TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/28 VGW-151/004/14760/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2018
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Entscheidungsdatum

28.09.2018

Index

E2D Assoziierung Türkei
E2D E02401013
E2D E05204000
E2D E11401020
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

ARB 1/80 Art. 6 Abs1
ARB 1/80 Art. 6 Abs2
AuslBG §4c Abs1
AuslBG §4c Abs2
NAG §26
NAG §41a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Bachert-Sedlak über die Beschwerde des A. B., geb. 1990, StA. Türkei, vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 22.8.2017, Zl. MA35..., mit welchem der Antrag vom 8.1.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot-Karte - Plus" gemäß § 24 Abs. 4 iVm § 41a iVm § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF iVm Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.9.1980, abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.9.2018

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 17 VwGVG, §§ 76 Abs. 1 und 53b AVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 19.9.2018, Zl. VGW- KO-..., mit EUR 124 bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 17.9.2018 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien die erwachsenen Barauslagen durch Banküberweisung auf das Bankkonto mit der Kontonummer IBAN AT16 1200 0006 9621 2729, BIC BKAUATWW, lautend auf "MA6 BA40" mit dem Verwendungszweck "VGW-KO-..." binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 8.1.2016 persönlich bei der belangten Behörde einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“. Er verfügte seit 2.3.2012, zuletzt verlängert bis 5.3.2016, über Aufenthaltsbewilligungen „Studierender“.

Diesem Zweckänderungsantrag waren folgende Unterlagen in Kopie angeschlossen: zwei Seiten des Reisepasses des nunmehrigen Beschwerdeführers, sein Aufenthaltstitel, E-Card, Mietvertrag, Beschäftigungsbewilligung vom 24.9.2015, Nachweise über seinen Verdienst, Bestätigung des Studienerfolges der ... Universität Wien vom 7.9.2015, Versicherungsnachweis vom 4.9.2015, Versicherungsdatenauszug.

Mit E-Mail vom 8.1.2016 reichte der nunmehrige Beschwerdeführer zudem eine Studienbestätigung für das Wintersemester 2015 nach.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien teilte der belangten Behörde über entsprechende Anfrage mit E-Mail vom 19.2.2016 mit, dass der C. KG für den nunmehrigen Beschwerdeführer erstmals eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit gastgewerbliche Hilfskraft mit einem Arbeitsausmaß von 10 Wochenstunden mit Gültigkeit vom 9.9.2013 bis 8.9.2014 erteilt und diese zweimal für eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden bis 8.9.2016 verlängert worden sei, weshalb seine Anstellung seit 25.9.2013 rechtmäßig sei.

Mit E-Mail vom 21.3.2016 übermittelte der nunmehrige Beschwerdeführer über Aufforderung der belangten Behörde die Studienbestätigung sowie das Studienblatt für das Sommersemester 2016.

Am 10.5.2016 gab der nunmehrige Beschwerdeführer niederschriftlich bei der belangten Behörde an, dass er sein Studium der ... voraussichtlich in einem Jahr abschließen werde und eine Tätigkeit in einem ...büro anstrebe. Mit Erhalt einer „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ hätte er die Möglichkeit einen Vollzeitjob auszuüben, welchen er unbedingt anstrebe.

Am 12.7.2016 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer die Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 24 NAG (Notvignette) und begründete dies mit seiner dringenden Ausreise aufgrund einer Familienfeier. Die Abreise sei am 23.7.2016, seine voraussichtliche Rückkehr am 23.9.2016.

Mit Stellungnahme vom 4.10.2016 teilte das Bundesministerium für Inneres der belangten Behörde mit, dass dem nunmehrigen Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Studierender“ verlängert werden könne und bei entsprechender Antragstellung durch den Arbeitgeber und Vorliegen der sonstigen Erteilungsvoraussetzungen auch seitens des AMS eine Vollzeitbeschäftigung bewilligt werden könne.

Mit Schreiben vom 27.12.2016 forderte die belangte Behörde vom nunmehrigen Beschwerdeführer weitere näher genannte Unterlagen an.

Am 9.1.2017 langten folgende weitere Unterlagen vom nunmehrigen Beschwerdeführer bei der belangten Behörde ein: Mietvertrag samt Kontoabfrage der Hausverwaltung, Beschäftigungsbewilligung vom 24.10.2016, Bestätigung des Studienerfolgs der ... Universität Wien vom 9.1.2017, Studienblatt sowie Studienbestätigung für das Wintersemester 2016.

