TE Vwgh Beschluss 1999/9/22 98/15/0136

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Veröffentlicht am 22.09.1999
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Index

E1E;
E3L E09301000;
E6J;
000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs7;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art28 Abs3;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art29;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61990CJ0035 Kommission / Spanien;
61996CJ0318 Spar VORAB;
61996CJ0350 Clean Car Autoservice VORAB;
EStG 1972 Kleinbusse Erlaß BMF 18.November 1987;
Steuerliche Einstufung von Kraftfahrzeugen 1996;
StruktAnpG 1996 Art44 Z4;
UStG 1972 §12 Abs2 Z2 litc;
UStG 1994 §12 Abs10;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 litb;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 99/0077 di EU 99/0078 für 99/15/0022 sowie EU 99/0076 für 99/15/0088;* EuGH-Zahl: C-409/99 Metropol Treuhand and Stadler * EuGH-Entscheidung:EuGH 61999CJ0409 8. Jänner 2002 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2002/15/0005 E 31. Jänner 2002 2002/15/0003 E 31. Jänner 2002 VwSlg 7679 F/2002 sowie als Serienerledigung 2002/15/0004 Erk 31. Jänner 2002 (= kein eigenes Dokument in der Judikaturdokumentation);Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):99/15/0088 99/15/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, in den Beschwerdesachen 1.) der Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH in A-8010 Graz, Sporgasse 27, vertreten durch Dr. Klein, Dr. Wuntschek, Dr. Mayerbrucker und Mag. Ulm, Rechtsanwälte in Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 9. Juli 1998, RV 49/1-10/98, betreffend Umsatzsteuer 1996, und vom 21. Dezember 1998, AO 720/7-10/98, betreffend Umsatzsteuer 1997, sowie 2.) des Michael Stadler in A-6923 Lauterach, Lochbachstraße 9, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schöpfstraße 6 b, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 8. März 1999, RV 584/1-V6/98, betreffend Umsatzsteuer 1996, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG, dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, bestimmte Kraftfahrzeuge nach Inkrafttreten der Richtlinie vom Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn der Vorsteuerabzug für diese Kraftfahrzeuge vor Inkrafttreten der Richtlinie aufgrund einer, von den Verwaltungsbehörden tatsächlich geübten Praxis gewährt worden ist ?

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Ist Artikel 17 Absatz 7 Satz 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat ohne vorhergehende Konsultationen iSd Artikel 29 der Richtlinie erlaubt ist, zur Konsolidierung des Budgets bestehende Vorsteuerausschlüsse auf die in Frage 1 genannte Art und Weise unbefristet auszuweiten?

Begründung

I. Sachverhalt

1. Beschwerdesache der Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH

Die Beschwerdeführerin beantragte in ihren Umsatzsteuererklärungen für 1996 und 1997 den Abzug von Vorsteuern für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges der Marke Pontiac TransSport.

Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer für 1996 ohne Berücksichtigung der Vorsteuer aus dem Betrieb des Kraftfahrzeuges mit Bescheid vom 27. April 1998 fest (nachfolgend "Umsatzsteuerbescheid 1996"). Unter Hinweis auf die vom Bundesministerium für Finanzen erlassene Verordnung BGBl 273/1996 führte das Finanzamt aus, Kraftfahrzeuge der Marke Pontiac TransSport seien vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Das Finanzamt änderte jedoch in der Folge seine Rechtsauffassung. Im Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 6. November 1998 gewährte es den Vorsteuerabzug für den Betrieb desselben Kraftfahrzeuges.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Umsatzsteuerbescheid 1996 Berufung. Österreich dürfe gem Artikel 17 Abs 6 Unterabsatz 2 der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie (kurz "USt-RL") nur jene Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die bereits im Zeitpunkt des Beitritts zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 bestanden hätten. Am 1. Jänner 1995 hätten Kleinbusse zur Gänze zum Vorsteuerabzug berechtigt. Durch die Verordnung BGBl 273/1996 sei der Vorsteuerabzug jedoch auf einige wenige Kleinbusse eingeschränkt worden. Der Ausschluss sei nicht aus konjunkturellen, sondern aus rein fiskalischen Gründen und zudem ohne Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses sowie unbefristet erfolgt. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich sei daher bereits von der Kommission eingeleitet worden.

Mit dem, vor dem Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 98/15/0136 angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1996 als unbegründet ab. Die belangte Behörde stellte dabei außer Streit, dass Kraftfahrzeuge der Marke Pontiac TransSport vor Inkrafttreten der Verordnung BGBl 273/1996 tatsächlich als "Kleinbusse" eingestuft wurden und daher vorsteuerabzugsberechtigt waren. Sie führte weiters aus, es sei in sachverhaltsmäßiger Hinsicht unbestritten, dass das Fahrzeug nicht in den durch die genannte Verordnung umschriebenen Kreis der "Klein-Autobusse" falle und daher als Personenkraftwagen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei. Die neue Rechtslage der Verordnung BGBl 273/1996 wäre aber mit Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Richtlinie vereinbar. Die Definition des "Kleinbusses" in der Verordnung sei nämlich in Anlehnung an die bereits vor 1995 bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt. Man habe lediglich eine zu liberale Verwaltungspraxis korrigiert. Die meisten Mitgliedstaaten der EU würden Kosten für die Anschaffung eines PKW vom Vorsteuerabzug ausnehmen. Daraus sei auch die Richtlinienkonformität des Vorsteuerausschlusses von Kleinbussen nach den Bestimmungen der Verordnung BGBl 273/1996 abzuleiten. Solange keine neue USt-RL den Vorsteuerausschluss harmonisiere, dürfe Österreich gem Artikel 17 Abs 6 der 6. USt-RL Kleinbusse als "PKW" behandeln und vom Vorsteuerabzug ausschließen.

Mit dem, vor dem Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 99/15/0022 angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 1998 hob die belangte Behörde den Umsatzsteuerbescheid 1997 von Amts wegen in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes (gem § 299 Abs 2 BAO) auf. Die Zuerkennung des Vorsteuerabzugs für 1997 sei rechtswidrig.

Gegen die angefochtenen Bescheide vom 9. Juli 1998 und vom 21. Dezember 1998 wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung des Vorsteuerabzuges "gemäß geltendem EU-Recht" verletzt. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

2. Beschwerdesache des Michael Stadler

Der Beschwerdeführer beantragte in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1996 den Abzug von Vorsteuern für den Betrieb eines Kraftfahrzeuges der Marke "Fiat Ulysee". Er führte dazu aus, bekanntlich sei "der Vorsteuerabzug aus Kleinbuskosten durch das Sparpaket 1996 eingeschränkt bzw. weggefallen". Aufgrund von "EU-Vorschriften" bestünden Bedenken gegen die Einschränkungen des Vorsteuerabzuges. Der Beschwerdeführer berufe sich auf die Mehrwertsteuerrichtlinie der EU und mache den Vorsteuerabzug für den Kleinbus "Fiat Ulysee" weiter geltend.

Nachdem das Finanzamt im Bescheid vom 1. Dezember 1997 den Vorsteuerabzug versagt hatte, gab die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 99/15/0088 angefochtenen Bescheid vom 8. März 1999 der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde führte dazu in der Begründung aus, dass die im § 12 Abs 2 Z 2 lit c UStG 1972 bzw. § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 gebrauchten Begriffe "Personen- und Kombinationskraftwagen" in der Verordnung BGBl 273/1996 neu definiert würden. Diese Neudefinition sei im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich gewesen. Auch wenn das streitgegenständliche Kraftfahrzeug aufgrund der Definition des Begriffes "Kleinbus" in der angesprochenen Verordnung nun nicht mehr unter diesen Begriff falle, könne darin kein Verstoß gegen EU-Vorschriften gesehen werden. Die zitierte Verordnung konkretisiere nämlich nur den zugrunde liegenden § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994. Eine unzulässige Erweiterung des Vorsteuerausschlusses im Sinne des Art 17 Abs 6 der 6. USt-RL liege nicht vor.

In der gegen den angefochtenen Bescheid vom 8. März 1999 eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geltendmachung der Vorsteuer bezüglich des Fahrzeuges "Fiat-Ulysee" gemäß der 6. USt-RL, insbesondere Art 17 Abs 6 und 7, verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts § 12 Abs 2 Z 2 lit c UStG 1972 in der Fassung des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977, BGBl 645/1977, ist mit 1. Jänner 1978 in Kraft getretenen und normiert:

"Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen oder sonstige Leistungen, ...

die in Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich dem Zweck der gewerblichen Weiterveräußerung, der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen."

