TE OGH 1984/4/12 8Ob542/84

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Veröffentlicht am 12.04.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann R*****, vertreten durch Dr. Franz Eisner, Dr. Josef Peissl, Rechtsanwälte in Köflach, wider die beklagten Parteien 1.) Hans K*****, 2.) Harald K*****, wegen 23.000 S sA, infolge Rekurses der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 23. Dezember 1983, GZ 4 R 181/83-9, womit die Berufung des Erstbeklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 8. August 1983, GZ 3 C 222/83-5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird behoben und die Rechtssache betreffend den Rekurswerber zur Fortsetzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Herbert L*****, Günter K*****, der Erstbeklagte Hans K***** und der Zweitbeklagte Harald K***** haben am 23. 1. 1982 in K***** in bewusst gemeinsamen Zusammenwirken ua den Kläger Johann R***** am Körper verletzt. Der Kläger erlitt ein Schädelhirntrauma, Rissquetschwunden und Abschürfungen. Die vier Beschuldigten wurden deshalb vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt. Mit Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 10. 8. 1982, GZ 3 C 377/82-2, wurde Günter K***** rechtskräftig schuldig erkannt, dem Kläger ein Schmerzengeld von 23.000 S sA zu ersetzen. Im gegenständlichen Rechtsstreit (3 C 222/83 des Bezirksgerichts Voitsberg) wurde der Zweitbeklagte Harald K***** mit Versäumungsurteil vom 17. 5. 1983 – dessen Zustellung bzw Rechtskraft allerdings nicht aktenkundig ist – schuldig erkannt, zur ungeteilten Hand mit Günter K***** und Johann K***** (der Vorname wurde hier nicht berichtigt) dem Kläger Johann R***** ein Schmerzengeld von 23.000 S sA zu bezahlen und Prozesskosten zu ersetzen.

Das Erstgericht erkannte den Erstbeklagten, dessen Namen auf Hans K***** berichtigt worden war, zur ungeteilten Hand mit Harald K***** und Günter K***** schuldig, dem Kläger Johann R***** den Betrag von 23.000 S sA zu bezahlen und die Prozesskosten zu ersetzen. Dieses Urteil wurde dem Johann K*****, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten, am 7. 9. 1983 – allerdings ohne Rechtsmittelbelehrung – zugestellt. Mit einer am 8. 9. 1983 zur Post gegebenen, auch vom Erstbeklagten Hans K***** selbst unterfertigten Eingabe erklärte der Erstbeklagte, gegen das Urteil „Einspruch“ zu erheben. Er führte in dieser Eingabe im Wesentlichen aus, dass er gegen die Haftung zur ungeteilten Hand Berufung einlege; Herbert L***** sei in dieser Verurteilung nicht einbezogen worden; die Schmerzengeldforderung von 23.000 S und auch die Prozesskosten seien anteilsmäßig (zu je einem Viertel) vorzuschreiben. Ein Berufungsantrag ist in der Eingabe nicht enthalten. Das Erstgericht stellte die Eingabe urschriftlich zur „Verbesserung binnen 8 Tagen (Beibringung einer Unterschrift eines Anwaltes, geeignete Anträge)“ an den Prozessbevollmächtigten Johann K***** zurück; die Postsendung wurde am 23. 9. 1983 von Johann K***** in Empfang genommen. Dieser und der – wiederum mitunterfertigende – Erstbeklagte Hans K***** sendeten am 27. 9. 1983 die ursprüngliche Eingabe dem Erstgericht zurück mit der Bitte, „diesen Fall so wie in der Berufung gebeten zu entscheiden“. Weiters teilten sie mit, dass sie nicht in der Lage seien, die Kosten eines Rechtsanwaltes zu bestreiten; „Recht müßte es auch ohne Rechtsanwalt geben.“

