TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/27 LVwG-2018/32/2214

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §360 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl über die Beschwerde von AA, vertreten durch BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.09.2018, **** betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994 nach der Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor Ort

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, wonach verfügt wird, dass die Kälteaggregate auf beiden Klein-LKWs auf dem Grundstück **1 KG X in der Zeit von 00:00 bis 18:00 Uhr außer Betrieb zu nehmen sind.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.09.2018 wird die Schließung des Betriebes des Tiefkühl-LKWs für die gesamte Tag- und Nachtzeit auf dem Grundstück **1 KG X verfügt.

Dagegen hat die Verpflichtete zulässig und rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben.

Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass laut dem Bescheid vom 03.07.2018 eine Messung von der gewerbetechnischen Amtssachverständigen durchgeführt worden sei, wonach der Immissionspegel eingehalten sei. Auch liege eine schriftliche Bestätigung des Nachbarn vor, wonach sich dieser nicht belästigt fühle.

Die Beschwerdefrist sei noch nicht abgelaufen und wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol beantragt.

II.      Sachverhalt:

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 27.01.2010, ****, wurde das Abstellen des TK-LKWs der Marke Opel Movano (bis 3,5 to) auf dem gegenständlichen Grundstück **1 KG X (W ****) betriebsanlagenrechtlich genehmigt.

Laut Betriebsbeschreibung wird das aufgesetzte Tiefkühlaggregat des LKWs mittels Strom betrieben. Der LKW kehrt zwischen 18:00 und 22:00 Uhr auf den Standort W **** zurück und wird das Kälteaggregat mittels Strom in Betrieb genommen. Dies soll fallweise bis ca 23:30 Uhr bzw 24 Uhr erfolgen.

Der LKW wurde gegen ein Fahrzeug der Marke VW Typ Crafter ausgetauscht, nicht jedoch der Kälteaufbau; dieser blieb unverändert.

Es wurde in der Folge ein TK-Klein-KLW angeschafft, der wiederum mit einem Kälteaggregat ausgestattet ist (Aufbau).

Die beiden Kälteaggregate auf den beiden LKWs werden nicht gleichzeitig betrieben sondern jeweils nur ein Aggregat. Die Kälteaggregate der LKWs weisen in etwa den gleichen Schallpegel auf, jedoch ist der Schallpegel des zuerst vorhandenen Kälteaggregates tieffrequenter.

III.     Beweiswürdigung:

Die vorgenannten Sachverhaltsfeststellungen lassen sich aufgrund des vorgelegten behördlichen Aktes treffen und beruhen zudem auf den Ausführungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung am 15.11.2018 vor Ort.

Im Übrigen wurde im Übrigen wurden im Zuge der mündlichen Verhandlung vor Ort durch die gewerbetechnische Amtssachverständige Schallpegelmessungen und durch medizinische Amtssachverständige Hörproben durchgeführt.

IV.      Rechtslage:

Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994):

㤠81

(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

(2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:

         9.       Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,

§ 360

(4) Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stillegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstungen oder deren Nichtverwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, daß zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.

…“

Im Übrigen wird auf die Internetseite https://www.ris.bka.gv.at (Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes) verwiesen.

V.       Erwägungen:

Der Bescheid vom 27.01.2010 (vgl auch die Betriebsbeschreibung und die Einreichunterlagen) ist rechtlich so zu werten, wonach der Betrieb des Tiefkühlaufbaus des LKWs mittels Stromanschluss täglich zwischen 18:00 und 24:00 Uhr als genehmigt anzusehen ist.

Aufgrund der Ausführungen der gewerbetechnischen Amtssachverständigen anlässlich des der mündlichen Verhandlung vor Ort und der durchgeführten Messungen sowie der Beurteilung durch die ebenfalls anwesende medizinische Amtssachverständige, welche auch Hörproben durchgeführt hat, stellt der Ersatz des LKWs Opel Movano gegen einen LKW VW Crafter keine genehmigungspflichtige oder anzeigepflichtige Änderung der Betriebsanlage dar, sondern handelt es sich dabei um eine emissionsneutrale Änderung im Sinn des § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994. Ebenso ist die nunmehr praktizierte Betriebsweise, wonach die beiden Kühlaggregate auf den 2 LKWs abwechselnd betrieben werden auch als emissionsneutral im Sinn der vorgenannten Bestimmung zu bewerten, da die Beurteilung durch die gewerbetechnische Amtssachverständige sowie medizinische Amtssachverständige vor Ort ergeben haben, dass das 2. Kühlaggregat im Ergebnis weniger belästigend ist als das 1. Kühlaggregat (genehmigt mit dem Bescheid vom 27.01.2010). Nachdem eine Einschränkung des Betriebes im Zeitraum zwischen 18:00 und 24:00 dem vorgenannten Bescheid vom 27.01.2010 nicht zu entnehmen ist, ist der abwechselnde Betrieb der beiden Kälteaggregate als emissionsneutral einzustufen.

Dies hat zum Ergebnis, dass der praktizierte Betrieb, wonach die beiden aufgebauten Kälteaggregate abwechselnd mittels Strom betrieben werden, in dem vom Bescheid vom 27.01.2010 umfassten Zeitraum zwischen 18:00 bis 24:00 Uhr vom betriebsanlagenrechtlichen Konsens umfasst ist.

§ 360 Abs 4 GewO 1994 setzt für die Stilllegung einer genehmigten Betriebsanlage oder Teilen davon voraus, dass eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum vorliegt. Eine derartige Gefährdung kann aufbauend auf die Beurteilungen durch die gewerbetechnische Amtssachverständige sowie die medizinische Amtssachverständige im Zuge der mündlichen Verhandlung vor Ort jedoch ausgeschlossen werden. Insofern war die Außerbetriebnahme dieser Anlagenteile im Zeitraum zwischen 18:00 und 24:00 Uhr nicht zu verfügen.

Anders verhält es sich für den Zeitraum zwischen 00:00 Uhr und 18:00 Uhr, da dieser Zeitraum nicht vom Bescheid vom 27.01.2010 umfasst ist.

Der Betrieb der genannten Anlagenteile während dieses Zeitraumes ist sohin nicht genehmigt, weshalb nach § 360 Abs 4 GewO 1994 bereits bei Vorliegen einer unzumutbaren Belästigung für Nachbarn die Stilllegung zu verfügen ist. Eine derartige unzumutbare Belästigung kann aufbauend auf die Beurteilungen durch die gewerbetechnische Amtssachverständige sowie die medizinische Amtssachverständige im Zuge der mündlichen Verhandlung vor Ort erkannt werden, weshalb diesbezüglich zu verfügen war.

In diesem Zusammenhang ist es nicht erheblich, ob sich ein betroffener Nachbar belästigt fühlt sondern ist hier ein objektiver Maßstab anzulegen.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass eine Stilllegung außerhalb der bisher in Betracht kommenden Betriebszeiten (18:00 – 24:00) der redundant betriebenen Kühlaufbauten der LKWs erfolgt.

Zudem ist von der gegenständlichen Maßnahme der mit dem Bescheid vom 03.07.2018, Zahl ****, genehmigte Anlagenteile nicht betroffen. Inwieweit dieser Anlagenteil (Kälteeinheit unterhalb der Stiege) geändert betrieben wird und ob allenfalls weitergehende Maßnahmen (vgl die §§ 79 und 360 GewO 1994) erforderlich sind, wird die belangte Behörde zu entscheiden haben.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Ing. Mag. Peinstingl

(Richter)

Schlagworte

Unzumutbare Belästigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.32.2214

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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