TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/20 99/04/0129

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Veröffentlicht am 20.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs1;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs4;
GewO 1994 §359b Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1.) des W R und

2.) der H R, beide in I, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. März 1999, Zl. IIa-60.005/1-99, betreffend Verfahren gemäß § 359 b GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: H H in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wies der Landeshauptmann von Tirol mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 26. März 1999 die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. Jänner 1999, mit dem festgestellt worden war, dass die von der mitbeteiligten Partei zur Genehmigung beantragte näher bezeichnete Betriebsanlage den Bestimmungen des § 359 b GewO 1994 entspreche, erhobene Berufung als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Landeshauptmann im Wesentlichen aus, am 15. April 1996 habe die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung für den Betrieb eines Tennis-Cafes an einem näher bezeichneten Standort gestellt. Im Laufe des umfangreichen Ermittlungsverfahrens hätten die Beschwerdeführer, die nahe des Projektes ein Appartementhaus betrieben, zahlreiche Einwendungen erhoben. Am 17. Juni 1996 habe eine Augenscheinsverhandlung unter Beiziehung der notwendigen Sachverständigen und des Arbeitsinspektors stattgefunden. Mit Bescheid vom 19. Jänner 1999 sei die gewerbebehördliche Genehmigung gemäß §§ 359 b Abs. 1 Z. 2, 148 Abs. 1 GewO 1994 für diesen Betrieb unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt worden. Die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen seien mangels Parteistellung zurückgewiesen worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer sei die Zurückweisung ihrer Einwendungen mangels Parteistellung zu Recht erfolgt. Es handle sich vorliegend um ein vereinfachtes Verfahren gemäß § 359 b GewO 1994, sodass die Parteistellung zu Recht verneint worden sei. Auch ein Berufungsrecht stehe den Beschwerdeführern somit nicht zu. Die Erstbehörde habe in ihrem Bescheid vom 19. Jänner 1999 ausdrücklich die Beschaffenheit der Anlage im Sinne der §§ 359 b Abs. 1 Z. 2, 148 Abs. 2 GewO 1994 festgestellt. An der Richtigkeit dieser Feststellung zu zweifeln, bestehe keine Veranlassung. Insbesondere könne die Behörde die Beschaffenheit einer Anlage im Sinne dieser Gesetzesstellen im laufenden Verfahren jederzeit feststellen. Der Auffassung der Beschwerdeführer, die Durchführung einer Augenscheinsverhandlung und die Erhebung von Einwendungen stehe dem vereinfachten Verfahren entgegen, könne nicht gefolgt werden. Dem Umstand, dass die Beschwerdeführer durch Erhebung von Einwendungen in der gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 abgeführten mündlichen Verhandlung erster Instanz zunächst Parteistellung in diesem Verfahren erlangt haben, komme keine Entscheidungsrelevanz zu. Ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens zu Recht angenommen worden seien, sei durch die Berufungsbehörde nicht zu überprüfen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Juni 1999, Zl. B 841/99-3, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren, insbesondere im Recht auf das Verfahren vor der zuständigen Behörde und im Recht auf Gehör, verletzt. Aus den Ausführungen in der Beschwerde ergibt sich überdies, dass sie sich in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt erachten. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen sie vor, sie hätten schon im Verfahren erster Instanz aufgezeigt, dass die flächenmäßige Ausdehnung der Betriebsanlage im Sinne des § 359 b GewO 1994 mehr als 1000 m2 betrage und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW überstiege. Wenn die Erstbehörde von einem nach § 356 GewO 1994 eingeleiteten Verfahren zu einem solchen nach § 359 b Abs. 1 leg. cit. umzuschwenken gedenke und damit implicite den Beteiligten ihre bisherige Parteistellung aberkenne, müsse sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens unter Bedachtnahme auf die Einwände der bisherigen Parteien prüfen, um zu einer nachvollziehbaren Feststellung bei der Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens zu kommen. Gerade dies habe die Erstbehörde unterlassen und die entsprechende Feststellung getroffen, obwohl die hiefür notwendigen Beweisergebnisse nicht vorgelegen seien. Dennoch habe die belangte Behörde keine Notwendigkeit gesehen, dieses Beweis- bzw. Ermittlungsdefizit zu beseitigen. Hätte die Erstbehörde bzw. die belangte Behörde ein entsprechendes Beweisverfahren durchgeführt, hätte sich herausgestellt, dass die Betriebsfläche der gegenständlichen Anlage 1959 m2 betrage, sodass die Voraussetzungen der Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nicht gegeben seien. Die Beschwerdeführer hätten im erstbehördlichen Verfahren durch die Erhebung von Einwendungen Parteistellung erlangt. Selbst wenn man der Auffassung der belangten Behörde folgte, ein Wechsel des Genehmigungsverfahrens nach § 356 Abs. 3 GewO 1994 zu einem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 359 b Abs. 1 Z. 2 leg. cit. stehe der Behörde frei, hätte sie - auf Grund der gegebenen Parteistellung der Beschwerdeführer - diesen Gelegenheit geben müssen, zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 359 b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 Stellung zu nehmen. Dies sei jedoch nicht geschehen, es habe vielmehr die Erstbehörde die Beschwerdeführer mit ihrer Entscheidung geradezu überrascht und damit letztlich auch deren rechtliches Gehör verletzt. Es hätte zumindest diese Frage mit den Parteien erörtert und ein entsprechendes Beweisverfahren durchgeführt werden müssen. In Verkennung der rechtlichen Situation hätten sowohl die Erstbehörde als auch die belangte Behörde es unterlassen, ihre Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 359 b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 gegeben seien, durch entsprechende Beweisergebnisse zu untermauern. Es sei schlicht unrichtig, dass die Berufungsbehörde nicht zu überprüfen habe, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens zu Recht angenommen worden seien, weil sie ja darüber zu entscheiden habe, ob die Berufung mangels Parteistellung der Beschwerdeführer zurückgewiesen werden durfte oder nicht. Abgesehen davon seien, solange die fehlende Parteistellung eines Beteiligten im Verwaltungsverfahren nicht gesichert feststehe, diesem Parteirechte zu gewähren und es hätte die belangte Behörde schon aus diesem Grund die Berufung nicht mangels Parteistellung zurückweisen dürfen, sondern die Frage der Parteistellung vorerst durch entsprechende Erhebungen abklären müssen.

