TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/26 B2357/95

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
AVG §62 Abs1
AVG §73 Abs1
WRG 1959 §99 Abs1

Leitsatz

Bescheidqualität einer nicht an alle Parteien des Verfahrens zugestellten Erledigung; keine Kontrolle der objektiven Richtigkeit des angefochtenen Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof; Zurückweisung der Beschwerde gegen die Unterlassung der Erledigung eines Teiles des Feststellungsbegehrens; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Inanspruchnahme der Zuständigkeit zur Entscheidung über einen vor Ablauf der sechsmonatigen Frist des AVG gestellten Devolutionsantrag

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die "Unterlassung der Erledigung eines Teiles des Feststellungsbegehrens" richtet.

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Spruchpunkt II. des Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. November 1961, Z96.526/19-65.115/61, wurde das Vorhaben der Stadt Linz, den Tankhafen "West" auszubauen, zum bevorzugten Wasserbau erklärt. Mit Bescheid desselben Bundesministers vom 18. Jänner 1962, Z96.526/23-112.164/61, wurde dafür die wasserrechtliche Bewilligung erteilt. In der Folge enteignete der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 13. Juli 1963, Z Wa-1072/2-1963/Sta, zugunsten der Stadtgemeinde Linz, und zwar zur Ausführung des Tankhafenbeckens "West", eine Reihe von Grundstücken, die im bücherlichen Eigentum der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten - dessen Alleinerbin sie nunmehr ist - standen und in der EZ 22, KG Lustenau, vorgetragen waren, nämlich die GP 694 und Teile der GP 718/1, 720 und 721/1, insgesamt

12.991 m2. (Der Bescheid, gegen den vor dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhoben ist, nennt als Enteignungsbescheid jenen vom 23. Juli 1962, Z Wa-1729/3-1962, der sich aber unter den vorgelegten Verwaltungsakten nicht findet.) Gegen diesen Bescheid - jedoch nur hinsichtlich der Höhe der Entschädigung (Spruchpunkt II.) und nicht der Enteignung selbst - brachten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte eine Berufung ein; darüber entschied der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 9. September 1964, Z96.526/47-65.325/64, und änderte den erstinstanzlichen Bescheid im angefochtenen Punkt geringfügig ab.

1.1.2. Mit Aufsandungserklärung vom 15. Juli 1968 erteilte die Stadt Linz die Einwilligung, daß ob der nunmehrigen (in EZ 1586, KG Lustenau, vorgetragenen) GP 682/2 (einem Teil der seinerzeitigen GP 694) das Eigentumsrecht für die "Linzer Elektrizitäts- und Straßenbahn-Aktiengesellschaft" (die heutige "Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft") einverleibt werde. Die Stadt Linz hatte dieses Grundstück im Rahmen einer Kapitalerhöhung als Sacheinlage eingebracht. In der Folge wurde auf dieser Liegenschaft das Fernheizkraftwerk Nebingerstraße errichtet.

1.2.1. Mit Eingabe vom 18. Mai 1988 stellte die Beschwerdeführerin an den Landeshauptmann von Oberösterreich den Antrag,

"er möge

1. feststellen, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juli 1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten L und A S enteigneten Grundparzellen, und zwar die heutigen GP 721/19, 721/21 (nach dem Antragsvorbringen gemeint wohl 721/20), der Teil der heutigen GP 721/21, der zum Enteignungszeitpunkt zur GP 718/1 gehörte, sowie der Teil der enteigneten GP 694/1 und 694/2, der mit Grundteilungsplan Nr. 114/67 der GP 682/2 zugeschrieben wurde, nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den sie enteignet wurden.

2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juli 1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, aufheben."

