TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/28 W183 2205829-1

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Veröffentlicht am 28.09.2018
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Entscheidungsdatum

28.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GEG §6a Abs1
GEG §8 Abs1
GGG Art.1 §14
GGG Art.1 §16 Abs1 Z1 lita
GGG Art.1 §18 Abs1
GGG Art.1 §18 Abs2 Z2
GGG Art.1 §2 Z1 lita
GGG Art.1 §2 Z1 litb
GGG Art.1 §32 TP1 ZI
JN §56 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2205829-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 06.08.2018, Zl. XXXX, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 14.12.2012 brachte der Beschwerdeführer (in Folge: BF) am Arbeits- und Sozialgericht Wien (in Folge: ASG) eine Klage (Zl. XXXX) ein und begehrte er, es möge festgestellt werden, dass das Dienstverhältnis ungeachtet der ausgesprochenen Entlassung aufrecht sei, in eventu möge eine gegen ihn ausgesprochene Entlassung für rechtsunwirksam erklärt werden. In der Tagsatzung vom 07.11.2014 dehnte der BF das Klagebegehren um das Eventualbegehren, die Beklagte wäre schuldig zu erklären, dem BF EUR 183.436,00 zu bezahlen, aus. Mit Urteil des ASG vom 29.06.2015 wurden die Begehren abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung des BF wurde mit Erkenntnis des Oberlandesgerichts Wien vom 23.09.2016 nicht Folge gegeben. Am 12.04.2018 trug die Revisorin des Oberlandesgerichts Wien die Einhebung noch offener Gebühren auf.

2. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 28.06.2018 wurde dem BF die Zahlung von Gebühren nach TP 1 und die Einhebungsgebühr in Höhe von insgesamt EUR 4.178,00 vorgeschrieben.

Aufgrund der rechtzeitigen Erhebung einer Vorstellung durch den BF trat der Mandatsbescheid ex lege außer Kraft.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (zugestellt am 16.08.2018) wurde dem BF die Zahlung von Gebühren nach TP 1 in Höhe von EUR 4.170,00 (Bemessungsgrundlage: EUR 184.186,00) sowie einer Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00 vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, der Gebührenanspruch sei mit Überreichung der Klage bzw. Ausdehnung des Klagebegehrens entstanden.

4. Mit Schriftsatz vom 06.09.2018 (Poststempel vom 07.09.2018) erhob der BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass er gegenüber seiner Rechtsvertretung alle Zahlungsforderungen beglichen habe. Ein Fehlbetrag könne nur auf einem Fehlverhalten eines Mitarbeiters der belangten Behörde beruhen.

5. Mit Schriftsatz vom 12.09.2018 (eingelangt am 17.09.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF beantragte in seiner am 14.12.2012 überreichten Klage folgendes Urteil:

"Es wird zwischen den Streitteilen festgestellt, dass das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei ungeachtet einer mit Schreiben vom 28.11.2012 ausgesprochenen fristlosen Entlassung ungelöst aufrecht ist; die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen." sowie in eventu:

"Die von der beklagten Partei gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 28.12.2012 ausgesprochene fristlose Entlassung wird für rechtsunwirksam erklärt."

1.2. In der Verhandlung am ASG vom 07.11.2014 wurde Folgendes protokolliert:

"KV [Anm. Rechtsvertreter des nunmehrigen BF] erklärt (um 09:25 Uhr), das Klagebegehren in Form eines Eventualbegehrens für den Fall der Abweisung des Kündigungsanfechtungsbegehrens wie folgt auszudehnen. Die Beklagte sei schuldig, dem Kläger den Betrag von €

183.436,00 brutto samt 8% Zinsen über den Basiszinssatz ab 08.11.2014 zu bezahlen und die Kosten zu ersetzen."

1.3. Die Klage des BF wurde mit Urteil des ASG vom 29.06.2015 abgewiesen und der dagegen erhobenen Berufung mit Erkenntnis des Oberlandesgerichts Wien vom 23.09.2016 nicht Folge gegeben.

1.4. Für die unter Punkt 1.1. und 1.2. festgestellten Begehren wurden bislang keine Gebühren überwiesen oder eingezogen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des gerichtlichen Grundverfahrens. Insbesondere relevant sind der Klageschriftsatz des BF vom 14.12.2012 und das Protokoll der Verhandlung am ASG vom 07.11.2014, Zl. XXXX.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (in Folge: B-VG), erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2.2. Zur anwendbaren Rechtslage

Mangels besonderer materiell-rechtlicher Anordnungen über den Wirksamkeitszeitpunkt ist im Abgabenrecht prinzipiell jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde (VwGH 20.04.1998, Zl. 97/17/0414; zum Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften allgemein siehe etwa VwGH 31.08.2016, Ro 2014/17/0103 mwN).

Gemäß § 2 Z 1 lit. a Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG), wird der Anspruch des Bundes hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage begründet. Gemäß lit. b leg. cit. wird der Anspruch des Bundes hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren, wenn das Klagebegehren erweitert wird, mit dem Zeitpunkt der Überreichung des Schriftsatzes begründet; wird das Klagebegehren erweitert, ohne dass vorher die Klagserweiterung mit einem Schriftsatz dem Gericht mitgeteilt worden ist, so entsteht eine allfällige zusätzliche Pauschalgebühr mit dem Beginn der Protokollierung. Auf den gegenständlichen Fall ist daher die am 07.11.2014 geltende Rechtslage anwendbar, die Grundlage für die Gebührenbemessung ist TP 1 I GGG in der Fassung BGBl. I Nr. 69/2014.

