 LKW zwischen 5:00 und 6:00 Uhr aus der Garage Nord und

2) durch Warenauslieferungen auch an Sonn- und Feiertagen, wenn mehrere Feiertage hintereinander auf Wochentage entfallen, maximal an sieben Sonn- und Feiertagen im Jahr, wobei in der Garage Nord in diesen Fällen keine Ausfahrten vor 8:00 Uhr stattfinden.

Im lärmtechnischen Gutachten des Dl K werden diese Immissionen wie folgt dargestellt:

1) Abfahrten von 2 LKW zwischen 5:00 und 6:00 Uhr aus der Garage Nord

Hinsichtlich der bestehenden örtlichen Verhältnisse im Beurteilungszeitraum zwischen 5:00 und 6:00 Uhr wird auf die Einwirkungen der Bundesstraße X zurückgegriffen, die bereits in früheren Verfahren messtechnisch erhoben wurden. Daraus leitet
DI K einen Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission von 46,1 dB ab.

Der Beurteilungspegel der spezifischen Schallimmission für zwei Ausfahrten wird mit 40,2 dB prognostiziert, der Spitzenpegel mit 57 dB.

Der planungstechnische Grundsatz gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 ist auf Basis obiger Annahmen eingehalten, d.h. der Mittelungspegel der bestehenden Immissionssituation wird im Zeitraum zwischen 5:00 und 6:00 Uhr durch die zwei LKW-Ausfahrten nicht messbar verändert.

Dl K weist in seinem Gutachten ausdrücklich darauf hin, dass der prognostizierte Beurteilungspegel der spezifischen Schallimmission auf der Annahme beruht, dass jeder ausfahrende LKW mit einem Handsender zur sofortigen Schließung des Garagentores ausgestattet ist. Dies muss jedenfalls gewährleistet sein, um eine Beurteilung auf Basis obiger Annahmen vornehmen zu können.

2) LKW-Verkehr an besonderen Sonn- und Feiertagssituationen

Die ortsübliche Schallimmission wird durch den Verkehr auf der Bundesstraße X. Entsprechend der jährlichen durchschnittlichen Verkehrsverteilung auf der B 178 ergibt sich für den Beurteilungszeitraum der 13 Tagstunden (6:00 - 19:00 Uhr) ein Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission von 52,1 dB.

Der Beurteilungspegel der spezifischen Schallimmission für die 13 Tagstunden wurde im gewerbetechnischen Gutachten vom 26.1.2011 mit 52 dB ermittelt, wobei dazu von 15 LKW-Ausfahrten und 10 LKW-Zufahrten aus bzw. zum Garagenbereich Nord ausgegangen wurde.

Gemäß einem von Dl K gezogenen Vergleich der Verkehrszahlen des Jahres 2008 mit dem Jahr 2016 und des Wochendurchschnittes mit dem Sonn- und Feiertagsdurchschnitt ist aktuell an Sonn- und Feiertagen von einer ortsüblichen Schallimmission von 49 dB auszugehen. Durch eine spezifische Immission von 52 dB ergibt sich rechnerisch eine Gesamtimmission von 54 dB.

Medizinische Lärmwirkungen:

Lärm, definiert als unerwünschter oder schädlicher Schall, ist in der Lage, abhängig von der Höhe der Schallpegel, negative Wirkungen auf den menschlichen Organismus hervorzurufen. Diese Wirkungen werden in aurale, das Ohr betreffende und extraaurale, jenseits des Hörorganes auftretende Wirkungen unterteilt.

Aurale Wirkungen im Sinne einer Schädigung des Hörorgans mit nachfolgenden Funktionsstörungen (Schwerhörigkeit) treten etwa ab dauerhaften (24-stündigen) Lärmbelastungen von 70 - 75 dB auf und spielen in der Regel in gewerberechtlichen Verfahren keine Rolle.