1.2.2. Einen in der Folge (am 17. August 1989) eingebrachten Devolutionsantrag iSd §73 Abs2 AVG wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 19. April 1994, Z14.870/02-I 4/94, ab, da die wasserrechtliche Überprüfung des Tankhafenbeckens "West" ausständig und die Übereinstimmung der ausgeführten Anlage mit der Bewilligung eine Vorfrage im Rückübereignungsverfahren gewesen sei, sodaß die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden des Landeshauptmannes zurückzuführen sei. Im Rahmen der Kollaudierung habe sich gezeigt, "daß die enteigneten Grundstücke, auf denen das Fernheizwerk errichtet wurde, außerhalb des Projektsbereiches des seinerzeitigen Hafenprojektes lagen" (vgl. den Kollaudierungsbescheid desselben Bundesministers vom 22. April 1994, Z14.872/06-I 4/93, mit dem ua. Anträge bzw. Einwendungen der Beschwerdeführerin abgewiesen wurden, da die entsprechenden Grundstück(steil)e nicht mehr im Projektsgebiet lägen und von den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden nicht umfaßt seien). Dieser Bescheid des Bundesministers langte am 29. April 1994 beim Landeshauptmann von Oberösterreich ein.

1.3.1. Mit Schreiben vom 3. Juni 1994 (im Amt der oberösterreichischen Landesregierung eingelangt am 8. Juni 1994) modifizierte die Beschwerdeführerin ihren Antrag an den Landeshauptmann von Oberösterreich, sodaß er lautete:

"1. Der Landeshauptmann von Oberösterreich möge feststellen, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.7.1963, Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten L und A S enteigneten Grundparzellen, und zwar die damals in der EZ 22, KG Lustenau, vorgetragenen Grundparzellen Nr. 694, Garten, sowie Teile der Grundstücke 718/1, Garten, 720, Acker und 721/1, Acker, KG Lustenau, nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den im Wasserrechtsgesetz die Enteignung vorgesehen ist sowie

2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.7.1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, aufheben."

Die Beschwerdeführerin führte dazu aus, das Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG) sehe (auch) eine Enteignung zum Zwecke des Baues einer Straße (hier: Industriezeile und Nebingerstraße) nicht vor. Es werde daher nunmehr die Feststellung begehrt, daß keines der seinerzeit enteigneten Grundstücke widmungsgemäß verwendet worden sei.

1.3.2. Der Landeshauptmann von Oberösterreich entschied weiterhin nicht über den Antrag der Beschwerdeführerin. Mit Schriftsatz vom 8. November 1994 (eingelangt bei der belangten Behörde am 11. November 1994) brachte sie neuerlich einen Devolutionsantrag ein und modifizierte ihr Begehren mit Eingabe vom 27. April 1995 (an die belangte Behörde) wiederum, sodaß es wie folgt lautete:

"1. Der Landeshauptmann von Oberösterreich möge feststellen, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.07.1963, Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten L und A S enteigneten Grundparzellen, und zwar die damals der EZ 22, KG Lustenau, vorgetragenen Grundparzellen Nr. 694, Garten, sowie Teile der Grundstücke 718/1, Garten, 720, Acker und 721/1, Acker, KG Lustenau, nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den im Wasserrechtsgesetz die Enteignung vorgesehen ist und daß daher kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der mit Bescheid vom 13.07.1963, Wa-1072/2-1963/Sta ausgesprochenen Enteignung besteht sowie

2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.07.1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, aufheben und aussprechen, daß der Rechtsgrund für die Enteignung obiger Grundstücke weggefallen ist."

Daraufhin erließ der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft den Bescheid (in der Folge der Einfachheit halber als angefochtener Bescheid bezeichnet) mit folgendem Spruch:

"Auf Grund der Anträge ... vom 18. Mai 1988 und vom 27. Mai 1995 wird

I.) gemäß §56 AVG festgestellt, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juli 1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten L und A S enteigneten Grundparzellen, und zwar die damals der EZ 22, KG Lustenau, vorgetragenen Grundparzellen Nr. 694, Garten, sowie Teile der Grundstücke Nr. 718/1, Garten, Nr. 720, Acker und Nr. 721/1 Acker, KG Lustenau, nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den sie enteignet wurden.

II.) Dem Antrag, den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juli 1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, gemäß §68 Abs4 AVG aufzuheben, wird nicht stattgegeben."

