TE Lvwg Beschluss 2017/4/25 LVwG-AV-220/001-2017

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Veröffentlicht am 25.04.2017
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Entscheidungsdatum

25.04.2017

Norm

VwGVG 2014 §8 Abs1
VwGVG 2014 §31 Abs1
StVO 1960 §43 Abs2

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter Hofrat Mag. Wallner über die Säumnisbeschwerde von HA u.a., alle vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG, in ***, ***, betreffend Erlassung einer Verordnung gemäß § 43 Absatz 2 litera a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) oder eines negativen Bescheides mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Verordnungserlassung durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie folgenden

BESCHLUSS:

1.       Der Antrag von HA, HJ, Dr. EK, WP und der Marktgemeinde ***, alle vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG, vom 27. April 2016 auf Erlassung einer dauernden Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h für den Bereich auf der *** in Fahrtrichtung *** von der ASt *** bis ASt *** von Überkopfwegweiser nach km 6,0 bis Überkopfwegweiser nach km 9,0, und in Fahrtrichtung von Süden zur *** Stadtgrenze von Überkopfwegweiser nach km 9,7 bis Überkopfwegweiser nach km 6,5 wird – soweit er sich auf einen unmittelbaren Anspruch aus der Luftqualitäts-Richtlinie vom 21.05.2008, 2008/50/EG, richtet - gemäß § 31 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

2.       Soweit sich der genannte Antrag der Beschwerdeführer vom 27. April 2016 auf einen unmittelbaren Anspruch aus der Umgebungslärm-Richtlinie vom 25.06.2002, 2002/49/EG, richtet, wird dieser gemäß § 31 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

3.           Die ordentliche Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-

Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen diesen Beschluss nicht zulässig.

Begründung:

Die Antragsteller IA u.a., rechtfreundlich vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG in ***, ***, stellten an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie mit Schriftsatz vom 27.04.2016 den Antrag auf Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 80 auf der *** für einen näher bezeichneten Bereich zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Umgebungslärm und Feinstaub im Gebiet der Marktgemeinde ***, in eventu auf Erlassung von sonstigen geeigneten Verkehrsbeschränkungen in diesem Bereich. Sie begehrten die Erlassung einer Verordnung gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO. Die beantragte Geschwindigkeitsbeschränkung solle eine generelle für alle Fahrzeugarten zwecks dauerhafter Reduktion der Immissionsquellen betreffend Lärm und Feinstaub sein. Dies sei ein taugliches Mittel betreffend Gesundheitsgefährdung durch Umgebungslärm und Feinstaub, ausgelöst von Kraftfahrzeugen auf der ***. Es bestünde die evidente Gefahr, dass Luftschadstoffwerte die im Anhang 12 zur Luftqualitätsrichtlinie festgelegten Alarmschwellen überschreiten würden. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sei nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 StVO zuständige Behörde, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen durch Lärm als auch durch Schadstoffe (Feinstaub).

Unter Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, begründete die Beschwerde die Antragslegitimation damit, dass in Fällen, in denen die Verwaltung unter bestimmten Voraussetzungen zur Erlassung einer Verordnung verpflichtet sei, ein Antragsrecht von Parteien bejaht werde und ein Recht dieser auf Erlassung eines negativen Bescheides bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Verordnungserlassung bestünde. Weiters verwies die Beschwerde auf Rechtsprechung des VfGH und VwGH hinsichtlich eines unmittelbaren Anspruches von Parteien auf Erlassung einer Verordnung, wenn damit einem aus dem Unionsrecht ableitbaren Rechtsanspruch des unmittelbar betroffenen Einzelnen zum Durchbruch verholfen werden könne.

Ein solches Antragsrecht bestünde unabhängig davon, ob ein Antragsrecht oder ein einheitliches Verfahrensrecht hinsichtlich einer Verordnungserlassung bestehe. Die Vollzugsbehörden seien zur Erlassung von Verordnungen im Sinne der Luftqualitäts-Richtlinie auch nach § 43 Abs. 2 lit. a StVO verpflichtet. Dies, um die Nichteinhaltung der Grenzwerte langfristig und kurzfristig und damit eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung hintanzuhalten. In diesem Zusammenhang wurde auf die Entscheidung des EuGH vom 25.07.2008 („Janecek“) verwiesen.

