TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 W247 1427588-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46a Abs4
FPG §52
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W247 1427589-2/9E

W247 1427588-2/8E

W247 1427592-2/9E

W247 1427591-2/8E

W247 1427590-2/8E

W247 1427593-2/8E

W247 2201328-1/8E

W247 2201335-1/8E

W247 2201333-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF. mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch hinsichtlich der Rückkehrentscheidung zu lauten hat:

"Die Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs. 1 -3 BFA-VG iVm § 46a Abs. 1 Z. 4 FPG bis 8 Wochen nach der Geburt des Kindes der XXXX vorübergehend unzulässig."

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs. 1 FPG iVm Abs. 2 Z. 6 leg. cit wird gegen Sie ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen."

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. 19.02.2013, StA. Russische Föderation, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

8.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. und als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

9.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die Mutter, diese vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und der Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen und der Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind miteinander verheiratet und die Eltern viert- bis neuntbeschwerdeführenden Partei (BF4-BF9). Die BF2 ist Mutter des volljährigen BF3 und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF4 bis BF9.

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführenden Parteien (BF1-BF5) reisten spätestens am 13.02.2012 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen der B1 und die BF2 am 14.02.2012 vor der Polizeiinspektion XXXX polizeilich erstbefragt wurden. Nach Zulassung ihrer Verfahren wurden die Beschwerdeführer am 27.03.2012 vor dem Bundesasylamt (BAA), Erstaufnahmestelle XXXX , am 16.04.2012 vor dem BAA, Außenstelle Linz, im Beisein eines der Beschwerdeführer einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Weitere ergänzende, niederschriftliche Einvernahmen von BF1 und BF2 fanden am 19.04.2018 und am 12.06.2018 statt. BF3 wurde am 25.04.2018 niederschriftlich vor dem BFA einvernommen.

2.1. Der BF1 brachte im Rahmen seiner Erstbefragung am 14.02.2012 in Bezug auf seine Fluchtgründe vor, dass er Probleme mit der Regierung gehabt habe. Er sei wegen persönlicher Streitigkeiten verfolgt worden. Er habe sich mit den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes von XXXX verstritten und sei deswegen verfolgt worden. Befragt, was er im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat fürchte, gab er an, dass er Übergriffe von Regierenden fürchte. Es könne leicht passieren, dass sie ihn umbringen. Die Regierung mit ihrem Geheimdienst habe ihm Rache angedroht. Mit diesen Leuten hätte er Streit gehabt. Er habe mit XXXX gestritten. Dessen Bruder XXXX arbeite im Sicherheitsdienst. Er habe XXXX verprügelt und wolle XXXX sich seither an ihm rächen.

2.2. Die BF2 brachte im Rahmen ihrer polizeilichen Erstbefragung am 14.02.2012 vor, dass sie ihre Heimat wegen ihres Mannes verlassen habe. Man wolle sich an ihm rächen. Er würde verfolgt. Befragt, was sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte, antwortete sie, dass sie Angst habe, dass man ihren Mann umbringen würde. Befragt nach etwaigen Sanktionen im Heimatstaat im Fall der Rückkehr, führte die BF2 aus: "Ich möchte nicht mehr zurückkehren. Ich habe kleine Kinder. Ich habe schon ein Kind, das keinen Vater mehr hat. Wenn wir dort leben könnten, wären wir nicht fortgegangen. Ich habe in Russland Probleme. Rache und Verfolgung gegen meinen Mann".

Die minderjährigen BF3 bis BF5 wurden aufgrund ihres kindlichen Alters nicht einvernommen.

3.1. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BAA am 27.03.2012 machte der BF1 in Bezug auf seinen Gesundheitszustand geltend, dass er an Hepatitis C leide und diesbezüglich schon in Moskau in Behandlung gewesen wäre. In Bezug auf seine Fluchtgründe gab der BF1 im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er von 2004 bis 2011 wegen einer körperlichen Attacke auf einen Mann, der 2 1/2 Jahre später gestorben sei, eingesperrt gewesen sei. Die Attacke habe 2004 stattgefunden, jedoch glaube er nicht, dass der Mann wegen dieser Attacke gestorben sei. Seine Verwandten hätten ihm trotzdem Blutrache geschworen "nach unseren tschetschenischen Sitten". Der BF sei bestraft worden und hätte eine siebenjährige Freiheitsstrafe erhalten. Vor dem Gesetz sei er zwar frei, die Blutrache sei jedoch gegen ihn gerichtet. Für die Verwandten sei er ein Mörder. Der Mann, der verstorben sei, XXXX , habe zu den Anhängern von XXXX gehört. Da ihn die Leute sogar in Moskau gefunden hätten, würden sie ihn so lange suchen, bis sie ihn gefunden hätten. Er habe auch eine Bestätigung bezüglich seiner Entlassung aus dem Gefängnis, diese sei schon am Postweg unterwegs.