Die Begründung des Bescheides zu Spruchpunkt I. befaßt sich nur mit der Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden. Zu Spruchpunkt II. wird ausgeführt, nach §68 Abs5 AVG sei die Nichtigerklärung eines Bescheides gemäß §68 Abs4 lita (gemeint: Z1) AVG nur innerhalb von drei Jahren nach seiner Erlassung zulässig, der Enteignungsbescheid sei jedoch bereits 1963 erlassen worden und könne daher nicht gemäß §68 Abs4 AVG aufgehoben werden. Eine Aufhebung oder Abänderung nach §68 Abs2 oder 3 AVG komme nicht in Frage, da diese Tatbestände nicht erfüllt seien.

2.1. Gegen Spruchpunkt II. des Bescheides und die "Unterlassung der Erledigung eines Teiles des Feststellungsbegehrens" wendet sich die Beschwerde, welche die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK behauptet. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8980/1980, 8981/1980, 8982/1980, 11160/1986, 13166/1992) bestehe in einem Fall zweckverfehlender Enteignung wie dem vorliegenden ein Anspruch auf Feststellung und ein Anspruch auf Aufhebung des Enteignungsbescheides. Weiters habe die belangte Behörde einen Teil des Feststellungsbegehrens der Beschwerdeführerin nicht erledigt, nämlich die Anträge auf Feststellung, daß kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Enteignung bestehe und daß der Rechtsgrund für die Enteignung der Grundstücke weggefallen sei (also jene Anträge, die erst am 27. April 1995 gestellt worden waren).

2.2. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte und ua. ausführte, die begehrte Aufhebung des Enteignungsbescheides hätte nicht dazu geführt, daß die Beschwerdeführerin das Eigentumsrecht zurückerhalten hätte. Die betroffenen Grundstücke seien von der Stadtgemeinde Linz der Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG (ESG) übertragen worden. Es sei keine Rechtsvorschrift ersichtlich, die für diesen Fall eine Rückführung der Grundstücke ins Eigentum der Beschwerdeführerin bewirken würde. §64 Grundbuchsgesetz bestimme, daß der ursprüngliche Eigentümer bei einem Wegfall des Rechtsgrundes für den Eigentumserwerb das betroffene Grundstück von einem gutgläubigen Dritten nach mehr als drei Jahren nicht mehr zurückverlangen könne. Die belangte Behörde verwies auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Anspruch auf Rückübereignung nur bestehe, wenn er in den anzuwendenden Rechtsvorschriften eine positive Grundlage finde; das WRG enthalte keine solche Bestimmung. Es treffe nicht zu, daß der Bescheid einen Teil des Feststellungsbegehrens nicht erledigt habe; da der Antrag, den Enteignungsbescheid aufzuheben, abgewiesen worden sei, sei die Rechtsgrundlage für die Enteignung nicht weggefallen und es bestehe weiter ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Enteignung.

2.3. Die Stadt Linz gab eine Äußerung ab, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte und darauf hinwies, der angefochtene Bescheid sei der Stadt Linz nicht zugestellt worden. Sie brachte vor, daß die enteigneten Grundstücke (die ua. für den Bau einer Straße und eines Fernheizkraftwerkes verwendet worden seien) dem Enteignungszweck zugeführt worden seien, denn der Bau des Fernheizkraftwerkes entspreche dem beabsichtigten Ausbau des Tankhafens.

2.4. Auch die Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG (ESG) erstattete eine Äußerung. Sie beantragte gleichfalls die Abweisung der Beschwerde und wies darauf hin, daß auch ihr der angefochtene Bescheid nicht zugestellt worden sei. Dies lasse "das Vorliegen eines nach Art144 B-VG anfechtbaren Bescheides fraglich erscheinen". Sollte die belangte Behörde einen Teil des Feststellungsbegehrens nicht erledigt haben, so sei dies nur mit Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen. Die mitbeteiligte Partei führte weiters aus, die belangte Behörde hätte nur über den Antrag auf Aufhebung des Enteignungsbescheides absprechen dürfen; das Feststellungsbegehren sei Teil des Aufhebungsbegehrens und als eigenes Feststellungsbegehren unzulässig. Die Entscheidung über den Anfechtungsgegenstand durch den Verfassungsgerichtshof müsse daher auch den nicht angefochtenen Spruchpunkt I. betreffen; da sich die Beschwerde nur gegen den Spruchpunkt II. wende, sei sie unzulässig.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Die mitbeteiligte Partei ESG bezweifelt, daß die angefochtene Erledigung der belangten Behörde ein Bescheid und damit ein tauglicher Gegenstand einer Anfechtung nach Art144 B-VG sei. Sie begründet dies damit, daß ihr der belangte Bundesminister im Verwaltungsverfahren keine Parteistellung eingeräumt habe. Auch die mitbeteiligte Stadt Linz weist in ihrer Äußerung darauf hin, daß sie am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt wurde.

Gemäß dem - hier anzuwendenden (ArtII Abs4 iVm Abs2 litA Z1 EGVG) - §62 Abs1 AVG können Bescheide schriftlich oder mündlich erlassen werden. Mit der Zustellung einer Bescheidausfertigung an wenigstens eine Verfahrenspartei ist der Bescheid rechtlich existent geworden und damit nach Art144 B-VG anfechtbar (vgl. VfSlg. 14026/1995). Für die Bescheidqualität einer Erledigung spielt es keine Rolle, ob auch alle weiteren Parteien am Verwaltungsverfahren beteiligt worden und ihnen Bescheidausfertigungen zugestellt worden sind oder ob sie etwa übergangen wurden. Der Hinweis der mitbeteiligten Partei ESG auf die Aussage des Verfassungsgerichtshofs in VfSlg. 8981/1980, wonach in einem Verfahren, das die Aufhebung des Enteignungsbescheides zum Gegenstand hat, auch der nunmehrige Eigentümer Partei sei, kann nicht die mangelnde Bescheidqualität der Erledigung, sondern nur einen allfälligen Mangel des Bescheides bzw. des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens aufzeigen.

Der Verfassungsgerichtshof hält es für angebracht, darauf hinzuweisen, daß das Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG nicht der Kontrolle der objektiven Richtigkeit des angefochtenen Bescheides dient, sondern nur die Frage der Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers zum Gegenstand hat, sei es die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, sei es die Verletzung in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm. Anderen Parteien, die sich ebenfalls durch den angefochtenen Bescheid als in ihren Rechten verletzt erachten, steht es frei, den Bescheid ihrerseits vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zu bekämpfen; sollten sie im Verwaltungsverfahren übergangen worden sein, so können sie dem mit den entsprechenden Rechtsbehelfen (Zustellantrag, Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, ...) abhelfen.

1.2. Die mitbeteiligte Partei ESG bezweifelt des weiteren, daß der angefochtene Bescheid teilbar und somit die Beschwerde, die sich nicht gegen den Spruchpunkt I. wendet, zulässig sei.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht der Ansicht, daß ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides besteht. Die Frage, ob der seinerzeitige Enteignungsbescheid aufzuheben ist oder nicht, erfordert eine gesonderte Beurteilung anhand der materiellen Rechtslage; die allfällige Aufhebung des Spruchpunktes II. ließe den Spruchpunkt I. unberührt (vgl. VfSlg. 12786/1991). Auch in VfSlg. 8981/1980 (S 380) ging der Verfassungsgerichtshof erkennbar von der Trennbarkeit der Spruchpunkte in einem vergleichbaren Bescheid aus (die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides blieb dahingestellt).

1.3. Die vorliegende Beschwerde wendet sich nicht nur gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, sondern auch gegen die "Unterlassung der Erledigung eines Teiles des Feststellungsbegehrens".

Gegenstand einer Beschwerde nach Art144 B-VG kann nur ein Bescheid sein, nicht aber die Unterlassung einer Erledigung. Untätigkeit der Behörde kann ausschließlich mit den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten besonderen Rechtsbehelfen gegen die Säumnis von Verwaltungsbehörden, nicht aber mit Verfassungsgerichtshofbeschwerde bekämpft werden (VfSlg. 8481/1979, 9248/1981). Sollte die Beschwerdeführerin aber der Meinung sein, daß die gerügte Unterlassung einen der Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit belastet, stünde es ihr frei, derartige Bedenken in einer Beschwerde gegen den Bescheid oder einen seiner Spruchpunkte vorzubringen. Dem Verfassungsgerichtshof ist es verwehrt zu prüfen, ob der hier nicht angefochtene Spruchpunkt I. die Beschwerdeführerin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

1.4.1. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die "Unterlassung der Erledigung eines Teiles des Feststellungsbegehrens" wendet.

