TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/18 98/10/0004

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Veröffentlicht am 18.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §52;
LMG 1975 §74 Abs5 Z1;
LMG 1975 §77 Abs1 Z19;
LMKV §1 Abs1;
LMKV §4 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des D in 8950 Stainach, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 16. Dezember 1992, Zl. 12-75 Wi 4/5-1992, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer - in Bestätigung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft L. - schuldig erkannt, er habe es als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der A. KG in St. zu verantworten, dass - wie anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 5. Februar 1990, 05.00 Uhr in Wien, St. Marx (Probenziehung direkt vom Kühl-LKW St...), festgestellt worden sei - zehn Packungen "Extrawurst-Du darfst vac. pack" in Verkehr gebracht worden seien, die nicht die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente im Sinne der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 (LMKV) aufgewiesen hätten.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 5 Z. 1 iVm § 77 Abs. 1 Z. 19 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) iVm § 3 Abs. (richtig: Z.) 7 und 9a LMKV verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb gemäß § 74 Abs. 5 LMG 1975 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen) verhängt.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung im Wesentlichen die Auffassung vertreten, das gegenständliche Produkt sei als "Halbdauerware" und nicht als "sonstige" Ware im Sinne des Lebensmittelbuches, Kodexkapitel B 14, einzustufen. Die Lebensmitteluntersuchungsanstalt habe auch nicht festgestellt, dass das Produkt nicht die Haltbarkeit einer Halbdauerware aufweise.

Auf dieses Vorbringen habe die Lebensmitteluntersuchungsanstalt in einer Stellungnahme vom 12. Juni 1992 erwidert, der Beschwerdeführer übersehe, dass infolge der unterschiedlichen Eigenschaften von Lebensmitteln die Haltbarkeit nur unter bestimmten, für das jeweilige Lebensmittel typischen Voraussetzungen gegeben sei. Auf diese würden die betreffenden Kapitel des Österreichischen Lebensmittelbuches Bezug nehmen. Wie bereits im Gutachten vom 10. April 1991 ausgeführt, richte sich die Beurteilung der Haltbarkeit eines Lebensmittels nicht nur nach seiner Fähigkeit, bis zum Ende der Lagerfrist gewisse organoleptische Eigenschaften beizubehalten. Diese würden bei mangelnder Haltbarkeit durch äußere Einflüsse, wie bakterielle Aktivität, Einwirkung von Licht oder Luftsauerstoff usw. beeinträchtigt. Ein wesentlicher Umstand, der in der Bewertung der langfristigen Haltbarkeit von Fleischwaren einzubeziehen sei, sei die Sicherheit gegen das Vorhandensein von Sporen bildenden Bakterien, insbesondere gegen Clostridium botulinum. Dieser Keim könne in verschiedenen Lebensmitteln, so auch in Fleischwaren, vorkommen und das betreffende Lebensmittel durch seine Toxine in einen gesundheitsschädlichen Zustand versetzen, ohne dass die organoleptischen Eigenschaften desselben wesentlich verändert würden. Da dieser Keim nur unter Luftabschluss wachse, finde er in luftdichten Verpackungen für ihn günstige Bedingungen, insbesondere wenn ihm durch eine lange Lagerung genügend Zeit zum Wachstum geboten werde. Das beanstandete Produkt sei durch Hitze haltbar gemacht und befinde sich einer nicht formbeständigen Umhüllung. Um die genannten Sporen abzutöten, schreibe das Österreichische Lebensmittelbuch im Kapitel B 14 "Fleisch und Fleischwaren", im Abschnitt IV. Konserven, für durch Hitze haltbar gemachte Fleischwaren, Fleischgerichte und Gerichte mit Fleisch die Verwendung bestimmter Umhüllungen und im Absatz 28 bestimmte Sterilisierungsverfahren, d.h. die Herstellung von Konserven, vor. Im gegenständlichen Fall sei eine entgegen den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches durch Hitze haltbar gemachte Fleischware in einer nicht formbeständigen Umhüllung mit der Haltbarkeitsangabe einer Haltdauerware in Verkehr gesetzt worden, welche allerdings aus den angeführten Gründen keine solche sein könne.

Nach der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides habe der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme zu dieser Äußerung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die belangte Behörde sei jedoch der Auffassung, dass sich der Tatvorwurf durch die fachlichen Äußerungen erhärtet habe. Die Maßgeblichkeit des Österreichischen Lebensmittelbuches und der Richtlinien sei in den §§ 51 ff LMG 1975 klargelegt. Der Bundesminister habe von der eingeräumten gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht und im verfahrensgegenständlichen Kodexkapitel entsprechende Richtlinien erarbeiten lassen. Die exemplarische Nennung von besonders gefährlichen Sporen bildenden Bakterien solle den Schutzzweck der gegenständlichen Richtlinien bzw. der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 insoferne unterstreichen, als nicht hinreichend verpackte bzw. gekennzeichnete Fleischprodukte auf Grund ihrer Beschaffenheit Gefahr laufen könnten, irgendwelchen Sporen bildenden Bakterien mit ihrer Schädigungsmöglichkeit Nährboden zur Entwicklung zu bieten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. September 1996 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt,

"1.) den Abs. 2 des VStG - Übergangsrechts 1991, Anlage 2 der Wiederverlautbarungskundmachung, BGBl. Nr. 52/1991, als verfassungswidrig aufzuheben,

2.) in eventu auszusprechen, dass die Verweisung '77 Abs. 1 Z. 19' in § 74 Abs. 5 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975)

bis zum Ablauf des 31. Dezember 1990 verfassungswidrig war, in eventu die in Pkt. 2. genannte Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben."

