TE Vwgh Beschluss 2018/11/20 Ra 2017/12/0072

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Veröffentlicht am 20.11.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (nunmehr der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort in 1010 Wien, Stubenring 1), gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2017, W122 2106410-1/5Z, betreffend Aussetzung eines Verfahrens iA Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages (mitbeteiligte Partei:

S W in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Antrag vom 29. Jänner 2015 beantragte die Mitbeteiligte unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C- 530/13 in Verbindung mit Art. 2 der RL 2000/78/EG die Anpassung sämtlicher zeitabhängiger Rechte, insbesondere die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages und ihrer daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung sowie die allfällige Nachzahlung von Bezügen.

2 Mit Bescheid vom 3. März 2015 wies der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft den Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages der Mitbeteiligten mangels gesetzlicher Grundlage gemäß § 56 AVG iVm § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) zurück.

3 Begründend wurde ausgeführt, als Beamtin des allgemeinen Verwaltungsdienstes, Verwendungsgruppe A2 stehe die Mitbeteiligte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle sei die Zentralleitung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, wo sie derzeit als Referentin in der Abteilung C1/9 beschäftigt sei. Mit Schreiben vom 29. Jänner 2015 habe die Mitbeteiligte einen Antrag auf Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages gestellt. Nach Wiedergabe des § 175 Abs. 79 GehG idF BGBl. I Nr. 32/2015 wurde ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 im GehG sämtliche Bestimmungen betreffend den Vorrückungsstichtag aufgehoben. Gemäß § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG seien auch die bisherigen diesbezüglich einschlägigen Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden, weshalb einer weiteren Bearbeitung des Antrags der Mitbeteiligten nicht näher getreten werden könne. Der Verweis auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und auf Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) ändere daran nichts, weil der Gesetzgeber die (offenbar) europarechtswidrigen nationalen Regelungen aufgehoben habe.

4 Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde und brachte vor, § 169c Abs. 1 GehG und § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG seien verfassungs- und unionsrechtswidrig.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des EuGH über den vom Obersten Gerichtshof am 19. Dezember 2016 zu 9ObA 141/15y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung aus. Es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Begründend wurde ausgeführt, der Beantwortung der in diesem Verfahren gestellten Fragen durch den EuGH komme für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde Bedeutung zu. Das hier anzuwendende Gehaltsgesetz enthalte und habe mit § 12 wortgleiche Bestimmungen enthalten wie jene des im Verfahren vor dem EuGH gegenständlichen § 26 des Vertragsbedienstetengesetzes. Es lägen daher die Voraussetzungen des gemäß § 17 VwGVG iVm § 1 Abs. 1 DVG auch vom Bundesverwaltungsgericht anzuwendenden § 38 AVG vor.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7 Die Mitbeteiligte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen und ihr gesetzlichen Aufwandersatz zuzuerkennen.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die im Verfahren vor dem EuGH gestellten Fragen, seien nicht präjudiziell, weshalb die Aussetzung des Verfahrens rechtswidrig sei. Bei der Beschwerdeführerin habe keine Überleitung in das neue Besoldungssystem auf Grundlage ihres Monatsbezuges Februar 2015 stattgefunden, vielmehr sei sie in der VII. Dienstklasse der Verwendungsgruppe B des Besoldungsschemas allgemeine Verwaltung verblieben, in welche sie auf Grund der freien Beförderung am 1. Juli 2008 ernannt worden sei. Auf Grund der erfolgten freien Beförderung könne sich eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages auf die besoldungsrechtliche Stellung nicht auswirken (Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

12 Mit Beschluss vom 19. Dezember 2016, 9ObA 141/15y, legte der Oberste Gerichtshof dem EuGH u. a. folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

"1.1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein (in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr) altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein neues Besoldungssystem ersetzt wird, die Überleitung der Bestandsbediensteten in das neue Besoldungssystem aber dadurch erfolgt, dass das neue Besoldungssystem rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stammgesetzes in Kraft gesetzt wird, sich die erstmalige Einstufung in das neue Besoldungssystem aber nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem für einen bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) tatsächlich ausbezahlten Gehalt richtet, sodass die bisherige Altersdiskriminierung in ihren finanziellen Auswirkungen fortwirkt?

1.2. Für den Fall der Bejahung der Frage 1.1.:

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 17 der Richtlinie 2000/78/EG, dahin auszulegen, dass Bestandsbedienstete, die in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr im alten Besoldungssystem diskriminiert wurden, einen finanziellen Ausgleich erhalten müssen, wenn diese Altersdiskriminierung auch nach Überleitung in das neue Besoldungssystem in ihren finanziellen Auswirkungen fortwirkt?

1.3. Für den Fall der Verneinung der Frage 1.1.:

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 47 GRC, dahin auszulegen, dass dem darin verbrieften Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz eine nationale Regelung entgegensteht, nach der das alte diskriminierende Besoldungssystem in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist und sich die Überleitung der Besoldung von Bestandsbediensteten in das neue Besoldungsregime allein nach dem für den Überleitungsmonat zu ermittelnden bzw. ausbezahlten Gehalt richtet?"

13 Gemäß § 113 Abs. 10 erster Satz GehG idF BGBl. I Nr. 32/2015, erfolgt eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages und der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung aufgrund der §§ 8 und 12 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 nur auf Antrag und nur in denjenigen Fällen, in denen die bestehende besoldungsrechtliche Stellung durch den Vorrückungsstichtag bestimmt wird.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, ob eine im gemäß § 38 AVG zu unterbrechenden Verfahren zu beurteilende Rechtsfrage "ähnlich" im Verständnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist, jedenfalls dann, wenn sie nicht offenkundig unzutreffend ist, nicht revisibel ist. Im vorliegenden Fall erweist sich die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, welches von der Präjudizialität der Entscheidung des EuGH über das vom Obersten Gerichtshof zu 9ObA 141/15y vorgelegten Vorabentscheidungsersuchens ausging, schon deshalb als nicht unvertretbar, weil für den Fall, dass § 113 Abs. 10 GehG im vorliegenden Verfahren anzuwenden wäre, der verfahrenseinleitende Antrag der Mitbeteiligten nicht zurückzuweisen, sondern inhaltlich - wenn auch allenfalls im Sinne einer Antragsabweisung mangels Abhängigkeit der besoldungsrechtlichen Stellung vom Vorrückungsstichtag - zu behandeln wäre (vgl. VwGH 3.10.2018, Ra 2017/12/0094).

15 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017120072.L00

Im RIS seit

14.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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