TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/14 98/16/0221

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Veröffentlicht am 14.10.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;

Norm

BAO §7;
ZollG 1988 §119 Abs1;
ZollG 1988 §119 Abs2;
ZollG 1988 §119 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der G GmbH in W, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien I, Bartensteingasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Juni 1998, Zl. GA 13 - 7/G-24/59/96, betreffend Haftung für Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. März 1995 zog das Hauptzollamt Wien die Beschwerdeführerin als Hauptverpflichtete im Begleitscheinverfahren für Abgabenansprüche, die gegen andere Personen in der Höhe von S 195.034,-- entstanden sind, mit der Begründung zur Haftung heran, das Begleitscheingut sei bei der Bestimmungszollstelle Zollamt Nickelsdorf nicht gestellt worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Begleitschein sei beim Zollamt Nickelsdorf gestellt worden. Mit einer weiteren Eingabe übermittelte die Beschwerdeführerin eine Begleitscheinkopie. Auf dieser Begleitscheinkopie sind in dem für die Bestimmungszollstelle vorgesehenen Feld der Stempelabdruck des Zollamtes Nickelsdorf mit Datum des Ankunftstages des Begleitscheingutes 6. Juni 1992, eine Warenerklärungsnummer und eine Paraphe sowie der Stempelabdruck "Konform" zu erkennen. Im Feld D dieses Begleitscheines befindet sich die Beurkundung der Abgangszollstelle, wonach ein Raumverschluss "A1-544" an dem Beförderungsmittel mit dem Wiener Kennzeichen W 59829 A angebracht wurde.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. März 1996 wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, nach den Bestimmungen des Zollgesetzes sei die körperliche Stellung der zum Begleitscheinverfahren abgefertigten Ware bei der Bestimmungszollstelle zwingend vorgeschrieben. Werde die Stellung des Begleitscheingutes bei der Bestimmungszollstelle etwa durch Fälschung oder, wie im Beschwerdefall durch Erschleichung des Erledigungsvermerkes der Bestimmungszollstelle vorgetäuscht, die Ware aber tatsächlich körperlich nicht gestellt, habe der Hauptverpflichtete gemäß § 119 Abs. 3 ZollG für den auf das Begleitscheingut entfallenden Zoll Ersatz zu leisten.

Im Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin nochmals vor, das Zollamt Nickelsdorf habe mit Stampiglie und Unterschrift den Austritt des Begleitscheinguts bestätigt. Die Behörde führe in der Begründung der Berufungsvorentscheidung an, dass die Stellung durch Erschleichung des Erledigungsvermerkes vorgetäuscht worden sei. Sie verlange dazu konkrete Beweise.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei in dem in Rede stehenden Begleitscheinverfahren die zur Haftung heranzuziehende Hauptverpflichtete. Mit dem Begleitschein seien 990 Karton Kaugummi an die Bestimmungszollstelle Zollamt Nickelsdorf angewiesen worden. Auf der Rückseite des Begleitscheines seien in der dem Prüfungsbefund vorbehaltenen Spalte das Ankunftsdatum bei der Bestimmungszollstelle Nickelsdorf (6. Juni 1992), die Bemerkung "Konform" die Warenerklärungsnummer, der Stempel des Zollamtes Nickelsdorf und die Unterschrift des Abfertigungsbeamten zu ersehen. Dass das Begleitscheingut bei der Bestimmungszollstelle dennoch nicht gestellt worden sei, stütze die belangte Behörde auf die Feststellung, das von einer näher bezeichneten Autoverleihfirma am 1. Juni 1992 um 12.15 Uhr gemietete Fahrzeug mit dem Kennzeichen W 89829 A sei bereits am 1. Juni 1992 um 18.50 Uhr zurückgegeben worden und habe einen Kilometerstand von

35.878 aufgewiesen. Der Kilometerstand bei der Übergabe habe 35.854 betragen. Somit seien mit diesem Fahrzeug lediglich 24 km zurückgelegt worden. Die einfache Wegstrecke von Wien nach Nickelsdorf betrage ca. 70 km. Damit sei es als erwiesen anzunehmen, dass das Begleitscheingut die Bestimmungszollstelle Nickelsdorf nicht erreicht haben könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung des Haftungsbetrages verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem im Beschwerdefall im maßgebenden Zeitraum Juni 1992 anzuwendenden § 119 Abs. 1 ZollG 1988 sind die zum Begleitscheinverfahren abgefertigten Waren (Begleitscheingut) der Bestimmungszollstelle vollständig, unverändert und unbenutzt sowie mit unverletzten Verschlüssen und Nämlichkeitszeichen zu stellen; § 7 Abs. 3 und 4 bleibt unberührt. Die Stellung hat weiters innerhalb der Stellungsfrist und unter Vorlage des Begleitscheins zu erfolgen.

Gemäß § 119 Abs. 2 leg. cit. ist zur Stellung derjenige verpflichtet, der die Abfertigung zum Begleitscheinverfahren beantragt hat (Hauptverpflichteter). Die Stellungspflicht geht auf jeden über, dem der Begleitschein und das Begleitscheingut nachweislich übergeben werden (Warenführer).

Wird die Stellungspflicht nach Abs. 1 erster Satz verletzt, so hat nach § 119 Abs. 3 leg. cit. der Hauptverpflichtete insoweit für den auf das Begleitscheingut entfallenden Zoll Ersatz zu leisten (Ersatzforderung); § 7 BAO gilt sinngemäß. Ist der Warenführer ein öffentliches Verkehrsunternehmen, so geht mit der Stellungspflicht auch die Ersatzpflicht auf ihn über.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob das Begleitscheingut der Bestimmungszollstelle gestellt worden ist. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren eine von der Bestimmungszollstelle mit entsprechenden Beurkundungen versehene Kopie des Begleitscheines zum Nachweis der Stellung des Begleitscheingutes bei der Bestimmungszollstelle vorgelegt. Auf diesen für die Entscheidung erheblichen Umstand ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der Beweiswürdigung überhaupt nicht eingegangen. Sie hat nur bestätigt, dass eine solche Begleitscheinkopie vorliegt, ist aber nicht näher darauf eingegangen, welche Beweiskraft diesem Schriftstück zukommt. Die belangte Behörde hat weiters keine Feststellungen zu dem Vorbringen im Vorlageantrag getroffen, konkrete Beweise für die von der Behörde angenommene Vortäuschung der Stellung des Begleitscheingutes beim Zollamt Nickelsdorf durch Erschleichung des Erledigungsvermerkes vorzulegen.

Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf im Verwaltungsverfahren der Beschwerdeführerin unter Verletzung des Parteiengehörs vor der abschließenden Entscheidung nicht zur Kenntnis gebrachten Ermittlungsergebnisse, wonach der gemietete LKW mit dem Kennzeichen W 89829 A nur kurzzeitig am 1. Juni 1992 gemietet war, mit diesem LKW nur 24 km zurückgelegt worden seien und eine Stellung des Begleitscheingutes, das sich unter Raumverschluss befunden hat, am 6. Juni 1992 beim Zollamt Nickelsdorf daher nicht erfolgt sein konnte. Zu der Verletzung des Parteiengehörs kommt noch, dass das Kennzeichen des LKW, an den der Raumverschluss angelegt worden ist, nach den Angaben im Begleitschein W 59829 A gelautet hat und im angefochtenen Bescheid von dem behördlichen Kennzeichen W 89829 A die Rede ist.

Da die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen ist, das Parteiengehör verletzt hat und die nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beweiswürdigung unschlüssig ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998160221.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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