RS Vfgh 2018/10/4 G132/2018

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Veröffentlicht am 04.10.2018
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Index

50/03 Personen- und Güterbeförderung

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KflG §7 Abs1 Z4 litb, §14 Abs1, Abs2, Abs4
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EU-Grundrechte-Charta Art15 Abs2, Art16
AEUV Art107
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und des Gleichheitsrechts durch Bestimmungen des KraftfahrlinienG betreffend die Prüfung einer "ernsthaften Gefährdung" von bestehenden Kraftfahrlinien als Ausschlussgrund für die Erteilung einer Berechtigung zum Betrieb einer (grenzüberschreitenden) Kraftfahrlinie für einen neuen Konzessionswerber; verhältnismäßiger Konkurrenzschutz wegen besonderer Pflichten der Konzessionsinhaber und Ausnahmen für touristische Zwecke gegeben; Prüfung der "ernsthaften Gefährdung" durch das Verwaltungsgericht mit Bedachtnahme auf den Einnahmenausfall sowie der wirtschaftlichen Betriebsführung des bestehenden Verkehrsunternehmens

Rechtssatz

Abweisung eines Antrags des Verwaltungsgerichtes Wien (VwG Wien) auf Aufhebung von § 7 Abs 1 Z4 litb sowie §14 Abs1, Abs2 und Abs4 Kraftfahrliniengesetz - KflG idF BGBl I 58/2015.

Keine entschiedene Sache hinsichtlich des (mit)angefochtenen §7 Abs1 Z4 litb KflG: Der VfGH sprach im Erkenntnis vom 29.09.2017, G243/2016 ua, unter anderem aus, dass das Verwaltungsgericht, soweit es sich gegen die konkreten Umstände im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Betriebsführung der (bestehenden) Kraftfahrlinie gewandt bzw Bedenken gegen die konkrete gesetzliche Regelung betreffend die "ernsthafte Gefährdung" in §7 Abs1 Z4 litb KflG vorgebracht habe, zu Unrecht die Rechtsvorschrift des §14 Abs2 KflG nicht (mit)angefochten habe. Aus diesem Grund war es dem VfGH im zitierten Erkenntnis verwehrt, über diese verfassungsrechtlichen Bedenken, die auch Gegenstand des vorliegenden Antrages des VwG Wien sind, abzusprechen.

Im Erkenntnis VfGH 29.09.2017, G243/2016 ua, kam der VfGH aus Anlass von Anträgen des Verwaltungsgerichtes zum Ergebnis, dass §7 Abs1 Z4 litb KflG idF BGBl I 58/2015 nicht gegen die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG, den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG, die Art15 Abs2 und 16 GRC sowie Art3 und Art9 B-VG verstößt. Im Hinblick auf den behaupteten Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG führte der VfGH aus, es könne dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er zur Erreichung des im erheblichen öffentlichen Interesse gelegenen, übergeordneten Zieles eines möglichst gut funktionierenden Systems des linienmäßigen Personenverkehrs den Autobussektor wirtschaftlich lebensfähig erhalten möchte. Zur Erreichung des Zieles einer optimalen Versorgung der Bevölkerung mit einer öffentlichen Personenverkehrsdienstleistung sei eine Regelung verfassungsrechtlich zulässig, die im Ergebnis auch einen Konkurrenzschutz bewirke. Dies sei dadurch gerechtfertigt, dass Konzessionen nur für bestimmte Strecken erteilt würden, die Konzessionsinhaber besonderen Pflichten unterworfen seien (wie der Betriebs- und Beförderungspflicht sowie dem Tarif-, Beförderungsbedingungs- und Fahrplanzwang) und darüber hinaus eine Ausnahme hinsichtlich des im Wesentlichen touristischen Zwecken dienenden Kraftfahrlinienverkehrs vorgesehen sei.

Keine Bedenken gegen die konkrete gesetzliche Regelung betreffend die "ernsthafte Gefährdung" in §7 Abs1 Z4 litb iVm §14 Abs1, 2 und 4 KflG im Hinblick auf die Erwerbsausübungsfreiheit:

§14 Abs2 und 4 KflG stellt hinsichtlich der "ernsthaften Gefährdung" nicht nur auf den durch eine neu hinzutretende Kraftfahrlinie zu erwartenden (einschneidenden) Einnahmenausfall im Zusammenhang mit einer bestehenden Kraftfahrlinie ab, sondern setzt den Einnahmenausfall - wie der Wortlaut des §14 Abs2 und 4 KflG nahelegt - auch in Konnex zu einer wirtschaftlichen Betriebsführung; das Verwaltungsgericht hat sohin das Vorliegen einer wirtschaftlichen Betriebsführung im Rahmen der Gefährdungsprognose gemäß dem Grundsatz der Amtswegigkeit iSd §39 Abs2 AVG - allenfalls unter Mitwirkung des die bestehende Kraftfahrlinie betreibenden Unternehmens gemäß §14 Abs4 KflG - zu prüfen. Daran vermag auch der im Zuge der Novelle BGBl I 32/2013 eingefügte §7 Abs1 Z4 litb zweiter Halbsatz KflG nichts zu ändern, der in Umsetzung des Urteils des EuGH vom 22.12.2010, Rs C-338/09, Yellow Cab Verkehrsbetriebs GmbH, besondere Kriterien für den Ausschluss von im Wesentlichen touristischen Zwecken dienenden Kraftfahrlinien normiert.

Sachliche Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit der im öffentlichen Interesse liegenden Zielsetzung der angefochtenen Bestimmungen im Hinblick auf linienmäßige Personenverkehrsdienstleistungen sowie auf den Gleichheitssatz gem Art2 StGG und Art7 B-VG.

Ungeachtet der Frage, ob in den angefochtenen Regelungen überhaupt eine "Durchführung des Rechts der Europäischen Union" (Art51 Abs1 GRC) gesehen werden kann, liegt der behauptete Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen Art15 Abs2 und Art16 GRC ebenfalls nicht vor. Sinngemäßer Verweis auf die Ausführungen zur Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kraftfahrlinien, Konzessionserteilung, Gewerberecht, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Präjudizialität, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G132.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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