Der Kläger hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels als Einspruch sei gemäß § 84 Abs 2 ZPO unerheblich. Die als Berufung anzusehende Eingabe stelle jedoch kein wirksames Rechtsmittel dar. Im Berufungsverfahren müssten die Parteien gemäß § 463 Abs 2 ZPO durch Rechtsanwälte vertreten sein. Deshalb habe das Erstgericht das Rechtsmittel zutreffend unter Setzung einer Verbesserungsfrist zur Beibringung der Unterschrift eines Rechtsanwalts (Behebung eines Formgebrechens) zurückgestellt. Auch das Fehlen eines Berufungsantrags sei iSd § 84 Abs 3 ZPO idF der ZVN 1983, BGBl Nr 135, als ein solches Formgebrechen anzusehen. Die Zurückstellung des Schriftsatzes und Fristsetzung für seine Wiederanbringung beruhe auf § 85 Abs 1 und 2 ZPO. Allfällige Zustellmängel seien dadurch geheilt, dass der zurückgestellte Schriftsatz dem Erstbeklagten Hans K***** offensichtlich zugekommen sei (§ 7 ZustellG). Der Erstbeklagte habe innerhalb der ihm gesetzten Frist weder die gerichtlichen Verbesserungsaufträge befolgt noch die Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt. Letzteres gehe trotz des Hinweises, zur Tragung der Kosten des Rechtsanwalts nicht in der Lage zu sein, aus der Wendung „Recht müßte es auch ohne Rechtsanwalt geben“ klar hervor. Die Berufung könne daher gemäß § 85 Abs 2 ZPO nicht als am Tage ihres ersten Einlangens überreicht angesehen werden; die Verbesserungsfrist und damit auch die Rechtsmittelfrist seien ungenützt verstrichen, die Berufung sei daher als verspätet anzusehen. Überdies mache das Fehlen eines geeigneten Berufungsantrags die Berufung unzulässig.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich der Rekurs des Erstbeklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben und die Berufung als zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung nicht geeignet an das Erstgericht zur Vornahme einer neuerlichen Verbesserung zurückzustellen, allenfalls, dem Berufungsgericht die gesetzmäßige Fortsetzung des Berufungsverfahrens aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Erstbeklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, das Erstgericht wäre gemäß § 432 ZPO verpflichtet gewesen, den rechtsunkundigen Erstbeklagten bzw dessen ebenfalls rechtsunkundigen Vertreter insbesondere auch über die Möglichkeit der Beigabe eines Verfahrenshilfeanwalts zu belehren. Der schriftliche Verbesserungsauftrag sei ungeeignet, einen Fristablauf herbeizuführen, da er der Vorschrift des § 432 ZPO nicht entspreche.

Diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwidern: Wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob, müssen die Parteien gemäß § 463 Abs 2 ZPO im Berufungsverfahren durch Rechtsanwälte vertreten sein. Gemäß § 467 Z 5 ZPO hat die Berufung die Unterschrift eines Rechtsanwalts zu enthalten. Die Zurückstellung der vom Erstbeklagten ohne Unterschrift eines Rechtsanwalts eingebrachten Rechtsmittelschrift, die überdies keinen geeigneten Rechtsmittelantrag enthielt, zur Verbesserung unter Fristsetzung, findet daher an sich in der Vorschrift des § 85 ZPO ihre Deckung. Das Erstgericht hat allerdings weder seinem Urteil vom 8. 8. 1983 eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, noch im Verbesserungsauftrag vom 19. 9. 1983 den rechtsunkundigen Erstbeklagten bzw dessen ebenfalls rechtsunkundigen Vertreter auf die Möglichkeit der Bewilligung der Verfahrenshilfe und der Beigebung eines Rechtsanwalts hingewiesen. Unter diesen Umständen kann aber die innerhalb der achttägigen Verbesserungsfrist vom Erstbeklagten und seinem Vertreter an das Erstgericht gerichtete Eingabe, die den Satz enthält: „... denn mein Sohn noch ich bin in der Lage, die Kosten eines Rechtsanwaltes zu bestreiten. Recht müßte es auch ohne Rechtsanwalt geben“ als Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verbesserung der Berufung gewertet werden. Gemäß § 85 Abs 2 ZPO idF der ZVN 1983 beginnt, wenn eine die Verfahrenshilfe beantragende Partei innerhalb der zur Verbesserung gesetzten Frist die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt, die Verbesserungsfrist mit der Zustellung des Bescheids über die Bestellung des Rechtsanwalts, bzw mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, womit die Beigebung eines Rechtsanwalts versagt wird, zu laufen. Nun ist zwar dem Erstbeklagten aufgrund seines nach entsprechender Belehrung durch das Berufungsgericht gestellten Antrags vom 19. 1. 1984 die Verfahrenshilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigegeben worden, letzterer aber nur für die Erhebung des Rekurses gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. 12. 1983, mit dem die Berufung des Erstbeklagten zurückgewiesen wurde, nicht aber zur Verbesserung der Berufung, was der Erstbeklagte in seiner innerhalb der Verbesserungsfrist eingebrachten Eingabe jedoch offenbar anstrebte. Die Verbesserungsfrist hat daher gemäß § 85 Abs 2 dritter Satz ZPO noch gar nicht zu laufen begonnen. Damit ist aber auch die Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts noch nicht abgelaufen, weshalb die Zurückweisung dieses Rechtsmittels durch das Berufungsgericht nicht gerechtfertigt war. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss zu beheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren nunmehr die Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verbesserung der Berufung des Erstbeklagten zu veranlassen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E123307

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00542.840.0412.000

Im RIS seit

30.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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