3.2. Die BF2 gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem BAA am 27.03.2012 an hinsichtlich etwaiger verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte an, dass ihr Bruder samt dessen Familie in Österreich lebe. Dieser habe einen positiven Asylbescheid erhalten. In Bezug auf ihren Gesundheitszustand bzw. den ihrer Kinder gab sie an, dass sie und ihre Kinder gesund seien. In Bezug auf etwaige verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsland gab sie an, dass noch ihre Mutter und drei Schwestern sowie ein Bruder in Tschetschenien leben würden. Befragt nach ihren Fluchtgründen, gab die BF2 an persönlich keine Fluchtgründe zu haben. Sie seien wegen der Probleme ihres Mannes geflüchtet.

3.3. Der BF1 machte im Rahmen seiner Einvernahme beim BAA am 16.04.2012 in Bezug auf seinen Gesundheitszustand erneut geltend, dass er an Hepatitis C leide, aber noch keine Behandlung angefangen habe. Er habe Probleme mit der Wirbelsäule, werde derzeit aber noch untersucht. Hinsichtlich seiner bisherigen Lebensumstände im Herkunftsland gab er an, dass er mit seinen Eltern aufgewachsen sei und einen jüngeren Bruder habe. Er habe von XXXX eine Gesamtschule besucht. Eine Berufsausbildung habe er nicht. Er habe von XXXX bei einer Privatfirma als Wächter in einem Vergnügungszentrum gearbeitet. Er sei nach seiner Festnahme ein Jahr in Untersuchungshaft gewesen. Vor seiner Inhaftierung habe er in Moskau gelebt und gearbeitet. Von Anfang XXXX sei er im Gefängnis gewesen. Nach der Haftentlassung sei er von Bekannten finanziell unterstützt worden und habe er sich bis zu seiner Ausreise vor den XXXX -Leuten verstecken müssen. In seinem Heimatland würden noch seine Eltern, sein Bruder sowie Onkeln und Tanten, sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits, leben. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der BF1 an, dass er seine Heimat verlassen habe, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Es sei eine XXXX -Bande gewesen, die gesetzlich erlaubt gewesen sei. Sie hätten auch Verbindungen in Moskau gehabt, weshalb sie ihn dort gefunden hätten. Er habe einen Mann geschlagen, der 2 1/2 Jahre später verstorben sei. Man glaube, dass er an den Folgen der Rauferei gestorben sei, da er Kopfverletzungen erlitten habe. Er glaube jedoch, dass es nicht sein könne, dass man 2 1/2 Jahre später an diesen Verletzungen sterben könne. Als er selbst im Gefängnis gewesen sei, sei dieser Mann seinen normalen Tätigkeiten nachgegangen, weshalb er nicht glaube, dass jener an den Verletzungen verstorben sei, sondern wegen Bluthochdrucks. Der Bruder des Mannes und die Ehefrau des Mannes würden den BF jedoch beschuldigen, den Mann getötet zu haben. Diese Leute hätten ihn in Tschetschenien entführen wollen. Man habe ihre Autos in der Nähe seines Hauses beobachtet. Als er bereits in Moskau gewesen sei, seien sie bei ihm zu Hause eingebrochen. Befragt, weswegen konkret er verurteilt worden wäre, gab der BF1 an, dass es eine Rauferei gegeben habe. Der Mann habe angefangen, ihn mit einem Baseballschläger auf den Kopf zu schlagen. Er habe ihm dann den Schläger weggenommen und ein paar Mal zurückgeschlagen, bis er nach dem dritten Schlag ohnmächtig geworden wäre. Er habe versucht, ihn wieder "zu sich" zu bringen. Der BF hätte gedacht, dass der Mann tot sei und habe die Stelle zu Fuß verlassen. Sie seien ursprünglich zu zweit mit dem Auto zu dieser Stelle gefahren, da sie in Bezug auf Streitigkeiten wegen der Arbeit im Büro miteinander reden hätten wollen. Nach dem Streit sei er allein zu Fuß in die Stadt zurückgegangen. Als er in die Stadt zurückgegangen sei, habe er die Rettung gerufen. Jemand habe inzwischen das Auto und Geld des Mannes gestohlen. Er sei von der Frau des Mannes beschuldigt worden, diese Dinge gestohlen zu haben. Befragt, von wem konkret er in der Russischen Föderation verfolgt würde, gab er an, dass er vom Bruder des Verstorbenen, XXXX , sowie seiner Bande und seinen Freunden verfolgt würde. Da diese bei der Sicherheitsbehörde arbeiten würden, die für Sicherheit von XXXX zuständig sei, würde er auch von der Sicherheitsbehörde verfolgt werden.

3.4. Die BF2 machte im Rahmen ihrer Einvernahme beim BAA am 16.04.2012 hinsichtlich ihrer Lebensumstände im Herkunftsland geltend, dass sie bei ihren Eltern mit zwei Brüdern und drei Schwestern aufgewachsen sei. Sie habe eine zehnjährige Schulbildung absolviert. Danach habe sie eine Lehre für Verkäufer absolviert, sei jedoch nie berufstätig gewesen. Ihr Sohn XXXX (BF3) stamme aus ihrer ersten Ehe. Ihre anderen Kinder habe sie gemeinsam mit ihrem nunmehrigen Mann. Befragt zu den Gründen für ihre Ausreise aus dem Herkunftsland gab sie an, dass sie aufgrund der Fluchtgründe ihres Mannes ausreisen habe müssen. Sie hätten getrennt gelebt. Ihr Mann habe sich immer um sie Sorgen gemacht, da seine Probleme auch sie und die Kinder betroffen hätten. Deshalb habe sie sich bei ihrer Mutter aufgehalten. Befragt, was über die Probleme ihres Mannes wüsste, gab sie an, dass er mit jemandem aus der Stadt hinausgefahren sei, da er mit diesem Mann eine Auseinandersetzung gehabt hätte. Der andere habe angefangen, ihn mit einem Baseballschläger zu schlagen. Ihr Mann habe ihm den Baseballschläger weggenommen und den anderen damit geschlagen, bis dieser ohnmächtig geworden wäre. Ihr Mann habe dann gedacht, dass der andere tot wäre, sei zu Fuß weggegangen und habe die Rettung geholt. Später sei er festgenommen worden. Man habe ihm vorgeworfen, dass er auch das Geld und Auto des Mannes gestohlen habe, was aber nicht gestimmt habe. Befragt, ob es jemals konkrete Vorfälle betreffend sie oder ihre Kinder gegeben habe, gab sie an, dass ihr persönlich niemand gedroht habe. Es sei nicht üblich, die Frau oder Kinder in Derartiges miteinzubeziehen. Die Rache sei auch nur gegen ihren Mann ausgesprochen worden.

Die minderjährige BF6 wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin am 05.03.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die minderjährige BF7 wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und stellte am 20.02.2013 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die minderjährige BF8 wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und stellte durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin am 11.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die minderjährige BF9 wurde am XXXX im Bundesgebiet geboren und stellte am 14.11.2016 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die minderjährigen BF4 bis BF9 wurden im Asylverfahren aufgrund ihres kindlichen Alters nicht einvernommen. Die niederschriftliche Einvernahme des BF3 fand am 25.04.2018 statt.

4. Mit Schreiben des BAA vom 11.05.2012 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, zu den ihnen unter einem übermittelten Länderfeststellungen zur Russischen Föderation binnen 2 Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen sowie zu dem Umstand, ob sie derzeit in medizinischer Behandlung stünden bzw. welche Medikamente sie einnehmen würden und dies mit ärztlichen Unterlagen zu belegen.

5. Mit Stellungnahme vom 25.05.2012 brachten die Beschwerdeführer zusammenfassend vor, dass das Leben des BF1 vor dem Hintergrund seiner Probleme mit der XXXX -Bande und seiner dubiosen Verurteilung trotz seiner Unschuld in Tschetschenien in Gefahr sei und die neuerlichen Ladungen und Ermittlungen zudem die Drohungen, die von der Familie OSMAEV ausgehen würden, das bisherige Vorbringen des BF1 bestätigen würden. Zudem seien die Kinder des BF1 und der BF2 in Gefahr. Im Hinblick auf die beim BF1 vorliegende Hepatitis C-Erkrankung könne dieser zudem nicht damit rechnen, im Herkunftsland eine adäquate medizinische Versorgung zu erhalten.