Durch das Bundesgesetz BGBl 419/1989 erhielt die Bestimmung folgenden Wortlaut:

"Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen oder sonstige Leistungen, ...

die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen."

Diese Bestimmung ist unverändert als § 12 Abs 2 Z 2 lit b in das mit 1. Jänner 1995 in Kraft getretene UStG 1994 übernommen worden.

Mit einem, an die Finanzverwaltung gerichteten Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 18. November 1987, Z 09 1202/4-IV/9/87, veröffentlicht in Amtsblatt der Finanzverwaltung, AÖF 1987/330, wird zu dieser Bestimmung angeordnet :

"Im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise im Bundesgebiet wird aus gegebenem Anlass zur Frage der steuerlichen Behandlung von Kleinbussen eröffnet:

Kleinbusse fallen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unter die für Personen- und Kombinationskraftwagen geltenden einschränkenden steuerlichen Bestimmungen. Für Kleinbusse besteht daher grundsätzlich die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges und der Inanspruchnahme von Investitionsbegünstigungen.

Unter einem Kleinbus ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ein Fahrzeug zu verstehen, das ein kastenwagenförmiges Äußeres sowie Beförderungsmöglichkeiten für mehr als sechs Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) aufweist. Bei der Beurteilung der Personenbeförderungskapazität ist nicht auf die tatsächlich vorhandene Anzahl der Sitzplätze, sondern auf die maximal zulässige Personenbeförderungsmöglichkeit abzustellen. Es ist auch unmaßgebend, ob ein nach diesen Kriterien als Kleinbus anerkanntes Fahrzeug Zwecken des Personentransportes oder des Lastentransportes dient oder kombiniert eingesetzt wird. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist allerdings die nachweislich überwiegende unternehmerische bzw. betriebliche Nutzung des Fahrzeuges.

Von der vorstehenden Beurteilung zu unterscheiden ist die Frage des Umsatzsteuersatzes für Kleinbusse, die von der zolltarifarischen Eingliederung abhängt.

Kleinbusse, die nur für die Beförderung von Personen oder sowohl für die Beförderung von Personen als auch für den Transport von Waren eingerichtet sind, fallen unter die Zolltarifnummer 87.02 B (bzw ab 1. Jänner 1988 unter die Nummer 8703). Für die Lieferungen, die Vermietung, den Eigenverbrauch und die Einfuhr derartiger Kleinbusse kommt daher gemäß § 10 Abs 4 UStG 1972 in Verbindung mit Z 4 (bzw ab 1. Jänner 1988 Z 3) der Anlage B der erhöhte Steuersatz von 32% zur Anwendung. Kraftfahrzeuge mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kleinbusses, die jedoch zur Warenbeförderung eingerichtet sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zum Transport von mehr als neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) gebaut sind (Autobusse), sind hingegen in der Anlage B zu § 10 Abs 4 UStG 1972 nicht erfasst und unterliegen dem Normalsteuersatz."

Bis zum Inkrafttreten der Verordnung 273/1996 erfolgte nach der Verwaltungspraxis die Einstufung als Kleinbus nach den Grundsätzen dieses die Verwaltungsbehörden als Weisung bindenden Erlasses. Dabei waren nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen zum Beispiel folgende Kraftfahrzeuge als "Kleinbusse" anzusehen (vgl Kranich, Siegl, Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, ErgLfg März 1994, 137p zu § 12):

Chevrolet Sport VAN und Astro VAN, Chrysler Grande Voyager, Chrysler Ram VAN, Chrysler Voyager, Citroen C 25, Ford Aerostar, Ford Mercury Villager, Ford Transit, Hyundai H 100, Isuzu WFR und WFS 53 und Midi, Iveco Daily, Mazda MPV, Mercedes 207, 208, 209, 210, 307, 309 und MB 100, Mitsubishi L 300, Nissan Serena-C23, Nissan Urvan, Nissan Vanette, Peugeot 806 (221), Peugeot Boxer, Peugeot J 5, Pontiac Trans Sport, Renault Espace, Renault Trafic, Steyr-Fiat Ducato, Toyota Hi Ace, Toyota Lite Ace, Toyota Previa, VW Caravelle, Hochraumkombi, Kombi, Kombi 800, Kombi CL, LT 28, Multivan und Vanagon.