Weiters verwies die Beschwerde auf das EuGH-Urteil vom 19.11.2014 („Client-Earth“), wonach sich Einzelne nach ständiger Rechtsprechung gegenüber öffentlichen Stellen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie berufen könnten, und hätten die nationalen Behörden und Gerichte die Bestimmungen des nationalen Rechtes soweit wie möglich so auszulegen, dass sie mit dem Ziel der entsprechenden Richtlinien im Einklang stünden. Es bestünde daher ein auf die Luftqualitäts-Richtlinie gestützter Anspruch auf Erlassung der begehrten Verordnung. Sollte eine dauernde Beschränkung überschießend sein, würden sonst geeignete andere Maßnahmen zur Hintanhaltung von Grenzwertüberschreitungen an Luftschadstoffen verlangt werden.

Auch aus der Umgebungslärm-Richtlinie ließe sich unmittelbar ein Anspruch der Antragsteller auf Erlassung einer Verordnung nach § 43 Abs. 2 lit. a StVO ableiten.

Unter Verweis auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-237/07 vom 25.07.2008 führten die Beschwerdeführer aus, dass Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten betroffen seien, bei den zuständigen Behörden erwirken können müssten, dass bei Vorliegen einer solchen Gefahr konkrete Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte von Umgebungslärm durch Straßenverkehr getroffen würden. Unbeschadet des Rechtstypenzwanges in der Österreichischen Rechtsordnung müsse daher den Antragstellern ein subjektives Recht auf Erlassung einer Verordnung nach § 43 Abs. 2 lit. a StVO eingeräumt werden, da dies zur Gewährung des unionsrechtlichen Rechtsschutzes betreffend die Luftqualitäts- und die Umgebungslärm-Richtlinie notwendig sei.

Für die Antragsteller bilde nicht nur das Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz und die Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Rechtsgrundlage zur Bekämpfung von Umgebungslärm, sondern hätten unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 19.11.2014 (Client Earth) die nationalen Behörden und Gerichte die Bestimmungen des nationalen Rechtes so auszulegen, dass sie mit den Zielen der Richtlinie im Einklang stünden. Es bestünde diesfalls in unmittelbarer Anwendbarkeit der Umgebungslärmrichtlinie ein Recht auf Erlassung einer Verordnung nach § 43 Abs. 2 lit. a StVO.

Die Antragsteller würden an einer Hauptverkehrsstraße wohnen, wie auch in einem Ballungsraum gemäß Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz. Die Erlassung einer Verordnung nach der begehrten Rechtsnorm sei zur Hintanhaltung einer Gesundheitsgefährdung der Antragsteller durch Lärm erforderlich, und mit der die Grenzwerte für Umgebungslärm im Gemeindegebiet der Marktgemeinde *** unmittelbar an der *** gesichert eingehalten würden. Der Antrag sei sohin auf Erweiterung im Sinne nach Umgebungslärm-Richtlinie zu erlassender Aktionspläne bzw. der Setzung von Maßnahmen im Sinne für das Wohngebiet der Antragsteller zu erlassender Aktionspläne gemäß Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung gerichtet, da die Republik Österreich insofern den Umsetzungsverpflichtungen nur ungenügend nachgekommen sei.

Für den antragsgegenständlichen Bereich der *** sei ein durchschnittlicher Tagesverkehr von mehr als 170.000 Kraftfahrzeugen gegeben, also das vier- bis fünffache der Verkehrsfrequenz auf der ***, wo für einen bestimmten Bereich mit Verordnung die Höchstgeschwindigkeit auf beiden Richtungsfahrbahnen auf 100 km/h und 80 km/h beschränkt worden sei. Entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz müsse auch für den beantragten Bereich eine Verordnung erlassen werden. Staatliche Organe hätten im Hinblick auf die in einer Richtlinie vorgesehene Verpflichtung das gesamte nationale Recht zu berücksichtigen und nicht nur den konkreten Umsetzungsakt. Die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie nicht überschritten würden. Diese Grenzwerte seien im antragsgegenständlichen Bereich der *** überschritten worden. Eine Unterlassung einer entsprechenden Verkehrsbeschränkung durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie begründe einen Anspruch der Parteien auf Erlassung einer Verordnung.

Die Grenzwerte der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung würden deutlich überschritten. Im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation bestehe die Verpflichtung des Bundeministers für Verkehr, Innovation und Technologie, die gegenständliche Verkehrsbeschränkung wegen Überschreitung der Umgebungslärmgrenzwerte nach der StVO zu erlassen.

Eine unmittelbare Betroffenheit der Antragsteller liege vor, diese sei auch dann gegeben, wenn die Personen im maßgeblichen Gebiet lebten. Alle Antragsteller würden im gegenständlichen Bereich leben, welcher durch den Verkehr auf der *** Lärmimmissionen und Immissionen an Feinstaub aufweise. Auch juristische Personen wie die Marktgemeinde *** hätten subjektive Rechte nach den genannten beiden Richtlinien und daher auch ein Recht zur Antragstellung.