Vorgelegt wurden folgende Unterlagen:

* ein Konvolut an medizinischen Unterlagen betreffend die Hepatitis C-Erkrankung des BF1

* Kursbestätigungen betreffend "Deutsch als Fremdsprache" des BF1 vom 11.11.2013, 11.07.2013 und 11.02.2014

* Inlandspass mit Lichtbild des BF1 und der BF2

* Sterbeurkunde von XXXX (verstorbener Ehemann der BF2)

* Duplikat der Geburtsurkunde des BF3 vom 21.09.2005

* Geburtsurkunde der BF5 vom 04.09.2008

* Bestätigung betreffend den verbüßten Strafvollzug (Haftbestätigung) XXXX des BF1 vom 06.06.2011

* Führerschein des BF1

* Diverse Ladungen betreffend den BF1 zum Verhör vom 12.01.2012, 04.04.2012, 09.02.2012

6. Mit Bescheid des BAA jeweils vom 14.06.2012 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des BF1, der BF2, des BF3, der BF4, der BF5 und der BF6, gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. Z. 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und die Genannten gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass das Vorbringen zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig wäre und den Angaben zu den Fluchtgründen überdies keine Asylrelevanz zukomme.

7. Gegen diese Bescheide brachten die Beschwerdeführer durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 27.06.2012 fristgerecht Beschwerde ein und machten hierbei im Wesentlichen geltend, dass ihnen bei richtiger Würdigung des Vorbringens Asyl, in eventu jedenfalls subsidiärer Schutz gewährt werden hätte müssen. Der BF1 habe sein Vorbringen in Bezug auf die ins Treffen geführte Blutracheproblematik durch die Vorlage von Kopien behördlicher Ladungen sowie eines Haftbefehls untermauert. Die von ihm behauptete Blutracheproblematik sei authentisch und nachvollziehbar. Beantragt werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens zur Klärung der relevanten Fragen.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.04.2014, Zlen. XXXX (ad BF1), XXXX (ad BF2), XXXX (ad BF3), XXXX (ad BF4),

XXXX (ad BF5), XXXX (ad BF6) und XXXX (ad BF7) wurden in Erledigung der Beschwerden die angefochtenen Bescheide behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") zurückverwiesen.

Begründend wurde - wie folgt - ausgeführt:

"In den vorliegenden Beschwerdefällen kann auf Grundlage der vorliegenden Ermittlungen der belangten Behörde zum Sachverhalt aus folgenden Gründen nicht beurteilt werden, ob den Beschwerdeführern, insbesondere dem Erstbeschwerdeführer, in der Heimat asylrelevante Verfolgungsgefahr oder eine in Bezug auf die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten relevante Gefahr droht:

Zunächst ist festzuhalten, dass den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, der Erstbeschwerdeführer habe im Verfahren keine gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr vorgebracht, vor dem Hintergrund der Angaben des Erstbeschwerdeführers nicht gefolgt werden kann. Der Erstbeschwerdeführer hat vorgebracht, vor angeblich drohenden Blutracheakten an seiner Person durch die Familie des behaupteten Opfers, für dessen Tod der Erstbeschwerdeführer verantwortlich gemacht werde, geflohen zu sein. Er habe sich deshalb mehrere Monate nach der Haftentlassung bis zur Ausreise bei einem Freund versteckt.

Die belangte Behörde verabsäumte es, erforderliche Ermittlungen im Verfahren des Erstbeschwerdeführers in Bezug auf die von ihm behauptete Blutrachedrohung durchzuführen, obwohl der Erstbeschwerdeführer ein doch relativ detailliertes Vorbringen erstattet, Namen des angeblich von ihm Ermordeten und der angeblichen Verfolger bekanntgegeben hat und auch Beweismittel im Verfahren durchaus zur Verfügung stünden, um die Glaubhaftigkeit der Angaben des Erstbeschwerdeführers zu überprüfen. Weder wurde versucht, Näheres über die Ermordung des namentlich genannten Mannes, etwa im Wege der Staatendokumentation, herauszufinden, noch eventuell über die allenfalls mögliche Beischaffung des Gerichtsurteils oder eine Echtheitsprüfung der - mittlerweile im Original vorliegenden Ladungen - die Angaben des Erstbeschwerdeführer abzugleichen.