Der in der Beschwerdesache des Michael Stadler strittige "Fiat-Ulysee" ist beispielsweise in einer in der SWK Nr. 31/1995, Seiten A 660 ff, abgedruckten aktuellen Liste der Kleinlastkraftwagen und Kleinbusse (Stand 30. September 1995) als Kleinbus angeführt.

In Artikel 44 Z 4 des StrukturanpassungsG 1996 vom 30. April 1996, BGBl 201/1996 wurde dem § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 folgender Unterabsatz angefügt: "Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung die Begriffe Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen näher bestimmen. Die Verordnung kann mit Wirkung ab 15. Februar 1996 erlassen werden.'' Auf dieser Grundlage legte der Bundesminister für Finanzen mit einer, an die Allgemeinheit gerichteten und im BGBl 273/1996 veröffentlichten Verordnung vom 20. Juni 1996 (kurz "Verordnung BGBl 273/1996") zu § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 verbindlich fest:

"§ 1. Lastkraftwagen und Klein-Autobusse fallen nicht unter die Begriffe Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen.

...

§ 10. Klein-Autobusse, auch wenn sie kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft sind, sind steuerrechtlich keine Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, wenn sie eine einem Autobus entsprechende Form aufweisen und weiters eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

1. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und enthält zusätzlich einen Gepäcksraum im Fahrzeuginneren. Die erste Sitzreihe ist bereits werkseitig mit drei fixen Sitzplätzen ausgestattet.

2. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens sieben Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und weist bereits werkseitig hinter der dritten Sitzreihe in hinterster Position einen Laderaum mit einer Länge von mindestens 500 mm auf. Diese Länge muss im Durchschnitt vom Laderaumboden bis zur Höhe von 500 mm über dem Laderaumboden erreicht werden."

Die Verordnung BGBl 273/1996 ist rückwirkend mit 15. Februar 1996 in Kraft getreten.

III. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts

Artikel 17 Abs 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG (kurz "Richtlinie") lautet:

"Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraumes von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repäsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind."

Artikel 17 Abs 7 der Richtlinie lautet:

"Vorbehaltlich der im Artikel 29 vorgesehenen Konsultationen kann jeder Mitgliedstaat aus Konjunkturgründen die Investitionsgüter oder bestimmte Investitionsgüter oder andere Gegenstände von der Vorsteuerabzugsregelung teilweise oder ganz ausschließen. Die Mitgliedstaaten können zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen - anstatt den Vorsteuerabzug abzulehnen - die Gegenstände, welche der Steuerpflichtige selbst hergestellt oder im Inland erworben oder auch eingeführt hat, in der Weise besteuern, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim Erwerb entsprechender Gegenstände zu entrichten wäre".

IV. Voraussetzungen der Vorlage :

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht iSd Artikels 234 EG (siehe die Beschlüsse des VwGH vom 18. September 1996,

96/15/0065 = EuGH Rs C-318/96, Urteil vom 19.2.1998, Slg 1998

I 0785; vom 8. Oktober 1996, 95/04/0253 = EuGH Rs 350/96, Urteil

vom 7.5.1998, Slg 1998 I-2521) und daher zur Vorlage von Fragen betreffend die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften berechtigt und als letzte Instanz verpflichtet, so er die Beantwortung dieser Fragen, wie hier im konkreten Fall, zur Lösung eines bei ihm anhängigen Rechtsstreits als notwendig erachtet.

V. Erläuterungen zur Vorlagefrage :

Seit dem 1. Jänner 1978, also vor Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, wurden in Österreich die Vorsteuern aus der Anschaffung, der Miete und dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen und Krafträdern grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen.

Eine Definition der Begriffe "Personenkraftwagen" (kurz "PKW") und "Kombinationskraftwagen" (kurz "Kombi") bzw Abgrenzungsmerkmale gegenüber dem Begriff der zum Vorsteuerabzug berechtigenden "Lastkraftwagen" (kurz "LKW") und "Kleinbusse" kann § 12 Abs 2 Z 2 lit c UStG 1972 und § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 nicht entnommen werden.