Mit Schreiben vom 25.1.2017 ersuchte die belangte Behörde um Nachreichung eines Nachweises einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, weshalb am 9.2.2017 die Bestätigung der Krankenversicherung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 3.2.2017 nachgereicht wurde.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21.3.2017 teilte die belangte Behörde dem nunmehrigen Beschwerdeführer im Wesentlichen mit, dass er nach Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ unter Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung weiterhin Zugang zum Arbeitsmarkt habe. Nach der Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres sei eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ nicht zu erteilen, da der Aufenthaltstitel „Studierender“ zu verlängern sei, da bei entsprechender Antragstellung durch den Arbeitgeber und Vorliegen der sonstigen Erteilungsvoraussetzungen eine Beschäftigungsbewilligung für eine Vollzeitbeschäftigung ausgestellt werden könne.

Mit Stellungnahme vom 7.4.2017 teilte der nunmehrige Beschwerdeführer dazu mit, dass sein Parteiengehör verletzt worden sei, weil ihm die entscheidungsrelevante Stellungnahme des BMI nicht zur Verfügung gestellt worden sei, weshalb er deren Übermittlung beantrage. Darüber hinaus stehe unbestreitbar fest, dass ihm kraft Unionsrecht ein Aufenthaltsrecht zukomme. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtslage und Judikatur komme für ihn einzig der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ in Betracht.

Am 24.7.2017 langte bei der belangten Behörde eine Vollmachtsbekanntgabe und eine Stellungnahme des nunmehrigen Beschwerdeführers ein, in welcher ausgeführt wurde, dass es nicht richtig sei, dass der nunmehrige Beschwerdeführer seine Rechte durch den Aufenthaltstitel „Studierender“ wahrnehmen könne, da der letzte Aufenthaltstitel bis zum 5.3.2016 befristet gewesen und ein Verlängerungsantrag für den letzten Aufenthaltstitel nicht gestellt worden sei, sodass die Erlangung dieses Aufenthaltstitels gar nicht möglich sei. Es verbleibe somit einzig der hier gegenständlich beantragte Aufenthaltstitel. Darüber hinaus sei ein Studienerfolg denkunmöglich, weil der nunmehrige Beschwerdeführer eine Vollzeitbeschäftigung anstrebe.

Mit Bescheid vom 22.8.2017 wies die belangte Behörde den Antrag vom 8.1.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a NAG iVm Art. 6 ARB 1/80 wegen Fehlens der für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels maßgeblichen Erteilungsvoraussetzungen ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der nunmehrige Beschwerdeführer seit 28.10.2016 ununterbrochen rechtmäßig bei der Firma „C. KG“ auf geringfügiger Basis beschäftigt sei. Er sei im Besitz einer bis 26.10.2017 gültigen aufrechten Beschäftigungsbewilligung. Aus der Aktenlage gehe hervor, dass er erfolgreich sein Studium betreibe und neben dem Studium eine Tätigkeit ausübe. Er habe nicht ein Jahr lang ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt und erfülle somit nicht die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des ARB 1/80. Da die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit den Erfolg seines Studiums nicht beeinträchtige und er auch weiterhin neben dem Studium erwerbstätig sein könne, seien seine aus dem ARB 1/80 erfließenden Rechte auch weiterhin durch die Innehabung des Aufenthaltstitels „Studierender“ nicht eingeschränkt, zumal die Voraussetzungen für die Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ vorlägen. Aus diesem Grund sehe die belangte Behörde das erfolgreiche Studium als ausschließlichen Zweck seines Aufenthaltes im Bundesgebiet an, die bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit könne neben dem Studium fortgesetzt werden. Das NAG selbst sehe keine Zweckänderung von einer Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ auf eine Niederlassungsbewilligung „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ vor und sei dies in seinem Fall auch nicht zur Wahrung seiner aus dem ARB 1/80 erfließenden Rechte erforderlich.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vom 25.9.2013 bis 8.9.2016 ununterbrochen beschäftigt gewesen sei. Am 8.9.2016 sei der Beschwerdeführer von seinem Arbeitgeber abgemeldet worden, zumal dieser davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner bis zum 8.9.2016 gültigen Beschäftigungsbewilligung keine Arbeitserlaubnis besessen habe. Der Beschwerdeführer hingegen habe seinen Antrag auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung erst wieder am 30.9.2016 stellen können, zumal er verhindert gewesen sei, weil er sich aufgrund eines familiären Krankheitsfalles im Ausland befunden habe. Somit sei die kurzfristige Unterbrechung unverschuldet. Nachdem er wieder im Inland gewesen sei, habe er den Antrag auf Erteilung der Arbeitsbewilligung gestellt, welche ihm beginnend ab 27.10.2016 bis 26.10.2017 erteilt worden sei, weshalb er am 28.10.2016 bei seinem vorherigen Arbeitgeber wieder eingestellt worden sei. Er habe während der Unterbrechung alles Erdenkliche unternommen, um einer Tätigkeit nachzugehen. Weiters sei nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde annehme, dass der Beschwerdeführer sein Studium erfolgreich betreiben würde, zumal er keinen Studienerfolgsnachweis vorgelegt habe. Im gegenständlichen Fall kämen daher die Bestimmungen des ARB 1/80 zur Anwendung und könne sich der Beschwerdeführer auf sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen. Es komme daher einzig der beantragte Aufenthaltstitel in Betracht.