Über die Ursache der vorgebrachten Verfolgung, nämlich die Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, weswegen sich der Erstbeschwerdeführer angeblich in Haft befunden habe, traf das Bundesasylamt keine konkreten Feststellungen. Es wurde von der belangten Behörde nicht hinterfragt, ob die angegebene strafbare Handlung überhaupt und in der angegebenen Form stattgefunden habe.

Zwar wurde der Erstbeschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16.04.2012 nach einer schriftlichen Urteilsausfertigung gefragt, weitere Nachforschungen bzw. Aufforderungen, diese dem Bundesasylamt vorzulegen, wurden jedoch unterlassen. Die belangte Behörde setzte sich ausschließlich mit der mangelnden Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Verfolgung durch die Verwandten des mutmaßlichen Opfers auseinander, traf jedoch keinerlei Feststellungen oder Nachforschungen darüber, ob das Verbrechen, das als Grund für die angedrohte Blutrache angeführt wurde und daher eine wesentliche Vorfrage dazu darstellt, tatsächlich stattgefunden habe. Vielmehr gab sie sich mit der vorgelegten Haftbestätigung in Kopie zufrieden, aufgrund derer man laut Polizeiinspektion XXXX nach "einer laienhaften Übersetzung der in der Haftbestätigung angeführten Verurteilung, von einer "sehr" kriminellen Person ausgegangen werden könne." Eine nähere Überprüfung bzw. professionelle Übersetzung der angeführten Paragraphen wurde von der Polizeiinspektion empfohlen. Dieser Empfehlung wurde ebenfalls nur unzureichend nachgegangen. Im Akt findet sich lediglich eine englische Übersetzung des Russischen Strafgesetzbuches mit den in der vorgelegten Haftbestätigung angeführten Paragraphen.

Ob und warum seitens des Erstbeschwerdeführers und auch seitens der belangten Behörde der Versuch einer, durch die vorliegende Haftbestätigung, die die belangte Behörde jedenfalls nicht als Fälschung qualifizierte, erleichterten Beischaffung des Gerichtsurteils unterblieb, ist nicht nachvollziehbar. Es wären daher diesbezüglich konkrete Ermittlungen darüber anzustellen, auf welchem Wege eine Beischaffung einer schriftlichen Urteilsausfertigung möglich wäre, ob es dem Erstbeschwerdeführer daraus folgend tatsächlich nicht möglich ist, selbst eine schriftliche Urteilsausfertigung beizuschaffen und in der Folge die nötigen Schritte zu setzen, allenfalls die Übermittlung des Urteils zu veranlassen.

Auch was die, vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten polizeilichen Ladungen betrifft, die vom Erstbeschwerdeführer im Übrigen erst in der zweiten niederschriftlichen Einvernahme am 16.04.2012 erstmals erwähnt wurden, erweist sich die Verfahrensführung der belangten Behörde als mangelhaft. Beweiswürdigend wurde - die vorgelegten Ladungen betreffend - ausgeführt:

"Zu den von Ihnen im Verfahren vorgebrachten Ladungen ist anzumerken, dass es sich dabei um Kopien handelt, obwohl Sie in der Einvernahme vom 16.04.2012 ausdrücklich aufgefordert wurden, die Ladungen im Original vorzulegen. Weiters wurde auf allen drei Ladungen das Datum des Ladungstermins handschriftlich verändert, indem das Jahr 2010 auf 2012 geändert wurde. Auch fehlen auf allen drei Ladungen wichtige Teile bzw. sind Sätze unvollständig, die das Vorgehen im Falle des Nichterscheinens betreffen. Es ist auch weithin bekannt, dass gefälschte Dokumente oder unwahre Zeitungsmeldungen, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen, regelmäßig bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation im Allgemeinen und der Kaukasusregion im Besonderen festgestellt werden. Von staatlichen Behörden ausgestellte Dokumente sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt oder gefälscht; Personenstandsurkunden und andere Dokumente (z.B. Haftbefehle) können gekauft werden."

Eine mögliche Fälschung der vorgelegten Ladungen wurde in den Raum gestellt, ohne entsprechende Nachforschungen anzustellen und die Ladungen tatsächlich auf ihre Echtheit zu überprüfen. Die belangte Behörde lässt die Frage dahinstehen, ob die - nunmehr auch im Original - vorliegenden Dokumente echt und richtig sind, kommt aber im angefochtenen Bescheid zur Ansicht, der Erstbeschwerdeführer habe keine Verfolgungsgefahr vorgebracht. Ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zur Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Beweismittel unterblieb bislang (vgl. dazu auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, z.B. das Erkenntnis vom 20.02.2014, Zl. U 2298/2013-14).