Der Bundesminister für Finanzen hat in dem unter II.) wiedergegebenen Erlass vom 18. November 1987 an die Finanzverwaltung die Merkmale angeführt, die für einen "Kleinbus" und gegen einen "PKW" sprechen sollen. Anzumerken ist, dass die in der Beschwerde des Michael Stadler genannte Verordnung BGBl 134/1993 "Kleinbusse" nicht betrifft und daher auch in diesem Beschwerdefall nur der Erlass vom 18. November 1987 als Grundlage für die ständige Verwaltungspraxis diente. Wies ein Kraftfahrzeug die im Erlass vom 18. November 1987 beschriebene Beschaffenheit auf und wurde es überwiegend betrieblich genutzt, so gewährte die Finanzverwaltung in ständiger Praxis den Vorsteuerabzug. Auch die streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge der Marke "Pontiac TransSport" und "Fiat Ulysee" wurden in der Praxis der Finanzverwaltung als "Kleinbus" im Sinne des Erlasses angesehen und zum Vorsteuerabzug zugelassen.

Mit dem StrukturanpassungsG 1996 ermächtigte der österreichische Gesetzgeber den Bundesminister für Finanzen, den Begriff des "PKW" im Verordnungsweg zu definieren (siehe § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994, letzter Unterabsatz). Die darauf hin erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl 273/1996 legt die Merkmale eines "Kleinbusses" wesentlich enger fest als die bis dahin bestehende Verwaltungspraxis (festgelegt im Erlass vom 18. November 1987). Es steht in den gegenständlichen Fällen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht außer Streit, dass KFZ der Marken Pontiac TransSport und Fiat Ulysee den neuen Kriterien nicht genügen.

In den Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof stellt sich nun das Problem, ob mit der Verordnung BGBl 273/1996 eine Ausweitung von Vorsteuerausschlüssen eingetreten ist, die wegen eines Verstoßes gegen Artikel 17 der Richtlinie verdrängt ist.

Dies wird von den belangten Behörden mit der Begründung verneint, dass die neue Definition in der Verordnung BGBl 273/1996 in Anlehnung an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt sei, die schon vor 1995 bestanden habe. Die Verordnung BGBl 273/1996 würde sich lediglich "wieder enger an die vorhandene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes" anlehnen. Dem ist aber aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, dass der Gerichtshof weder vor 1995, noch danach zu beurteilen hatte, ob ein Fahrzeug der Marke "Pontiac TransSport" oder "Fiat Ulysee" als PKW bzw Kombi oder aber als Kleinbus einzustufen ist. Abgesehen davon hat sich die Verwaltungspraxis der Abgabenbehörden an dem Erlass aus dem Jahr 1987 orientiert.

Der Vorsteuerabzug für KFZ der Marke "Pontiac TransSport" und "Fiat Ulysee" war sohin aufgrund einer von den Verwaltungsbehörden tatsächlich bis 14. Februar 1996 geübten Praxis zulässig und wurde erst für danach liegende Zeiträume durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen ausgeschlossen. An die Verordnung BGBl 273/1996 sind sämtliche Finanzbehörden (Artikel 20 Abs 1 B-VG), aber auch der Verwaltungsgerichtshof bei Auslegung des § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 gebunden.

Angemerkt wird, dass nach dem Wortlaut der Regelung des § 12 Abs 2 Z 2 lit c UStG 1972 und jener des ab 1. Jänner 1995 geltenden § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 Lieferungen und sonstige Leistungen in Zusammenhang mit PKW und Kombi nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, 91/15/0045) ist dieser Bestimmung aber die Bedeutung beizulegen, dass ein bloßer Vorsteuerausschluss vorliegt; daher ist etwa im Falle der Änderung der Verhältnisse eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges iSd § 12 Abs 10 UStG vorzunehmen (vgl zur Erläuterung der Judikatur Ruppe, UStG 19942, § 12 Tz 214f).

Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich im gegebenen Zusammenhang zunächst die Frage, ob die Übergangsbestimmung des Artikel 17 Abs 6 Unterabsatz 2 der Richtlinie wegen ihres Ausnahmecharakters überhaupt auf Mitgliedstaaten anzuwenden ist, die - wie Österreich - den Europäischen Gemeinschaften erst nach Inkrafttreten der Richtlinie beigetreten sind. Dazu wird in der österreichischen Lehre (vgl hiezu Tumpel, Vorsteuerabzug für Personenkraftwagen und Gemeinschaftsrecht, ÖStZ 1998, 490; ähnlich die Auffassung der EG-Kommission zu Artikel 28 Abs 3 der Richtlinie in der Rs C-35/90, Urteil des EuGH vom 17. Oktober 1991, Kommission gegen Spanien, Slg 1991, I-5073, Rdnr 3) die Ansicht vertreten, dass Artikel 17 Abs 6 Unterabsatz 2 als "Ausnahmebestimmung" eng auszulegen sei und daher nur den ursprünglichen Mitgliedstaaten die Beibehaltung bestehender Vorsteuerausschlüsse erlaubt wäre.

