TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/29 99/11/0196

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Veröffentlicht am 29.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
ZDG 1986 §76a Abs1;
ZDG 1986 §76a Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des TH in Graz, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. April 1999, Zl. 169.163/02-IV/10/99, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den (mit 17. März 1998 datierten und) am 20. März 1998 eingebrachten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gemäß § 71 Abs. 1 und 2 AVG ab.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer stütze seinen Antrag darauf, nicht im Sinne des § 76a Abs. 2 ZDG (i.d.F. der ZDG-Novelle 1996) über die neuerliche Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung informiert worden zu sein. Am 11. März 1998 habe er einen Bekannten getroffen, der ihm erklärt habe, es habe noch eine Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gegeben. Am 12. März 1998 habe ihn ein Berater für Zivildienstfragen bei der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Linz über die geltende Rechtslage aufgeklärt.

Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, dass § 2 Abs. 1 ZDG das Entstehen der Zivildienstpflicht an die Abgabe der Erklärung des Wehrpflichtigen knüpfe, die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil er aus Gewissensgründen die Anwendung von Waffengewalt ablehne. Bei der Bedeutung einer solchen inneren Einstellung könne von einer entsprechenden Sorgfaltspflicht ausgegangen werden. Unbeschadet der Informationspflicht der Militärbehörden nach § 76a Abs. 2 ZDG müsse von einem an der Ableistung des Zivildienstes interessierten Wehrpflichtigen erwartet werden, dass er sich um Information bemühe. Der an das zuständige Militärkommando gerichtete Antrag des Beschwerdeführers vom 24. März 1997 auf weiteren Aufschub des Antrittes des Präsenzdienstes lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer, dessen Tauglichkeit im Jahr 1990 festgestellt worden sei, zur Zeit des Antrages vom 24. März 1997 nur an der Verschiebung des Präsenzdienstes interessiert gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe bis zu dem von ihm genannten Gespräch mit einem Bekannten (am 11. März 1998) nichts unternommen, um sich um die Ableistung des Zivildienstes zu kümmern. Erst nach diesem Gespräch habe er sich um entsprechende Informationen bemüht. Das Unterbleiben der Einholung von Rechtsauskünften könne nicht als minderer Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt - es fehlt der im angefochtenen Bescheid genannte Antrag auf Wiedereinsetzung vom 17. März 1998 - und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Verfassungsbestimmung des § 76a Abs. 1 ZDG ruht für Wehrpflichtige, deren Tauglichkeit vor dem 1. Jänner 1994 festgestellt worden ist und seither fortbesteht und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch keinen Grundwehrdienst geleistet haben, das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben. Nach Ablauf von fünf Jahren ab Abschluss des Stellungsverfahrens kann in diesen Fällen während eines Zeitraumes von sechs Wochen wieder eine Zivildiensterklärung abgegeben werden.

Nach § 76a Abs. 2 ZDG sind die im Abs. 1 genannten Wehrpflichtigen vom Bundesminister für Landesverteidigung über die neuerliche Möglichkeit der Abgabe einer Zivildiensterklärung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung verfahrensrechtlicher Natur ist, weshalb gegen ihre Versäumung unter den Voraussetzungen des § 71 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/11/0356, mwN). Diese zur Rechtslage vor der ZDG-Novelle 1996 ergangene Rechtsprechung ist auch auf die durch § 76a Abs. 1 ZDG in der Fassung der ZDG-Novelle 1996 normierte Antragsfrist anzuwenden.

Die wiederholte Änderung des Zivildienstgesetzes in Bezug auf die Berechtigung zur Abgabe einer Zivildiensterklärung hat für jene Wehrpflichtigen, deren Feststellung der Tauglichkeit bereits länger zurückliegt, eine derart unübersichtliche Rechtslage geschaffen, dass sich der Gesetzgeber genötigt gesehen hat, in der mit der ZDG-Novelle 1996 eingeführten Bestimmung des § 76a Abs. 2 ZDG die Verpflichtung des Bundesministers für Landesverteidigung zur Information des im § 76a Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Personenkreises über die neuerliche Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zu statuieren. Diese dem Gesetz zugrunde liegende Wertung lässt erkennen, dass diesem Personenkreis die diesbezügliche Kenntnisbeschaffung nicht ohne Weiteres zugemutet werden konnte. Im Unterbleiben der von der belangten Behörde vermissten Recherchen über die Möglichkeit der neuerlichen Antragstellung kann daher im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde jedenfalls kein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes (d.h. grobes) Verschulden des Beschwerdeführers gesehen werden. Unbestritten ist, dass die im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebene Information im Falle des Beschwerdeführers unterblieben ist. Dass der Beschwerdeführer dennoch bereits zu einem früheren als dem von ihm genannten Zeitpunkt von der Möglichkeit der neuerlichen Antragstellung Kenntnis erlangt hat, hat die belangte Behörde nicht festgestellt, sodass sie auch von der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages auszugehen hatte.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110196.X00

Im RIS seit

19.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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