TE Vfgh Beschluss 1997/9/29 V116/97, V117/97

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Veröffentlicht am 29.09.1997
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
BeitragsO 1996 der Oö Rechtsanwaltskammer Punkt 6 Abs2 litc
BeitragsO 1997 der Oö Rechtsanwaltskammer Punkt 6 Abs2 litc

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung einer Bestimmung der BeitragsO 1996 und 1997 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer betreffend Zuschläge zum Kammerbeitrag mangels Legitimation infolge Außerkrafttretens der BeitragsO 1996 bzw infolge Zumutbarkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 22. Juli 1997 eingelangten Schriftsatz begehrt der Einschreiter, er ist Rechtsanwalt in Oberösterreich, gestützt auf Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung der Z6. Abs2 litc sowohl der Beitragsordnung 1996 als auch der Beitragsordnung 1997 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer.

2. Die bekämpften Rechtsvorschriften - sie sind durch Unterstreichung hervorgehoben - lauten im Zusammenhang wie folgt:

2.1. Beitragsordnung 1996 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, kundgemacht im Anwaltsblatt 1995/11, S. 795 f.:

"6. Absatz 1:

...

Absatz 2:

Zum Kammerbeitrag werden folgende Zuschläge eingehoben:

a)

...

b)

...

c)

Zur Deckung des Vertrauensschadenfonds der OÖ Rechtsanwaltskammer pro Quartal S 3000,-.

d)

...

e)

...

Absatz 3:

..."

2.2. Beitragsordnung 1997 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, kundgemacht im Anwaltsblatt 1996/9, S. 602 f.:

"6. Absatz 1:

...

Absatz 2:

Zum Kammerbeitrag werden folgende Zuschläge eingehoben:

a)

...

b)

...

c)

Zur Deckung des Vertrauensschadenfonds A + B pro Quartal

S 2.250,-.

d)

...

Absatz 3:

..."

2.3. Die Beitragsordnungen bestimmen in ihrer, in beiden Fällen gleichlautenden, Z4. - bezogen auf die Beiträge zur Versorgungseinrichtung -, daß der Gesamtbetrag in vier gleichen Teilbeträgen jeweils zu Beginn eines Kalendervierteljahres bzw. bei Neueintragung mit dem nächstfolgenden Monatsersten, frühestens nach Kundmachung im Anwaltsblatt, fällig ist. In ihrer Z9. bestimmen beide Beitragsordnungen, daß dann, wenn Beiträge mehr als einen Monat nach Ende des Kalendervierteljahres rückständig sind, bei gleichzeitiger Ausstellung eines Rückstandsausweises ein Säumniszuschlag in Höhe von 10 % des überfälligen Betrages zu entrichten ist. In der Z12. der beiden Beitragsordnungen wird übereinstimmend festgelegt, daß die Beitragsordnung solange in Kraft bleibt, bis sie durch eine neue Beitragsordnung ersetzt wird.

3. Zur Antragslegitimation wird vorgebracht, daß dem Antragsteller durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen unmittelbar eine Rechtspflicht auferlegt werde, ohne daß es hiezu einer behördlichen Entscheidung bedürfte. Ein gesondeter Bescheid zur Vorschreibung der Abgabe sei nicht vorgesehen. Dem Antragsteller sei es nicht zumutbar, durch die Nichtzahlung der Beiträge ein Exekutionsverfahren zu provozieren. Die Nichterfüllung der Verbindlichkeiten würde nämlich gegen das Standesrecht der Rechtsanwälte verstoßen und wäre als solche disziplinär zu ahnden. Der Rückstandsausweis stelle einen Exekutionstitel dar; seine Richtigkeit und damit die diesem zugrundeliegende Rechtsvorschrift könne jedenfalls nicht durch das Gericht überprüft werden. Fraglich sei, ob die Möglichkeit der Erwirkung eines Feststellungsbescheides bestehe. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beseitige eine solche Möglichkeit jedoch nicht die Zulässigkeit eines Individualantrages gemäß Art139 Abs1 B-VG, da der einzige Zweck des Feststellungsbescheides im vorliegenden Fall darin bestehen würde, damit ein Mittel zur Herantragung der Bedenken im Wege einer Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erwirken.

Im übrigen werden die Bedenken gegen die bekämpften Vorschriften im einzelnen dargelegt.

4. Die Anträge sind unzulässig.

4.1.1. Nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung eines sogenannten Individualantrages auf Verordnungsprüfung, daß die Verordnung - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist; grundsätzlich das Gleiche gilt gemäß dem kraft des letzten Satzteiles des Art139 Abs1 B-VG sinngemäß heranzuziehenden Art89 Abs3 B-VG, welcher von der - außer Kraft getretenen - anzuwendenden Rechtsvorschrift spricht.

4.1.2. Unter Zugrundelegung des Antragsvorbringens ist es nun ausgeschlossen, daß die im Jahre 1996 durch die Kundmachung der Beitragsordnung für das Jahr 1997 aufgehobene Beitragsordnung für das Jahr 1996 für den Einschreiter noch wirksam ist.

Dem Antragsteller fehlt es darum insoweit, als er die Z6. Abs2 litc der Beitragsordnung 1996 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer anficht, die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch in dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Legitimation zur Anfechtung (vgl. VfSlg. 9868/1983, 12413/1990, 14312/1995, VfGH 13.3.1996 V31/95, VfGH 2.10.1996 V182/95 sowie die die gleiche Rechtslage im Bereich der Anfechtung von Gesetzen betreffenden Beschlüsse VfSlg. 12182/1989 und 13057/1992), sodaß der diesbezügliche Antrag zurückzuweisen war.

4.2.1. Die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durchArt. 139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

4.2.2. Ein solcher anderer Weg zur Abwehr des vorliegenden Eingriffes in seine Rechtsposition steht dem Antragsteller auch zur Verfügung: Ihm ist es möglich und zumutbar, an den Ausschuß seiner Rechtsanwaltskammer (hinsichtlich dessen Zuständigkeit vgl. die §§27 Abs2 letzter Satz und 28 Abs1 litd RAO) einen Antrag auf Rückzahlung der seiner Meinung nach auf der Grundlage von gesetzwidrigen Verordnungsbestimmungen geleisteten Zuschläge zum Kammerbeitrag zur Deckung des Vertrauensschadenfonds zu richten. In einem darüber abzuführenden Verfahren wären die hier bekämpften Rechtsvorschriften präjudiziell. Nach Durchschreiten des Instanzenzuges stünde sodann dem Antragsteller die Möglichkeit offen, seine Bedenken gegen die in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen im Wege einer Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Darüber hinaus kommt dem Antragsteller auch noch die Möglichkeit zu, in sinngemäßer Anwendung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwSlg. 5076 A/1959 und 12297 A/1980) einen Feststellungsbescheid über die ihn treffende Zahlungsverpflichtung zu erwirken, womit ihm ebenfalls nach Durchschreiten des Instanzenzuges der Weg zum Verfassungsgerichtshof eröffnet wäre.

Dem Antragsteller fehlt somit auch hinsichtlich der Beitragsordnung 1997 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer die Antragslegitimation, sodaß auch der zweite Antrag zurückzuweisen war.

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Rechtsanwälte, Rechtsanwaltskammer, Beiträge (Rechtsanwaltskammer)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:V116.1997

Dokumentnummer

JFT_10029071_97V00116_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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