Der angefochtene Bescheid lässt ebenfalls schlüssige Länderfeststellungen zur Frage der tatsächlichen Schutzgewährungsfähigkeit bzw Schutzgewährungswilligkeit der Sicherheitsbehörden im Herkunftsstaat im Falle von drohender Blutrache vermissen, obwohl den getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, dass aktuelle Berichte sehr wohl zeigen, dass Blutrache im Nordkaukasus auch heute noch eine Rolle spielt, in der Gesellschaft verankert ist und auch tatsächlich ausgeübt wird. Eine diesbezügliche Ergänzung der Länderfeststellungen wird im Fall einer Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr im weiteren Verfahren jedenfalls erforderlich sein.

Im gegenständlichen Verfahren des Erstbeschwerdeführers ist das Ermittlungsverfahren in entscheidungswesentlichen Punkten daher mangelhaft geblieben. Dieser Mangel schlägt auf Grund des vorliegenden Familienverfahrens auf die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer durch. Mangels eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens seitens der belangten Behörde fehlt dem Bundesverwaltungsgericht eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz in den Beschwerdefällen vorliegen bzw. die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung iSd GFK bzw. der EMRK ausgesetzt sind. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht somit nicht fest."

9.1. Der BF1 gab im Rahmen seiner neuerlichen Einvernahme vor dem BFA am 19.04.2018 hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er XXXX getötet habe. Er habe ihn im Jahr 2004 geschlagen. Der Mann wäre dann 2006 im Alter von 45 Jahren verstorben. Er selbst sei an dem Tag, als er ihn geschlagen habe, am XXXX verhaftet worden. Als der BF und XXXX am 01.06.204 in Streit gerieten, lebte XXXX in XXXX . Eigentlich habe XXXX angefangen, ihn zu schlagen. Dieser wäre mit einem Baseballschläger auf ihn losgegangen. Er habe ihm den Baseballschläger weggenommen und ein paar Mal zurückgeschlagen. XXXX sei dann ohnmächtig geworden und der BF habe selbst die Flucht ergriffen. Noch am selben Tag sei er festgenommen worden. Der BF habe ihn deshalb geschlagen, da er sich in seine Geschäfte eingemischt habe. Es hätte sich um kriminelle Sachen gehandelt, XXXX habe seinen Anteil an diesem Geschäft haben wollen. Der BF werde weiterhin von den Behörden seines Heimatlandes gesucht. Seine Eltern und sein Bruder hätten ihm die polizeilichen Ladungen nach Österreich geschickt. Die Ladungen habe er deshalb erhalten, da er sich nach seiner Haftentlassung regelmäßig bei der Polizei in seinem Heimatdorf melden hätte müssen. Da er dies nicht getan hätte, habe er diese Vorladungen bekommen. Nun fürchte er, von den Behörden seines Heimatlandes gesucht zu werden. Befragt, weshalb er wüsste, dass die Familie des getöteten Mannes an ihm Blutrache üben wolle, gab er an, dass er dies vom Hörensagen wüsste.

9.2. Die BF2 gab im Rahmen ihrer neuerlichen Einvernahme vor dem BFA am 19.04.2018 hinsichtlich ihrer Fluchtgründe an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie stütze sich auf die Fluchtgründe ihres Mannes. Befragt, was sie von den Problemen ihres Mannes wüsste, gab sie an, dass ihr Mann Probleme mit einer Familie habe, deren Namen ihr nicht bekannt sei. Er sei wegen dieser Familie "gesessen". Sie könne nur angeben, dass ihr Mann nach der Haftentlassung nach Moskau verschwunden sei und er befürchte, getötet zu werden. Sie wüsste von den Problemen ihres Mannes nur vom Hörensagen. Hinsichtlich etwaiger verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte gab sie an, dass ihr Vater schon verstorben sei und sie noch ihre Mutter sowie zwei Brüder und drei Schwestern habe. Sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter hätten wiederum einige Schwestern und Brüder, die noch in Tschetschenien leben würden. Ihr Bruder, sowie eine Schwester würden samt deren Familien in Österreich leben.