Diese Rechtsauffassung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof als unzutreffend, weil neue Mitgliedstaaten in Ermangelung besonderer Bestimmungen nicht nur alle sich aus dem acquis communautaire ergebenden Pflichten, sondern auch alle Rechte erwerben und damit auch das Recht auf Beibehaltung bestehender Vorsteuerausschlüsse (siehe die Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro vom 7. Mai 1991 in der Rs C-35/90, Kommission gegen Spanien, Slg 1991, I-5073, Rdnr 6). Außerdem ist festzuhalten, dass die später beigetretenen Mitgliedstaaten genauso wie die Gründungsmitglieder oder die vorher beigetretenen Mitgliedstaaten umfangreiche Anpassungen ihrer Rechtsordnung durchzuführen haben und daher in gleicher Weise einen Bedarf an Übergangsregelungen aufweisen.

Legt man Artikel 17 Abs 6 der Richtlinie die Bedeutung bei, dass ein zum 1. Jänner 1995 beigetretener Mitgliedstaat jene Vorsteuerausschlüsse beibehalten darf, die zu diesem Zeitpunkt in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind, so ist das Problem zu lösen, was unter den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu verstehen ist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist es denkbar, dass nicht nur innerstaatliche Gesetze und Verordnungen, sondern auch eine durch Erlass eines Bundesministers angeordnete ständige Verwaltungspraxis zu jenen Rechtsvorschriften zählen kann, die den Stand an Vorsteuerausschlüssen fixieren, der nicht mehr ausgeweitet werden darf. Dafür spricht, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind, der Spielraum des Mitgliedstaates zur Schaffung neuer Vorsteuerausschlüsse daher nicht ausgeweitet werden soll.

Sollte sich die Ausweitung der Vorsteuerausschlüsse gegenüber einer im Zeitpunkt des Beitrittes eines neuen Mitgliedstaates bestehenden Verwaltungspraxis nicht auf Artikel 17 Abs 6 der Richtlinie stützen können, ist zu prüfen, ob die konjunkturellen Gründe iSd Artikel 17 Absatz 7 der Richtlinie eine Grundlage für eine solche Ausweitung sein können. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird daher auch die Frage vorgelegt, ob als "Konjunkturgründe" auch Maßnahmen anzusehen sind, die ein Mitgliedstaat unbefristet ergreift und die der dauerhaften Konsolidierung seines Budgets dienen sollen. Dazu ist näher auszuführen, dass die Verordnung BGBl 273/1996 auf einer Ermächtigung des Gesetzgebers basiert, die als Zusatz in § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994 mit einem, als "Strukturanpassungsgesetz" überschriebenen Bundesgesetz (BGBl 201/1996) eingeführt wurde. Das "Strukturanpassungsgesetz" war nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage als Teil eines "Konsolidierungsprogramms" der Bundesregierung zur Senkung des Budgetdefizits und Rückzahlung der Staatsschulden konzipiert (siehe Erläuterungen zur Regierungsvorlage, GP XX RV 72, S 196).

Da aus der Richtlinie 77/388/EWG selbst (weder aus dem normativen Teil, noch aus der Präambel) bzw aus der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Richtlinie keine klare Antwort auf die dargelegten Rechtsfragen ersichtlich ist, scheint die Lösung für den Verwaltungsgerichtshof nicht "derart offenkundig", dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T (Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg 1982, S 3415 ff) kein Raum bliebe. Die eingangs genannten Fragen werden daher an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gem Artikel 234 EG vorgelegt.

Wien, am 22. September 1999

Gerichtsentscheidung

EuGH 61996CJ0318 Spar VORAB;
EuGH 61996CJ0350 Clean Car Autoservice VORAB;
EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998150136.X00

Im RIS seit

05.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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