Mit Schreiben vom 30.10.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss der bezughabenden Akten dem Verwaltungsgericht Wien vor, wo diese am 3.11.2017 einlangten.

Mit Schriftsatz vom 30.1.2018 legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen dem Verwaltungsgericht Wien vor: Beschäftigungsbewilligung vom 17.10.2017, Flugtickets, Studienblatt und Studienbestätigung für das Wintersemester 2017, mehrere Lohnzettel, Meldung der einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses an die Sozialversicherung, E-Card, Mietvertrag, Kontoauszug der letzten zwei Jahre, Bestätigung des Studienerfolges der ... Universität Wien vom 26.1.2018. Er führte in Einem aus, dass er bereits seit 25.9.2013 bei seinem Dienstgeber C. KG beschäftigt sei, weshalb der dritte Spiegelstrich des Art. 6 ARB 1/80 zur Anwendung gelange.

Aufgrund einer Erkrankung des ursprünglich zuständigen Richters wurde das gegenständliche Verfahren am 30.4.2018 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Mit E-Mail vom 9.8.2018 übermittelte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgericht Wien weitere Lohnzettel.

Das Verwaltungsgericht Wien nahm Einsicht in den Akt der belangten Behörde, in die Beschwerde, in die nachgereichten Unterlagen sowie in öffentliche Register und führte am 17.9.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die belangte Behörde nicht teilnahm.

Der Beschwerdeführer gab Folgendes zu Protokoll:

„Ich lebe seit 02.04.2012 in Österreich. Ich habe am 08.01.2016 den ggstdl. Zweckänderungsantrag gestellt, einen Verlängerungsantrag habe ich in weiterer Folge wohl nicht gestellt.

Es ist richtig, dass ich seit 02.03.2012 über Aufenthaltsbewilligungen „Studierender“ verfüge, welche stets verlängert wurden, zuletzt bis 05.03.2016.

Ich habe zuerst einen Deutschkurs besucht und studierte seit September 2013 auf der … Bachelor .... Ich bin nach wie vor an der Universität inskribiert. Ich habe heute kein aktuelles Studienblatt und auch keine aktuelle Inskriptionsbestätigung mit. Mit dem Bachelor bin ich fast fertig, derzeit studiere ich aber nicht.

Auf Frage, ob ich gegebenenfalls einen Studienerfolg für das zuletzt abgelaufene Studienjahr erbringen könnte: Ich habe keinen entsprechenden Nachweis heute mit, ich glaube aber, ja.

Ich bin derzeit in einem Restaurant in der ... beschäftigt. Ich arbeite dort als Koch und Kellner und führe weitere Nebentätigkeiten durch. Eine Ausbildung als Koch und Kellner habe ich nicht. Ich verdiene dort 200,-- EUR monatl. Ich bin pro Woche 7 Stunden dort beschäftigt.

Auf Frage, warum diese Angaben nicht mit den von mir vorgelegten Unterlagen übereinstimmen: Ich arbeite einen Tag in der Woche dort, manchmal helfe ich auch darüber hinaus aus.

Meinen Verdienst erhalte ich in bar, manchmal am selben Tag, manchmal erst später.

Auf neuerliche Frage nach dem Verdienst: Der BF erklärt nach längerem Zögern, monatl. 400,-- EUR zu verdienen. Ich kann deshalb den Betrag nicht so genau benennen, weil ich unterschiedlich hoch verdiene, je nachdem wie viel ich arbeite.