Gemäß § 359 b Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen ergibt, dass

1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden oder

2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 1.000 m2 beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt,

das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekannt zu geben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und dass die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; nach Ablauf der im Anschlag angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage.

Eine nicht dem Abs. 1 Z. 1 oder 2 oder einer Verordnung gemäß Abs. 2 oder 3 unterliegende Betriebsanlage ist gemäß § 359b Abs. 4 GewO 1994 dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 1 dann zu unterziehen, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353) ergibt, dass die Anlage

1.

nicht gefahrengeneigt (§ 82 a Abs. 1) ist, und

2.

ihren Standort in einem Gebiet hat, das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten dient und in dem nach diesen Vorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig ist.

Gemäß § 359b Abs. 8 GewO 1994 sind nach § 81 genehmigungspflichtige Änderungen einer Betriebsanlage dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 1 zu unterziehen, wenn die Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung die im Abs. 1 Z. 1 oder 2, Abs. 4, 5 oder 6 oder in einer Verordnung gemäß Abs. 2 oder 3 festgelegten Voraussetzungen erfüllt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zl. 99/04/0103, unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur dargelegt hat, kommt den Nachbarn in einem Verfahren nach § 359 b GewO 1994 außer dem ihnen in dieser Gesetzesstelle eingeräumten Recht auf Anhörung kein Recht zu. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgehalten, dass in diesem Zusammenhang dem Umstand, ob die Behörde die bei Erfüllung der Voraussetzungen ihr obliegende bescheidmäßige Feststellung nach § 359 b GewO 1994 unmittelbar auf Grund des Genehmigungsansuchens traf oder aber erst nach Durchführung eines behördlichen Lokalaugenscheines, keine Entscheidungsrelevanz zukommt.

Wie in dem zitierten Erkenntnis weiter ausgeführt wurde, ist der maßgeblichen Rechtslage auch kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Ausschluss der Nachbarn von der Parteistellung in einem nach § 359 b GewO 1994 durchgeführten Verfahren davon abhinge, dass von der Behörde die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieses vereinfachten Verfahrens zu Recht angenommen werden. Es hat vielmehr die Behörde auch diese Voraussetzungen im Rahmen ihrer gesetzlichen Verantwortung ohne diesbezügliche Parteistellung der Nachbarn zu klären.

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis noch dargetan, dass auch dem Umstand, dass die Nachbarn in der gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 abgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz Parteistellung im Verfahren nach dieser Gesetzesstelle erlangten, keine Entscheidungsrelevanz zukommt, weil es sich beim Verfahren nach § 359 b GewO 1994 um ein vom Verfahren nach § 356 leg. cit. grundsätzlich verschiedenes handelt, in dem vom Gesetz die Parteistellung unterschiedlich geregelt ist. Eine im Verfahren nach § 356 leg. cit. erworbene Parteistellung wirkt daher in einem daran anschließenden Verfahren nach § 359 b leg. cit. nicht fort.

Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde auch nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer in dem ihnen im § 359 b Abs. 1 GewO 1994 eingeräumten Anhörungsrecht verletzt worden wären, bringen sie doch selbst vor, schon im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens jene Umstände aufgezeigt zu haben, die ihrer Meinung nach die Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens ausschlössen. Eine Verpflichtung der Behörde, die Rechtsfrage des Vorliegens der Voraussetzungen der Anwendung des vereinfachten Bewilligungsverfahrens mit den Parteien zu erörtern, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Aus den dargelegten Gründen vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstbehördlichen Bescheid eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die darin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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