Vorgelegt wurden weiters folgende Unterlagen:

* Arbeitszeugnis vom 12.04.2018 betreffend die BF2

* Bestätigung betreffend Nachbarschaftshilfe durch die BF2 vom 12.04.2018

* Bestätigung betreffend Arbeit als Reinigungskraft durch die BF2 vom 11.04.2018

* Bestätigung seitens der Vermieterin des Wohnhauses der Beschwerdeführer vom 16.04.2018

* Kursbestätigung betreffend den Kurs "Deutsch als Fremdsprache" der BF2 vom 19.03.2018

* Arztbrief des LKH XXXX vom 14.02.2012 betreffend Schwangerschaft der BF2

9.3. Der BF3 gab im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme am 25.04.2018 vor der belangten Behörde an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe und weder Medikamente einnehme noch in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung stünde. Er gab an in XXXX geboren und aufgewachsen zu sein. Bis zur Ausreise aus der Heimat am 08.02.2012 habe die zweite Klasse der allgemein bildenden mittleren Schule besucht. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, keine eigenen Fluchtgründe vorzubringen zu haben. Er stütze sich mit seinen Gründen auf die seines Vaters und ersuche um Behandlung seines Antrages im Rahmen des Familienverfahrens. Er wisse, dass sein Vater Probleme mit einer Familie habe, näheres könne er darüber nicht berichten. Bei Rückkehr in den Herkunftsstaat hätte der BF3 keine Probleme, er fürchte aber um das Leben des Vaters.

10. Mit Schreiben vom 04.06.2018 wurde dem BFA die Anfragebeantwortung durch den von der belangten Behörde beauftragten Sachverständigen im Hinblick auf den erteilten Rechercheauftrag übermittelt.

Der Rechercheauftrag umfasste die schriftliche Beantwortung der Fragen:

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Ob die dem Rechercheauftrag beigefügten Ladungen echt sind

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Ob in dem Wohnort des Opfers (Wohnort: XXXX ) bekannt ist, dass die Verwandten des Opfers am BF1 Rache üben wollten oder wollten

In dem Sachverständigengutachten wird wörtlich ausgeführt wie folgt:

[...] Der BF1 XXXX , geb. XXXX , wurde am XXXX in der Stadt XXXX , XXXX , verhaftet und in weiterer Folge zu sieben Jahren Haft verurteilt. Dies jedoch nicht, wie vom BF1 angegeben wegen Totschlags an OSMAJEV Usman, sondern für mehrere andere schwere Delikte, welche innerhalb einer kriminellen Gruppierung begangen wurden. Konkret handelte es sich dabei um zwei Raubüberfälle, eine Erpressung und mehrere Autodiebstähle. Ein Bandenmitglied und Mittäter beim Tatbestand der Autodiebstähle des BF1 war der von diesem genannten und aus Tschetschenien stammende getötete XXXX .

Zur Frage der Echtheit der vorgelegten Ladungen:

Die Befundaufnahme ergab, dass die vorgelegten Ladungen (sieben Stück) nicht echt sind.

Es entspricht den Tatsachen, dass der BF1 für die übliche nach der Haft auferlegte Überwachung bei der Polizei in XXXX im Juni 2011 angemeldet wurde. Diese Überwachung erfolgt in Form von Gesprächsterminen, die üblicherweise von den zuständigen Polizeiinspektionen an der Wohnadresse des Haftentlassenen durchgeführt werden. Im Jahre 2012 war der zuständige Hauptpolizeiinspektor ein XXXX (...) im XXXX , XXXX . Der in den vorgelegten Ladungen genannte Polizeikapitän G. A. (im Übrigen bei der Polizei im Jahre 2014 entlassen) war für die genannten Polizeiinspektionen nicht zuständig. Ebenso ist die Ladung durch den Ermittler T. A. eine Fälschung Ein solcher ist den Behörden unbekannt.

Zur Behauptung der Verfolgung des BF1 durch Verwandte des XXXX :

Laut Informationen der für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zuständigen Behörde sind dzt. auf dem Stadtgebiet der Stadt XXXX mehrere kriminelle Banden aktiv. Der vom BF1 genannte Bruder XXXX ist jedoch in keiner dieser Banden Mitglied. Aus diesem Grund erscheint den Behörden die Behauptung der Blutrache am BF1 nicht glaubwürdig. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass kein Mord oder Totschlag an XXXX erfolgte. [...]