1.4.2. Im übrigen ist die Beschwerde, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Zuständig für die Aufhebung des Enteignungsbescheides ist der Landeshauptmann von Oberösterreich (§99 Abs1 WRG, §3 AVG). An diese Behörde war auch der ursprüngliche Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. Mai 1988 gerichtet. Mit Bescheid vom 19. April 1994 wies der belangte Bundesminister einen Devolutionsantrag ab, der sich auf dieses Begehren (an den Landeshauptmann von Oberösterreich) bezog. Dieser Bescheid langte am 29. April 1994 beim Amt der oberösterreichischen Landesregierung ein; ab diesem Tag war der Landeshauptmann wieder zuständig, über den Antrag vom 18. Mai 1988 zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 3. Juni 1994, das beim Amt der oberösterreichischen Landesregierung am 8. Juni 1994 einlangte, modifizierte die Beschwerdeführerin diesen ihren Antrag vom 18. Mai 1988 und formulierte ihn neu. Vergleicht man die Formulierungen in den Anträgen vom 18. Mai 1988 und vom 3. Juni 1994 (so. Pkt. I.1.2.1. und I.1.3.1.), so zeigt sich, daß jedenfalls die seinerzeitige Grundparzelle 694 vom ersten Antrag nur teilweise ("der Teil ..., der mit Grundteilungsplan ... zugeschrieben wurde"), vom zweiten Antrag aber vollständig erfaßt wurde. Durch den späteren Antrag wurde also ein zusätzlicher Liegenschaftsteil in das Feststellungsbegehren einbezogen. Da somit der Parteiantrag in einem wesentlichen Punkt modifiziert wurde, begann die sechsmonatige Frist des §73 Abs1 AVG mit dem Einlangen des späteren Antrages bei der Behörde neu zu laufen (vgl. VwSlg. 8222 A/1972); sie endete am 8. Dezember 1994.

Dem angefochtenen Bescheid liegt der Devolutionsantrag vom 8. November 1994 zugrunde, der bei der belangten Behörde am 11. November 1994 eingelangt war. Dieser Antrag wurde, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, gestellt, bevor die Frist des §73 Abs1 AVG abgelaufen war; er konnte daher keinen Zuständigkeitsübergang bewirken. Daran ändert es nichts, daß die sechsmonatige Frist vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides ablief (vgl. VwSlg. 10263 A/1980). Die belangte Behörde war sohin zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig (vgl. VfSlg. 9240/1981).

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983). Dies ist nach dem Gesagten hier der Fall, da der Devolutionsantrag keinen Zuständigkeitsübergang auslöste (vgl. VfSlg. 8891/1980, 12221/1989).

2.3. Der angefochtene Spruchpunkt II. des Bescheides war daher aufzuheben. Dabei konnte die Frage auf sich beruhen, ob die Modifikation des Begehrens, welche die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27. April 1995 an die belangte Behörde vornahm, so wesentlich war, daß die Entscheidungsfrist etwa neu zu laufen begann, ungeachtet dessen, ob der Antrag an die Behörde erster Instanz hätte gerichtet werden müssen.

Auf das Beschwerdevorbringen war daher nicht mehr weiter einzugehen.

3.1. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf §88 VerfGG; im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer von S 3.000,- enthalten. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens wurde der Beschwerdeführerin der volle Kostenersatz zugesprochen.

3.2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Bescheiderlassung, Verwaltungsverfahren, Zustellung, Partei übergangene, VfGH / Prüfungsmaßstab, Bescheid Trennbarkeit, VfGH / Zuständigkeit, Wasserrecht, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Behördenzuständigkeit, Devolution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B2357.1995

Dokumentnummer

JFT_10029374_95B02357_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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