Für die Überschreitung der Grenzwerte betreffend Feinstaub gebe es eine Toleranzschwelle von 25 Tagen/Jahr, an denen der Grenzwert überschritten werden dürfe. Nach den Messwerten der für die Antragsteller maßgeblichen Messstation zur Messung der Feinstaubwerte PM10 wurde der Grenzwert für diese Belastung in den Jahren 2010 (46 Tage) und 2011 (43 Tage) überschritten, nachfolgend waren Überschreitungen unter der Toleranzschwelle von 25 Tagen für die Jahre 2012 bis 2015 (Anmerkung: für 2016 liegt kein Gesamtwert vor).

Bei den Grenzwerten für Umgebungslärm bestünde keine Toleranzschwelle. Eine lärmtechnische Untersuchung mit Stand 13.05.2015 werde vorgelegt, woraus sich Überschreitungen des Dauerschallpegels bei Tag und bei Nacht ergeben würden (schalltechnischer Messbericht vom 12.01.2015).

Die Antragsteller seien somit durch Umgebungslärm unmittelbar betroffen und berechtigt, einen Antrag auf Erlassung der begehrten Geschwindigkeitsbeschränkung zu stellen.

Bei einer Reduktion der Geschwindigkeit von 130 km/h auf 80 km/h würde sich eine Verminderung der Feinstaubbelastung um 33 % ergeben.

Die beantragte Geschwindigkeitsbeschränkung sei ein effizientes sowie sachgerechtes und gelindestes Mittel zur Verminderung einer Gesundheitsgefährdung der Antragsteller durch Feinstaub und Umgebungslärm.

Mit Schreiben vom 05.09.2016 gaben die Antragsteller eine Stellungnahme ab und brachten vor, der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sei zur Erlassung der beantragten Verordnung nach § 43 Abs. 2 StVO zuständig auf Grund der umfassenden Bundeskompetenz hinsichtlich Luftreinhaltung. Zum Antragsrecht auf Erlassung einer Verordnung bzw. im Falle der Nichterlassung auf Erlassung eines ablehnenden Bescheides wurde unter anderem auf das Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, verwiesen.

Da der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie nach Ablauf von sechs Monaten ab Einlangen des Antrages vom 27.04.2016 weder eine Verordnung nach § 43 Abs. 2 StVO 1960 noch einen negativen Bescheid über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine derartige Verordnung erlassen hatte, brachte ein Teil der Antragsteller, nämlich HA, HJ, Dr. EK, WP und die Marktgemeinde ***, alle rechtsanwaltlich vertreten durch die Krist Bubits Rechtsanwälte OG, eine Säumnisbeschwerde vom 16.12.2016 beim Bundesminister ein. Diese war an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet. Begründend wurde ausgeführt, einen Antrag mit Schreiben vom 27.04.2016 gestellt zu haben, damit der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 80 auf einem bestimmten Abschnitt der A2 Südautobahn in beide Fahrtrichtungen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Umgebungslärm und Feinstaub erlasse. Gestützt wurde der Antrag auf Erlassung der entsprechenden Verordnung auf Unionsrecht, nämlich die Umgebungslärm- und die Luftqualitäts-Richtlinie. Verwiesen wurde auch auf das Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2015, Ro 2014/07/0096. Es sei die Behörde entsprechend dem zitierten Erkenntnis verpflichtet, bei Stellung eines entsprechenden Antrages auf Umsetzung von aus dem Unionsrecht ableitbaren Ansprüchen entweder die begehrte Verordnung zu erlassen oder eine abweisende Erledigung in Form eines bekämpfbaren Bescheides. Die Beschwerdeführer seien unmittelbar Betroffene einer nicht ausreichenden Umsetzung der genannten Richtlinien. Da mehr als sechs Monate vergangen seien und weder eine Verordnung noch ein negativer Bescheid erlassen worden sei, sei die Entscheidungsfrist der belangten Behörde abgelaufen. Es werde die Erlassung der begehrten Verordnung beantragt. Die belangte Behörde hätte es verschuldet, säumig zu werden. Beantragt werde, dass das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführe und die beantragte Verordnung, allenfalls einen Bescheid über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine derartige Verordnung, erlasse.

Das Bundesverwaltungsgericht Republik Österreich leitete mit Schreiben vom 23.02.2017 den gegenständlichen Säumnisbeschwerdefall dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zuständigkeitshalber weiter.

