TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W156 2199436-1

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Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4
VwGVG §15
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W156 2199436-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin in der Beschwerdesache von F XXXX H XXXX , VSNR XXXX XXXX , vertreten durch RAe Masser & Partner Singerstraße 27, 1010 Wien, gegen den Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.06.2018, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt 1. als

unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt 2., 3. und 4. stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung betreffend Spruchpunkt 2., 3. und 4. aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (in Folge: belangte Behörde) vom 13.04.2018 wurde festgestellt, dass Herr F XXXX H XXXX (in Folge: BF) für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2006 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege.

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 15.05.2018 fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt: "[...] Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 14.11.2017 die Ausstellung eines Bescheides hinsichtlich des offenen Rückstandes, welcher bis heute noch nicht erlassen wurde. Die belangte Behörde strengte indes ein Verfahren zur Prüfung des Bestandes einer Pflichtversicherung an, welches in der Erlassung des hier bekämpften Bescheides endete.

Einleitend ist festzuhalten, dass es seit Beendigung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht keiner Feststellung einer Beitragspflicht des Beschwerdeführers mehr bedarf, da die Einkommensteuerbescheide mit 17.012012 rechtskräftig wurden, welche die Grundlage für die Berechnung der Beitragshöhe darstellen. Diese rechtskräftigen Bescheide wurden der belangten Behörde am 26.09.2013 übermittelt und es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde in dem hier bekämpften Bescheid erneut die Feststellung der Versicherungspflicht vorgenommen hat, statt dem Antrag des Beschwerdeführers folgend einen Abrechnungsbescheid über die längst festgestellte Versicherungspflicht zu erlassen.

Hätte die Beitragspflicht erst festgestellt werden müssen, wäre es für die Behörde nicht möglich gewesen, eine Vorschreibung per Kontoauszug vom 21.10.2017 zu machen. Auf diese erste Vorschreibung hin ersuchte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14.11.2017 wörtlich um "eine Bescheidausfertigung mit genauer und detaillierter Aufstellung und Begründung, bzw. Einspruchsmöglichkeiten", sohin um Ausstellung eines sogenannten Abrechnungsbescheides.

Der Bestand der Pflichtversicherung wurde vom Beschwerdeführer nie bestritten. Spätestens mit Beendigung des Berufungsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof in letzter Instanz durch Beschluss vom 29.012014 wurde auch über die Beitragspflicht höchstgerichtlich entschieden, weshalb der in dieser Beschwerde bekämpfte Bescheid überflüssig ist. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde nach Übermittlung der rechtskräftigen Bescheide durch den vorgesehenen Datenaustausch zwischen ihr und der Finanzbehörde am 26.09.2013 erneut die Feststellung der Beitragspflicht prüft, statt ab Fälligkeit die Beiträge vorzuschreiben.

[...]

Da für den Beschwerdeführer - so wie auch für das Finanzamt - das Bestehen der Beitragspflicht feststand, ersuchte er mit Schreiben vom 14.11.2017 um Ausstellung eines Abrechnungsbescheides. Dem berechtigten Anspruch des Beschwerdeführers, einen Abrechnungsbescheid zu verlangen, ist die Behörde nicht nachgekommen. Diesen Bescheid hat er bis heute nicht erhalten."

I.3. Im Verfahren über die Beschwerde erließ die belangte Behörde am 04.06.2018 gemäß

§ 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der Spruch abgeändert wurde. Dieser lautete nunmehr:

"Gemäß S 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird aufgrund der Beschwerde vom 15.05.2018 (eingelangt bei der Beschwerdegegnerin am 18.05.2018) gegen den Bescheid vom 13.04.2018 entschieden wie folgt:

Der Bescheid vom 13.04.2018 wird dahingehend ergänzt, sodass er nun lautet:

1.) Sie unterliegen in der Zeit von 01.012002 bis 31.12.2006 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG.

2.) Sie sind zum 01.06.2018 verpflichtet, einen Betrag von €

34704,43 an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum von 01.012002 bis 31.12.2006 zu bezahlen.

3.) Sie sind weiters verpflichtet, für den Zeitraum von 01.012002 bis 31.12.2006 einen Beitragszuschlag in Höhe von € 3.227 zu entrichten.