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. Dezember 1997, G 217/96 u.a., diesem Antrag keine Folge gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 LMKV sind Lebensmittel, sofern sie im Inland gewerbsmäßig verkauft, feilgehalten oder sonst in Verkehr gesetzt werden, entsprechend den Bestimmungen dieser Verordnung zu kennzeichnen.

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 der genannten Verordnung unterliegen der Kennzeichnungspflicht verpacktes Fleisch, Fleischerzeugnisse sowie Erzeugnisse mit einem Zusatz von Fleisch oder Fleischerzeugnisse, soweit der Zusatz nicht nur der Garnierung dient, wenn es sich dabei um sonstige Waren handelt (lit. c) u. a. im Umfang des § 3 Z. 9 lit. a. Nach dieser Bestimmung gehören zu den Kennzeichnungselementen der Zeitpunkt der Verpackung in unverschlüsselter Form, bestimmt nach Tag, Monat und Jahr. Diese Kennzeichnungspflicht gilt jedoch nicht für Dauerwaren (lit. a) und Halbdauerwaren (lit. b).

Nach § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 begeht unter anderem derjenige eine Verwaltungsübertretung, der den Bestimmungen der im § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG 1975 angeführten Rechtsvorschriften zuwiderhandelt. Im § 77 Abs. 1 Z. 19 LMG 1975 wird die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 angeführt.

Der Beschwerdeführer rügt u.a. den gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe gegen § 3 Z. 7 LMKV verstoßen. Dem Spruch des angefochtenen Bescheides lasse sich auch nicht entnehmen, welche vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente das gegenständliche Produkt nicht aufgewiesen habe. Ferner lasse der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe die "Inverkehrsetzung" der näher beschriebenen Ware zu verantworten, nicht mit der gemäß § 44a Z. 1 VStG gebotenen Deutlichkeit erkennen, worin die "Inverkehrsetzung" bestanden habe und wann diese erfolgt sei.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Das streitgegenständliche Produkt enthält in seiner Deklaration einen ausdrücklichen Hinweis auf die Aufbrauchsfrist. Damit erübrigte sich ein Hinweis auf eine beschränkte Haltbarkeit gemäß § 3 Z. 7 LMKV, was im Übrigen die MA 60 in ihrer Stellungnahme vom 10. April 1991 hervorgehoben hat.

Mit dem bloßen Hinweis, der Beschwerdeführer sei dafür verantwortlich, dass zehn Packungen des genannten Produktes "in Verkehr gebracht wurden, die nicht die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente im Sinne der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung aufwiesen", wird auch nicht mit der gemäß § 44a Z. 1 VStG erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, welche Tat - Handlung oder Unterlassung - dem Beschwerdeführer als Verwaltungsübertretung zur Last gelegt worden ist; es lässt sich aus dem Spruch des bekämpften Bescheides auch nicht erkennen, worin das "Inverkehrbringen" bestanden habe bzw. durch welche Vorgangsweise dies geschehen sein soll (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Februar 1983, Zl. 81/10/0046). Ebenso ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen, wann der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Tat begangen haben soll.

Soweit in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, die Stellungnahmen der Lebensmitteluntersuchungsanstalt seien in keiner Weise geeignet, den Standpunkt zu erhärten, dass das streitgegenständliche Produkt keine Haltdauerware im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. b LMKV, sondern eine sonstige Ware im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. c sei, kann ihr dabei allerdings nicht gefolgt werden.

Bereits in dem Erkenntnis vom 22. Mai 1979, Zl. 2377/78, hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die Ausdrücke Dauerware, Halbdauerware und sonstigen Waren, nicht selbst näher erläutert hat und es sich dabei auch nicht um Ausdrücke handle, deren Bedeutung bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einer näheren Bestimmung zugänglich ist. Es könne daher nur angenommen werden, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung der Worte Dauerware, Halbdauerware und sonstige Waren Bezeichnungen von Produkten übernehmen wollte, die der Übung der betreffenden Branche entstammen. Aufgabe der Behörde bei Vollziehung der betreffenden Vorschrift sei es daher, durch ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren festzustellen, was in der betreffenden Branche etwa unter Halbdauerware zu verstehen ist. Durch Gutachten einer Lebensmitteluntersuchungsanstalt können dabei zur Bestimmung des Begriffes der Halbdauerware nach Branchenübung Aussagen getroffen werden (vgl. auch das Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, Zl. 92/10/0184).

Den von der belangten Behörde zitierten Stellungnahmen der Magistratsabteilung 60 (Lebensmitteluntersuchungsanstalt) vom 10. April 1991 und vom 12. Juni 1992 kann mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass Fleischwaren der gegenständlichen Art (Extrawurst) in nicht formbeständigen Umhüllungen nicht als Dauer- oder Halbdauerware einzustufen sind. Der Beschwerdeführer erhielt zu diesen Ausführungen im Verfahren vor der belangten Behörde Parteiengehör. In seiner Stellungnahme dazu beschränkte sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, die Ausführungen der Lebensmitteluntersuchungsanstalt zu bestreiten.

Auf Grund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Oktober 1999

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung falsche Angaben Gutachten Beweiswürdigung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998100004.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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