Folgender Sachverhalt steht anhand der klaren Aktenlage fest:

Die Beschwerdeführer und andere stellten einen Antrag auf Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 80 auf der *** für einen näher bezeichneten Bereich zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Umgebungslärm und Feinstaub im Gebiet der Marktgemeinde ***, in eventu auf Erlassung von sonstigen geeigneten Verkehrsbeschränkungen in diesem Bereich, gestützt auf § 43 Abs. 2 lit. a StVO. Bezug genommen wurde in diesem Antrag vom 27.04.2016 auf die Luftqualitäts- und die Umgebungslärm-Richtlinie der Europäischen Union (vom 21.05.2008, 2008/50/EG, und vom 25.06.2002, 2002/49/EG). In der Stellungnahme der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer vom 5.09.2016 wiesen diese darauf hin, dass Säumnisbeschwerde erhoben werden würde, sollte nicht über den gestellten Antrag abgesprochen oder die begehrte Verordnung erlassen werden. Der Antrag langte am 28.04.2016 ein, eine bescheidmäßige Erledigung erfolgte bis dato nicht. Die Beschwerdeführer erhoben mit Schreiben vom 16.12.2016 Säumnisbeschwerde beim Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie. Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht leitete dieses die Säumnisbeschwerde samt Aktenkopien mit Schreiben vom 23.02.2017 an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zuständigkeitshalber weiter. Der Beschwerdefall langte am 27. Februar 2017 ein.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Nach § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Die für gegenständlichen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der StVO 1960 lauten auszugsweise:

„§ 43. (1) …

(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung

         a)       für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,

         b)       …

         …

Bezugnahme auf Richtlinien

§ 106. Durch dieses Bundesgesetz, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 54/2006, wird die Richtlinie 2004/54/EG über Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz, ABl. Nr. L 201 vom 7.6.2004, S. 56 in österreichisches Recht umgesetzt.“

Der gegenständliche Antrag langte beim Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie am 28.04.2016 ein, die 6-monatige Entscheidungsfrist nach § 73 AVG ist mit Ablauf des 28.10.2016 ungenutzt verstrichen. Ein Säumnisfall liegt daher vor.

Aus den dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom Bundesverwaltungsgericht Republik Österreich weitergeleiteten Akten ist nicht zu entnehmen, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Nach dem gestellten Antrag wurde eine Stellungnahme des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 07.06.2016 an die Rechtsvertreter der Antragsteller gesendet, diese haben ihrerseits eine Stellungnahme vom 05.09.2016 dazu abgegeben. Nach dieser Stellungnahme liegt kein Aktengang mehr vor. Es war daher – nach der vorliegenden Aktenlage – nach der Stellungnahme der Rechtsvertreter bis zur Erhebung der Säumnisbeschwerde ein Zeitraum von mehr als 3 Monaten Zeit, um einen (negativen) Bescheid über den gestellten Antrag vom 27.04.2016 zu erlassen.

Der Bundesminister hat zwar im Schreiben vom 07.06.2016 an die Beschwerdeführerrechtsvertreter mitgeteilt, es bestünde kein Antragsrecht der Beschwerdeführer auf Erlassung einer Verordnung bzw. im Falle der Nichterlassung auf Erlassung eines ablehnenden Bescheides. Begründet wurde dies damit, dass der Bundesminister weder für eine unmittelbare Anwendbarkeit der Luftqualitäts- noch der Umgebungslärm-Richtlinie zuständig sei. Einen bescheidmäßigen Abspruch über den gestellten Antrag im Fall der Nichterlassung – von diesem ging der Bundesminister aus - unterließ aber der Bundesminister. In der Stellungnahme der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer vom 5.09.2016 wiesen diese darauf hin, dass Säumnisbeschwerde erhoben werden würde, sollte nicht über den gestellten Antrag abgesprochen oder die begehrte Verordnung erlassen werden.

Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ergibt sich daraus, dass ein Antrag auf Erlassung einer Verordnung nach der StVO 1960 gestellt wurde, welche einen Streckenabschnitt der *** in Niederösterreich betrifft. Angelegenheiten der Straßenpolizei fallen unter den Kompetenztatbestand des Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG, woraus sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich nach Art. 131 Abs. 1 B-VG ableitet.

Es ist daher vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich über den gestellten Antrag der Beschwerdeführer vom 27.04.2016 abzusprechen.

§ 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960 regelt eine Verpflichtung der Behörde, Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu erlassen. Ein subjektives Recht auf Erlassung einer derartigen Verordnung ist der StVO 1960 nicht zu entnehmen. Mit der StVO 1960 wird weder die Luftqualitäts-Richtlinie noch die Umgebungslärm-Richtlinie umgesetzt.

Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 8984/1980 ist festgehalten, dass der Wortlaut des § 43 Abs. 2 StVO 1960 dahin gedeutet wird, „dass die dort genannten Gefahren und Belästigungen jene des Straßenverkehrs“ sind.

Ein Fahrverbot zum Schutz der Bevölkerung vor Belästigungen durch Verkehrslärm ergeht im Rahmen des Kompetenztatbestandes „Straßenpolizei“ im Sinne des Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG.

Durch die B-VG Novelle 1988, BGBl. Nr. 685/1988, wurde ein neuer Kompetenztatbestand „Luftreinhaltung, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen“ (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) und somit eine Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung im Bereich der Luftreinhaltung geschaffen. In Zusammenschau mit den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass durch diesen Kompetenztatbestand eine verfassungsrechtliche Grundlage im Kompetenztatbestand „Straßenpolizei“ (Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG) nur mehr für Maßnahmen zur Fernhaltung von Gefahren und Belästigungen durch Lärm besteht.

Das bedeutet für gegenständlichen Beschwerdefall, dass der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Rahmen des § 43 Abs. 2 lit. a StVO lediglich zur Erlassung einer Verordnung zwecks Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen durch Lärm zuständig ist. Daraus ergibt sich, dass – auf Grund verfassungskonformer Interpretation des § 43 Abs. 2 – dieser Bundesminister hinsichtlich des Aspektes Luftschadstoffe nicht zuständig ist.

In der Beschwerde wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2015, Ro 2014/07/0096, vewiesen und dazu vorgebracht, dass die Behörde verpflichtet sei, bei Stellung eines entsprechenden Antrages auf Umsetzung von aus dem Unionsrecht ableitbaren Ansprüchen entweder die begehrte Verordnung zu erlassen oder eine abweisende Erledigung in Form eines bekämpfbaren Bescheides.

In dieser Entscheidung führt der Verwaltungsgerichtshof zum subjektiven Anspruch eines Einzelnen (einer natürlichen oder juristischen Person) auf Anordnung erforderlicher Maßnahmen aus, welcher aus dem Unionsrecht, konkret aus der Luftqualitäts-Richtlinie, abgeleitet wird. Diese Richtlinie wird durch das Immissionsschutzgesetz-Luft umgesetzt. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ist aber für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes nicht zuständig. Daher kann ihm gegenüber auch nicht die Erlassung einer Verordnung zur Umsetzung eines subjektiven Anspruches aus dieser Richtlinie durch Erlassung einer Verordnung nach der StVO geltend gemacht werden. Gleiches gilt für die Erlassung eines negativen Bescheides bei Nichterlassung der begehrten Verordnung.

Es ist daher der Antrag vom 27.04.2016, sofern er sich auf einen Anspruch aus dem Grunde einer Beeinträchtigung der Antragsteller durch Luftschadstoffe richtet, an die falsche Behörde gegangen. Der Bundesminister hätte wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen.

 

Angelegenheiten der Straßenpolizei fallen unter den Kompetenztatbestand nach Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG. Wird eine Behörde im Rahmen dieses Kompetenztatbestandes säumig, ist das örtlich zuständige Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung berufen.

Soweit der Antrag vom 27.04.2016 auf einen unmittelbar aus der Umgebungslärm-Richtlinie abgeleiteten Anspruch auf Erlassung einer Verordnung nach § 43 Abs. 2 lit. a StVO gerichtet ist, ist Folgendes auszuführen:

Die zitierte Bestimmung der StVO ist nicht eine Umsetzung dieser Richtlinie. Dazu erging das Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz, welches in § 14 auch einen Hinweis auf die Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlamentes und Rates vom 25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. Nr. L189 vom 18.07.2002, S. 12 (Umgebungslärm-Richtlinie) enthält.

Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 19.11.2014, C-404/13 (Client Earth) ist darauf hinzuweisen, dass Betroffene bei Nichtbeachtung der Maßnahmen, die in Richtlinien vorgegeben werden, bei den zuständigen Behörden entsprechende Maßnahmen erwirken können.

Auch unter diesem Aspekt ist daher der Antrag vom 27.04.2016, soweit er auf einen Anspruch aus der Umgebungslärm-Richtlinie gestützt ist, als unzulässig zu betrachten.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der Antrag zurückzuweisen war. Von der Durchführung war aber auch gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG abzusehen.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Schlagworte

Verfahrensrecht; Säumnisbeschwerde; Zuständigkeit; Straßenverkehr;

Anmerkung

VwGH 10.12.2018, Ra 2017/02/0122 bis 0124-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2017:LVwG.AV.220.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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