4.) Sie sind weiters verpflichtet, für den Zeitraum von 01.012002 bis 301.12.2006 Verzugszinsen in Höhe von € 530,26 sowie weitere Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % ab 02.06.2018 aus einem Kapital von € 34.704,43 zu bezahlen."

I.4. Mit Schreiben vom 20.06.2018 stellte der Rechtsvertreter des BF fristgerecht einen Antrag auf Vorlage. Begründend wurde ausgeführt:

"[...] Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 14.112017 die Ausstellung eines Bescheides hinsichtlich des offenen Rückstandes. Die belangte Behörde strengte indes ein Verfahren zur Prüfung des Bestandes einer Pflichtversicherung an.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 04.06.2018, zugestellt am 06.06.2018, wurde über die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 15.05.2018 entschieden. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid vom 14.04.2018, gegen den sich die Beschwerde des Beschwerdeführers richtete, dahingehend abgeändert, dass sie über die Höhe der vermeintlich zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge sowie die bis dahin angefallenen Verzugszinsen und Nebengebühren abgesprochen hat.

Die belangte Behörde ergänzt den Sachverhalt um die in der Datei des Hauptverbandes gespeicherten Informationen hinsichtlich Beitragsgrundlagen aus bestandenen Dienstverhältnissen für den Zeitraum von 01.05.2002 bis 04.06.2004.

[...]"

In Folge wurde vom BF noch Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen vorgebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF unterliegt der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2006.

Der verfahrensauslösende Bescheid der belangten Behörde vom 13.04.2018 spricht über die Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG für den 01.01.2002 bis 31.12.2006 ab.

Die Beschwerdevorentscheidung vom 04.06.2018 spricht in Spruchpunkt 2. über die Verpflichtung zur Entrichtung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum von 01.01.2002 bis 31.12.2006 in Höhe von € 34704,43, in Spruchpunkt 3. über die Verpflichtung zur Entrichtung eines Beitragszuschlages in Höhe von €

3.227 für den Zeitraum von 01.01.2002 bis 31.12.2006 und in Spruchpunkt 4. über die Verpflichtung zur Entrichtung von Verzugszinsen in Höhe von € 530,26 für den Zeitraum von 01.01.2002 bis 31.12.2006 sowie weitere Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % ab 02.06.2018 aus einem Kapital von

€ 34.704,43 ab.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verfahrensakten der belangten Behörde.

Dass der BF der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG für den 01.01.2002 bis 31.12.2006 unterliegt, ergibt sich aus dem Vorbringen des BF in der Beschwerde und Beschwerdevorentscheidung und wurde nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A I.) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist, pflichtversichert. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen.

Das Vorliegen einer Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung im Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2006 wurde von BF nicht bestritten und war die Beschwerde daher betreffend Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu A.II.) Stattgabe der Beschwerde

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, kam es zu einer Ergänzung des Spruches in der Beschwerdevorentscheidung. Durch diese Ergänzung erfolgte eine Überschreitung des aus Ursprungsbescheid und Beschwerde gebildeten Verfahrensgegenstandes (siehe dazu § 27 in Verbindung mit § 9 VwGVG) des verwaltungsgerichtlichen (Vor-)Verfahrens.

Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides war die Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG; mit den Ergänzungen um die Verpflichtung zur Entrichtung der ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge, Vorschreibung eines Beitragszuschlages und der Verzugszinsen in der Beschwerdevorentscheidung blieb die Identität der Sache nicht gewahrt (Vgl. VwGH vom 08.05.2018, Zl. Ro 2018/08/0011).

Indem die belangte Behörde den Verfahrensgegenstand durch die Beschwerdevorentscheidung überschritten hat, belastete sie diese durch Rechtswidrigkeit.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 23.05.2017 hinsichtlich der Spruchpunkte 2. bis 4. aufzuheben.

Ergänzend darf angemerkt werden, dass der von BF mit 14.11.2017 gestellten Antrag auf Bescheidausfertigung betreffend Feststellung der Sozialversicherungsbeiträge weiterhin als offen anzusehen ist. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren daher einen eigenen Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte 2. bis 4. der Beschwerdevorentscheidung zu erlassen haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Beitragsrückstand,
Beschwerdevorentscheidung, Identität der Sache, Pflichtversicherung,
Verfahrensgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W156.2199436.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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