Zur Zahlungspflicht und Gebührenhöhe

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GGG ist bei zivilgerichtlichen Verfahren der Antragsteller (Kläger) zahlungspflichtig. Der BF brachte am 14.12.2012 die Klage bzw. am 07.11.2014 das erweiterte Klagebegehren ein und wurde somit zahlungspflichtig.

Gemäß TP 1 Z I GGG wird die Höhe der Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz nach dem Wert des Streitgegenstandes bestimmt. Bei einem Wert des Streitgegenstandes über EUR 140.000,00 bis EUR 210.000,00 beträgt die Höhe der Gebühren EUR 4.170,00.

Gemäß Anm. 8 zu TP 1 GGG sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten (einschließlich Mahnklagen und gerichtliche Aufkündigungen) bei einem Wert des Streitgegenstandes bis EUR 1.450,00 gebührenfrei.

Die Gebührenfreiheit gem. Anm. 8 zu TP 1 GGG stellt eine Freigrenze (und keinen Freibetrag) dar.

Zur Bewertung des Streitgegenstandes

Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 Jurisdiktionsnorm, RGBl. Nr. 111/1895 (in Folge: JN).

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a GGG beträgt die Bemessungsgrundlage EUR 750,00 bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, soweit nicht ein Geldbetrag - sei es in einem Leistungs- oder in einem sonstigen Begehren, etwa einem Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren - Gegenstand der Klage ist.

Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich, Abs. 2 leg. cit. normiert jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz: Gemäß Z 2 ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen, wenn der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Gemäß § 56 Abs. 1 JN ist die in der Klage angegebene Geldsumme maßgebend, wenn sich der Kläger erbietet, an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen oder er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme stellt.

Ein in einem Geldbetrag bestehender Streitgegenstand liegt immer dann vor, wenn im Klagebegehren selbst die begehrte Leistung mit einer Geldsumme ausgedrückt wird (VwGH 18.09.2007, 2007/16/0033; vgl. VwGH 30.03.2000, 97/16/0195).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs knüpft die Gerichtsgebührenpflicht bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. etwa VwGH 24.09.2009, Zl. 2009/16/0034, sowie die in Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren13, unter E 12 und 13 zu § 1 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).

Zur Verjährung

Gemäß § 8 Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (in Folge: GEG), verjährt der Anspruch des Bundes auf Entrichtung von Gerichtsgebühren in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und die Person des Zahlungspflichtigen feststeht, frühestens jedoch mit rechtskräftiger Beendigung des Grundverfahrens.

3.2.3. Für den gegenständlichen Fall ergibt sich damit Folgendes:

Die ursprünglich eingebrachte Klage des BF wurde gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a GGG als arbeitsrechtliche Streitigkeit mit EUR 750,00 bewertet, da kein Geldbetrag Gegenstand der Klage war. Gemäß Anm. 8 zu TP 1 GGG war die Klage zu diesem Zeitpunkt gebührenfrei, da sich dieser Streitwert unter der Freigrenze von EUR 1.450,00 befand.

Mit der Erweiterung der Klage in der Tagsatzung vom 07.11.2014 um das Eventualbegehren, für den Fall der Abweisung des Kündigungsanfechtungsbegehrens sei die Beklagte schuldig zu erklären, dem Kläger den Betrag von EUR 183.436,00 zu bezahlen, wurde jedoch ausdrücklich ein Geldbetrag Gegenstand der Klage und somit gemäß § 56 Abs. 1 JN Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren.

Die Pauschalgebühr nach TP 1 Z I GGG war somit gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG unter Zugrundelegung dieses höheren Streitwertes zu berechnen; da bis zu diesem Zeitpunkt keine Pauschalgebühr entrichtet worden war, war auch keine einzurechnen.

Da sich die Bemessungsgrundlage im Rahmen zwischen EUR 140.000,00 und EUR 210.000,00 befindet, waren und sind noch EUR 4.170,00 an Gebühren zu entrichten; gemäß § 6a Abs. 1 GEG war auch die Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00 vorzuschreiben, da die Gebühren nicht sogleich entrichtet worden und durch Bescheid zu bestimmen waren. Da das Grundverfahren am 23.09.2016 abgeschlossen wurde, ist der Anspruch des Bundes auf Entrichtung der Gebühren auch noch nicht verjährt. Der BF hat somit den Betrag von EUR 4.178,00 an Gerichtsgebühren zu entrichten.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt abschließend zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.2.4. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im vorliegenden Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132, wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen).

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen ist die Rechtslage als eindeutig zu bezeichnen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053), weshalb auch aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitsrechtsstreit, Bemessungsgrundlage, Einhebungsgebühr,
Eventualbegehren, Geldbetrag, Gerichtsgebührenpflicht,
Klagsausdehnung, Pauschalgebührenauferlegung, Streitwert,
Verjährungsfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2205829.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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