11.1. Der BF1 wurde im Rahmen der ergänzenden, niederschriftlichen Einvernahme vom 12.06.2018 vor der belangten Behörde mit den Ergebnissen des Rechercheauftrages konfrontiert. Im Wesentlichen gab der BF1 zu den gefälschten Ladungen an, dass er von sich aus die Behörden kein einziges Mal aufgesucht habe. Er habe Ladungen zur Polizei erhalten, aber diese Ladungen seien nicht offiziell. Wahrscheinlich habe die Polizei die Ladungen gefälscht. Zu den Ergebnissen hinsichtlich der ihm angelasteten Straftaten gab der BF1 an, dass diese Straftaten ihm zu Unrecht angelastet worden seien. Des Weiteren wiederholte der BF1 seine bisherigen Angaben zum Streit mit XXXX und fügte hinzu, dass die Polizei nach dem Streit Diebesgut im Auto des BF gefunden habe und es in der Russischen Föderation üblich sei, dass die Polizei den der Behörde bekannten Straftätern weitere Straftaten anzulasten versuchen würden.

11.2. Die BF2 wurde im Rahmen der ergänzenden, niederschriftlichen Einvernahme vom 12.06.2018 vor der belangten Behörde mit den Ergebnissen des Rechercheauftrages konfrontiert. Im Wesentlichen gab die BF2 zu den Ergebnissen des Rechercheauftrages an, dass es nicht stimme, dass ihr Mann an Autodiebstählen beteiligt gewesen sei. Es seien aus Österreich vor zwei oder drei Monaten drei Tschetschenen in die Heimat abgeschoben worden. Einer von diesen sei ermordet worden. Auf Youtube könne man dazu Videos finden. Die BF2 wolle damit zum Ausdruck bringen, dass ihr Mann im Verfahren bisher stets die Wahrheit gesagt habe. Das sei alles, was sie dazu sagen möchte. Nachgefragt, habe die BF2 keine anderen Gründe, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe und sie habe sämtliche Gründe, warum sie die Heimat verlassen habe, vollständig geschildert.

12.1. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA jeweils vom 15.06.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des BF1, der BF2 und des BF3 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Genannten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 FPG gegen sie ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

12.2. Mit Bescheiden jeweils vom selben Tag wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF4 bis BF9 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde den Genannten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.), und gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer Staatsangehörige der Russischen Föderation wären und aus Tschetschenien stammen sowie der tschetschenischen Volksgruppe angehören würden. Sie wären widerrechtlich und schlepperunterstützt nach Österreich eingereist. Sie würden an keinen schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden. Der BF1 habe zusammengefasst ausgeführt, dass er im Heimatland verfolgt werde, weil er eine andere Person so schwer verletzt habe, dass diese gestorben wäre. Jene Personen, welche ihn nunmehr verfolge und an ihm Blutrache üben wolle, könne er namentlich nicht nennen. Dass die Familienmitglieder der von ihm getöteten Person an ihm Blutrache üben wollten, wüsste er lediglich vom Hörensagen. Bislang sei niemand an ihn herangetreten, um an ihm Blutrache zu üben. Der BF1 habe sich wegen des geschilderten Vorfalls in Grosny in Haft befunden, wäre nach seiner Haftentlassung, welche am 31.05.2011 stattgefunden habe, nach Moskau gegangen. Weitere Probleme habe er nicht gehabt. Die übrigen Beschwerdeführer (BF2 bis BF9) hätten keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Das Vorbringen der Beschwerdeführer zu den Fluchtgründen entfalte keine Asylrelevanz. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer in der Russischen Föderation einer Verfolgung durch staatliche Organe unterliegen würden. Die vom BF1 vorgelegten Ladungen seien allesamt Fälschungen. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine asylrelevante Verfolgung iSd Gründe der GFK festgestellt werden können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland dort der realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestünde.

Der BF1 und die BF2 seien in keinen Vereinen tätig, würden aktuell keine Deutschkurse besuchen und hätten auch keine Sprachzertifikate vorgelegt. Sie hätten nur rudimentäre Deutschkenntnisse. Sie würden von der Grundversorgung leben. Die Kinder des BF1 und der BF2 seien teilweise schulpflichtig. Die Beschwerdeführer verfügen über zahlreiche Verwandte im Herkunftsstaat, welche arbeiten und in realtivem Wohlstand in der Heimatregion der Beschwerdeführer leben würden.

Der BF1 sei in Österreich (detailliert genannt) vier Mal strafrechtlich verurteilt worden. Die BF2 sei in Österreich (ebenso detailliert genannt) einmal strafrechtlich verurteilt worden.

Weiters traf die belangte Behörde nachstehende Feststellungen zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation:

1. Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

-

Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

-

RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

1.1. Tschetschenien

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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