TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/30 98/02/0128

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.1999
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des GE in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. März 1998, Zl. UVS-03/P/04143/97, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 1998 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs auf ein schriftliches Verlangen der Behörde erster Instanz bekanntzugeben, wer dieses Kraftfahrzeug am 17. Oktober 1996 um 00.13 Uhr in Wien an einem näher bezeichneten Ort gelenkt habe, insofern eine unzureichende bzw. unklare Auskunft erteilt, als er mit Schreiben vom 7. April 1997 M. R. gleichzeitig als Lenker und als auskunftspflichtige Person namhaft gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 verletzt, weshalb gemäß § 134 leg. cit. über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) habe verhängt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 103 Abs 2 KFG kann die Behörde Auskunft darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Auskunft ist im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen - wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnung nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.

Bei der Bestimmung des § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, weil zum Tatbestand dieser Übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 764 zitierte Judikatur). Bei Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes besteht von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche von ihm in der Weise widerlegt werden kann, dass er sein mangelndes Verschulden glaubhaft macht (vgl. Hauer-Leukauf, aaO., S. 758ff und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).

Die Verwirklichung des Tatbestandes allein genügt aber auch im Falle von Ungehorsamsdelikten für die Strafbarkeit nicht. Auch bei Ungehorsamsdelikten ist nur der schuldhaft Handelnde verantwortlich. Der Gesetzgeber präsumiert aber in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Dies bedeutet aber nicht, dass das zur Glaubhaftmachung der Schuldlosigkeit unterbreitete Tatsachenvorbringen schon bis ins letzte Detail vollständig sein muss und eine Erörterung der Beweislage mit dem Beschuldigten unter allen Umständen entbehrlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1967, Zl. 323/66, VwSlg. 7227 A). Überdies befreit die Regelung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Behörde nicht von der Verpflichtung, im Hinblick auf § 25 Abs. 2 VStG von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1996, Zl. 95/17/0618, mit weiteren Verweisen).

Im Beschwerdefall wurde dem Beschwerdeführer die Aufforderung zur Bekanntgabe, wer das auf ihn zugelassene Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt habe, mit der Anweisung, nach Möglichkeit den mitfolgenden Vordruck zu benützen, übermittelt. Dieses Formblatt eröffnet drei in Punkte gegliederte Möglichkeiten der Antwort (Angabe, dass der Befragte selbst gelenkt bzw. abgestellt hat; Angabe, dass eine andere Person gelenkt bzw. abgestellt hat; Angabe, dass die Auskunftspflicht eine andere Person trifft). Aus der Art der Textierung des Formblattes ist keineswegs zu erschließen, dass die Beantwortung eines der letzten beiden Punkte die Beantwortung des anderen dieser Punkte ausschlösse. Der Beschwerdeführer hat das ihm mit dem Auskunftsbegehren der Behörde erster Instanz übermittelte Formblatt in der Weise ausgefüllt, dass er als Lenker des Fahrzeuges M. R. angab und weiters als Auskunftspflichtigen M. R. nannte. In einer an die Behörde erster Instanz gerichteten Stellungnahme vom 15. Juli 1997 führte der Beschwerdeführer aus, er habe die Schlüssel und Kraftfahrzeugpapiere seines Fahrzeuges im Wege eines Boten an M. R. übersandt und diesem den Auftrag erteilt, das bei einem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug "im Huckepack-Verfahren" abzuholen und in eine Werkstätte zu bringen. Das Fahrzeug sei - ohne Kenntnis und Auftrag des Beschwerdeführers - auf einem Parkplatz bei W. N. vom Abschleppfahrzeug abgeladen worden, um Schäden am Fahrgestell zu eruieren. Wer das Fahrzeug tatsächlich von diesem Parkplatz bis zur Werkstätte gelenkt habe, könne er nicht angeben; es sei aber Tatsache, dass er das Fahrzeug dem M. R. zum Lenken überlassen habe und dass dieser die einzige Auskunftsperson hinsichtlich der Frage sei, wer das Fahrzeug im fraglichen Zeitpunkt tatsächlich gelenkt habe.

Der belangten Behörde ist zunächst insoweit zuzustimmen, als sie die Auffassung vertritt, § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 sei der Sinn zu unterstellen, dass die Behörde in die Lage versetzt werden solle, jederzeit ohne weitwendige Ermittlungsschritte feststellen zu können, gegen wen als Lenker Ermittlungen vorzunehmen seien. Im Beschwerdefall wurde der Behörde erster Instanz auf ihre Lenkeranfrage zwar insoweit eine unrichtige Auskunft erteilt, als der Beschwerdeführer den M. R. sowohl als Lenker als auch als Auskunftspflichtigen angeführt hat. Im Hinblick auf die dargestellte Textierung des dem Beschwerdeführer übermittelten Formblattes und mit Rücksicht darauf, dass hinsichtlich des Auskunftspflichtigen und des Lenkers idente Daten angegeben wurden, kann beim vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalt - wie dieser auch in der Stellungnahme vom 15. Juli 1997 klargestellt hat, war ihm eine verlässliche Auskunft über den tatsächlichen Fahrzeuglenker deswegen nicht möglich, weil er das Fahrzeug dem M.R. zum Lenken überlassen hatte - jedenfalls die subjektive Tatseite der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung nicht als erfüllt angesehen werden.

Im Übrigen kann angesichts des Umstandes, dass lediglich eine Person vom Beschwerdeführer angeführt worden war, nicht ersehen werden, dass die Behörde erster Instanz nur auf Grund aufwendiger Ermittlungen den tatsächlichen Lenker hätte eruieren können.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z1 VwGG aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Schriftsatzaufwand war aus folgenden Erwägungen nicht zuzusprechen:

Nach dem am 1. September 1997 in Kraft getretenen zweiten Satz des § 49 Abs. 1 VwGG (vgl. § 73 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997) gebührt Schriftsatz - und Verhandlungsaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ist die Zuerkennung von Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand sohin ausgeschlossen, wenn kein Rechtsanwalt als "Vertreter" einschreitet (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0214, und vom 16. November 1998, Zl. 94/17/0009).

Wien, am 30. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998020128.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten