TE Bvwg Beschluss 2018/9/17 W112 2143593-1

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Veröffentlicht am 17.09.2018
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Entscheidungsdatum

17.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §35

Spruch

W112 2143593-1/40E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin in der Beschwerdesache von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2016, Zl. 1089759107-161737346, und die andauernde Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.01.2017, beschlossen:

A) Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35

VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. In seiner Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 28.12.2016 und die Anhaltung in Schubhaft seit 28.12.2016 beantragte der Beschwerdeführer, das Bundesverwaltungsgericht möge der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung auferlegen.

Die belangte Behörde legte am 02.01.2017 die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte weder mit der Aktenvorlage noch in der mündlichen Verhandlung Kostenersatz.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Beschwerdesache am 04.01.2017 von 10:15 Uhr bis 13:05 Uhr eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung von XXXX als Dolmetscherin für die Sprache ENGLISCH durch, da der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war.

In dem am 04.01.2017 mündlich verkündeten Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2016 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG und § 76 Abs. 3 FPG statt, behob den angefochtenen Bescheid, erklärte die Anhaltung in Schubhaft von 28.12.2016 bis 04.01.2017 für rechtswidrig und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen. Das Bundesverwaltungsgericht behielt in dem Erkenntnis den Abspruch über den Kostenantrag und den Barauslagenersatz einer gesonderten Entscheidung vor. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 10.01.2017.

Gegen dieses Erkenntnis erhob das Bundesamt am 16.02.2017 ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 05.10.2017 die Revision zurück. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde nicht erhoben.

2. Mit Beschluss vom 29.11.2017 bestimmte das Bundesverwaltungsgericht, nachdem es dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt hatte, die gebührenrechtlichen Ansprüche der Dolmetscherin mit € 164,30.

3. Mit Beschluss vom 30.01.2018 erlegte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Ersatz der Barauslagen für die Dolmetscherin XXXX für die Sprache ENGLISCH in der mündlichen Verhandlung am 04.01.2017 iHv € 164,30 auf.

Mit Schreiben vom 30.01.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, umgehend einen Beleg über die Begleichung dieser Barauslagen vorzulegen. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nicht nach. Die Buchhaltungsagentur des Bundes schloss am 15.07.2018 den Mahnlauf betreffend die Begleichung der Barauslagen ab.

4. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Gerichtsakt.

II. Erwägungen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A.I.) Antrag auf Kostenersatz

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (VwGH 11.05.2017, Ra 2015/21/0240; für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da das Bundesamt keinen Antrag auf Aufwandersatz stellte, ist ihm schon aus diesem Grund gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG kein Kostenersatz zuzusprechen.

3. Kostenersatz fand nicht statt, wenn eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zum Teil durch den Unabhängigen Verwaltungssenat abgewiesen und nur zum Teil für rechtswidrig erklärt wurde, also bei einem bloß teilweisen Obsiegen hinsichtlich von mehreren als Einheit zu wertenden Amtshandlungen, weil eine analoge Anwendung des § 50 VwGG nicht in Betracht kam (vgl. VwGH 28.02.1997, 96/02/0481) und § 79a Abs. 2 AVG nur bei gänzlichem Obsiegen anzuwenden war (VwGH 31.01.2013, 2008/04/0216; vgl. VwGH 05.09.2002, 2001/02/0209).

Die Frage nach der Übertragung dieser Rechtsprechung auf § 35 VwGVG ist zu bejahen, weil § 79a AVG dem § 35 VwGVG entspricht (VwGH 04.05.2015, Ra 2015/02/0070; vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8). Aufgrund der strukturellen Übereinstimmung der früheren, auf § 79a (alt) AVG beruhenden UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 456/2008, mit der VwG-Aufwandersatzverordnung ist auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Anforderung an die Geltendmachung von Aufwandersatz nach der erstgenannten Verordnung auf die VwG-Aufwandersatzverordnung zu übertragen (VwGH 25.05.2016, Ra 2016/11/0042).

3. Die Frage, ob mehrere Verwaltungsakte vorliegen, ist aus kostenrechtlicher Sicht nur dann relevant, wenn die Partei mit zumindest einer als selbstständig zu wertenden Handlung (teilweise) obsiegt; dann steht ihr voller Kostenersatz zu (VwGH 05.03.2018, Ra 2018/02/0071). Obsiegt der Fremde mit seiner gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft gerichteten Beschwerde vollständig, steht ihm gemäß § 35 VwGVG Kostenersatz zu (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0186).

Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen. Diese Judikatur wurde auf den Anwendungsbereich des § 35 VwGVG übertragen (VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0016; vgl. VwGH 04.05.2015, Ra 2015/02/0070; 16.03.2016, Ra 2015/05/0090).

Während nicht von einer Einheit einer Festnahme nach § 34 BFA-VG einerseits und Schubhaft andererseits auszugehen ist (VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0014; 05.10.2017, Ra 2017/21/0161), trifft dies auf das Verhältnis von Schubhaftbeschwerde und Fortsetzungsausspruch sehr wohl zu: Ist der Beschwerdeführer hinsichtlich des Ausspruches nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - und somit hinsichtlich eines Teiles der vom Bundesverwaltungsgericht zu beurteilenden Schubhaft - als endgültig unterlegen zu betrachten, steht das einem Kostenersatz nach dem gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren anwendbaren § 35 VwGVG entgegen (VwGH 26.04.2018, Ra 2017/21/0240; vgl. VwGH 4.5.2015, Ra 2015/02/0070).

4. Der Beschwerdeführer drang mit seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2016 und die Anhaltung in Schubhaft von 28.12.2016 bis 04.01.2017 durch, das Bundesverwaltungsgericht stellte aber gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen. Der Beschwerdeführer hat folglich betreffend die Anhaltung bis 04.01.2017 obsiegt, er ist aber betreffend die Anhaltung ab 04.01.2017 unterlegen. Auf Grund des nur teilweisen Obsiegens gebührt ihm kein Kostenersatz.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz ist daher abzuweisen.

Zu B.) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Die Rechtslage zu § 35 VwGVG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG ist auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ra 2015/21/0240, dass Kostenersatz nicht bei teilweisem Obsiegen gebührt auf Grund des Erkenntnisses VwGH 31.01.2013, 2008/04/0216, iVm VwGH 25.05.2016, Ra 2016/11/0042, und dass es sich beim Abspruch über die Schubhaftbeschwerde und den Fortsetzungsausspruch nicht um getrennte Verwaltungsakte handelt auf Grund des Erkenntnisses VwGH 26.04.2018, Ra 2017/21/0240, geklärt.

Schlagworte

Kostentragung, Schubhaftbeschwerde, teilweises Obsiegen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W112.2143593.1.01

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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