Extraaurale Lärmwirkungen entstehen durch eine Erregung des vegetativen Nervensystems und nachfolgenden Stoffwechselverschiebungen, wie etwa Freisetzung von „Stresshormonen", Steigerung von Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz, Erhöhung der Muskelspannung und Verringerung der peripheren Durchblutung. Diese, an sich nicht krankhaften Veränderungen sind Ausdruck eines erhöhten Aktivitätsniveaus des Organismus, ausgelöst durch Lärm als unspezifischer Stressfaktor. Lange bestehende Schallbelastungen oberhalb der Schwellenwerte können zu einer Gleichgewichtsverschiebung des Organismus zu Gunsten eines höheren Aktivierungsniveaus führen. Lärm als Stressfaktor kann somit stressbedingte Erkrankungen fördern, wobei die negativen Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem am besten erforscht sind. Eine Erhöhung des Herzinfarktrisikos bei langjährigen Belastungen mit äquivalenten Dauerschallpegeln oberhalb von 65 dB untertags gilt als gesichert, weshalb in allgemeinen der Wert von LAeq 65 dB als Grenzwert zur Vermeidung von Gesundheitsstörungen angesehen wird. Auf Grund einer nachgewiesenermaßen erhöhten Empfindlichkeit des vegetativen Nervensystems und eines gesteigerten Ruhebedürfnisses sind abends und nachts niedrigere Schallpegelwerte zur Vermeidung von lärmbedingten Gesundheitsschäden zu fordern.

Gerade bei nächtlichen Lärmstörungen ist insbesondere die Beeinflussung des Schlafes durch Schallimmissionen bedeutsam. So kann Lärm oberhalb bestimmter Schallpegel Veränderungen des Schlafablaufes bewirken mit Störungen der physiologischen Schlafphasen. Lärm während des Schlafes ist in der Lage, die Gesamtschlafdauer zu verkürzen, die Einschlafzeit zu verlängern und sowohl die Dauer des Tiefschlafes als auch die Dauer des Traumschlafes zu reduzieren. Diese Veränderungen können sogenannte sekundäre Reaktionen im Wachzustand nach einer gestörten Nacht bewirken, die in Form von beeinträchtigtem Wohlbefinden, Leistungsminderung und Beeinflussung der psychischen Verfassung auftreten.

Sind diese Sekundärreaktionen noch reversibel, so bleiben Tertiärreaktionen als gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge lang anhaltender nächtlicher Lärmbelastung auch nach Beendigung dieser Exposition bestehen.

Noch nicht geklärt ist zur Zeit die Frage, welche der beschriebenen Reaktionen im Schlaf bei langdauernder Belastung Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorrufen. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die Schwellenwerte für die meisten dieser Reaktionen im Bereich von LAeq 32 - 42 dB gemessen am Ohr des Schläfers liegen. Als Schwellenwert für gesundheitsbeeinträchtigende Belastungen wird von der WHO in den „Night Noise Guidelines for Europe“ ein Spitzenwert von 42 dB im Innenraum („am Ohr des Schläfers") angesehen, ab dem vermehrte Aufwachreaktionen zu beobachten sind.

Belästigungen durch Lärm treten bereits unterhalb der gesundheitsgefährdenden Schallpegel auf und sind nicht allein durch die Höhe dieser gemessenen Pegel bestimmt. Schon die Definition des Lärmes als unerwünschter und störender Schall macht deutlich, dass die Belästigung sehr stark von individuellen Bewertungen abhängig ist. Dies betrifft zum Beispiel die Einstellung des Betroffenen zur Geräuschquelle, die Störung konzentrationsintensiver Tätigkeiten, Rückzugsmöglichkeiten innerhalb der Wohnung und generelle Einstellung zu Lärm. Weiters wird die Lästigkeit von speziellen Charakteristika eines Schallreizes bestimmt, wie Tonhaltigkeit oder Impulshaltigkeit, die im Allgemeinen durch Zuschläge zum gemessenen Schallpegel berücksichtigt werden.

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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