Ich arbeite seit ca. September 2013 in dieser Firma, auf dem Firmenschild steht „...“, im VDA ist die Firma mit „C. KG“ benannt.

Meine erste Beschäftigungsbewilligung muss ich ebenso mit September 2013 erhalten haben. Diese Beschäftigungsbewilligung galt ein Jahr. Ich muss diese jedes Jahr verlängern lassen. Ich gehe zum AMS und bringe die erforderlichen Dokumente mit. Nach etwa 2 Wochen erhalte ich eine aktuelle Verlängerung. Wenn ein Dokument fehlt, braucht die Verlängerung entsprechend länger.

Ich bin seit September 2013 durchgehend bei dieser Firma beschäftigt.

Auf Vorhalt des VDA: Im Sommer 2016 hielt ich mich für etwa 2 Monate in der Türkei auf. Ich war von Juli 2016 bis 19.09.2016 in der Türkei. Nach meiner Rückkehr bin ich ca. Ende September 2016 zum AMS gegangen um die Beschäftigungsbewilligung zu verlängern. Meine alte Beschäftigungsbewilligung war bis 8. oder 9.9.2016 gültig. Als ich Ende September zum AMS ging, wurde mir dort gesagt, dass ich mich abmelden müsse, weil das Unternehmen sonst eine Strafe bekomme. Es wurde mir mitgeteilt, dass mein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit mir beenden müsse. Mein Chef hat daraufhin mit der WGKK gesprochen, die dasselbe gesagt hat. Daraufhin meldete mich mein Chef ab, dann war ich wieder beim AMS und ich habe eine neue Beschäftigungsbewilligung erhalten. Mein Chef hat mich Ende September 2016 abgemeldet. Die neue Beschäftigungsbewilligung galt dann ab 26.10.2016.

Warum ich diese Auskunft vom AMS bekommen habe, weiß ich nicht. Auf Frage, wie ich denn zuvor meine Beschäftigungsbewilligungen verlängert habe: Ich war immer rechtzeitig beim AMS. Im September 2016 war ich aufgrund des Auslandsaufenthalts zu spät dran. Normalerweise muss ich zwei Wochen vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung um eine neue ansuchen.

Ich musste im Sommer 2016 in die Türkei, um mich um meine Eltern zu kümmern, weil meine Schwester, die das sonst macht, verhindert war. Meine Eltern sind sehr alt; ich habe sie einfach betreut. Ich habe zwar noch zahlreiche weitere Geschwister, die alle in der Türkei leben. Als Jüngster musste ich mich aber um die Eltern kümmern. Meine Eltern leben noch, sie sind 73 Jahre alt. Als ich im Sommer 2016 dort war, war ich mit meinen Eltern im Spital und bei Ärzten. Ich weiß nicht, ob ich das gegebenenfalls auch nachweisen könnte. Am 19.9.2016 bin ich nach Österreich zurückgekehrt, weil meine Schwester wieder da war. Meine Eltern brauchen deshalb bei Arztbesuchen Unterstützung, weil sie kein Wort türkisch sprechen, sie sind ….

Nach meiner Rückkehr aus der Türkei war ich 2 Mal beim AMS. Beim ersten Besuch bereits haben sie mir gesagt, dass das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden muss.

Gefragt nach meinem Plan, nachdem ich gewusst habe, dass die Beschäftigungsbewilligung vor Ablauf erneuert werden muss und ich aber in der Türkei war: Ich wollte einfach hier weiterarbeiten und mein Studium fortsetzen.

Ich habe der Auflösung meines Arbeitsverhältnisses im September 2016 zugestimmt. Es ist richtig, dass es sich um eine einvernehmliche Lösung gehandelt hat. Ich wollte aber weiter dort arbeiten und mein Chef wollte mich auch weiter beschäftigen.

Auf Frage, welche Vorkehrungen ich während meines Türkeiaufenthaltes getroffen habe, um die Beschäftigungsbewilligung rechtzeitig zu verlängern: Ich hatte nicht vor so lange ich der Türkei zu bleiben. Ich dachte, ich wäre rechtzeitig wieder zurück, um den Antrag rechtzeitig zu stellen.“

Der BFV ergänzte unter Hinweis auf die Abmeldung des BF bei der WGKK, dass diese am 30.09.2016 mit Wirkung vom 08.09.2016 erfolgt sei. Hätte der Arbeitgeber den BF schon früher kündigen wollen, hätte er dies schon viel früher machen können.

Befragt von der VHL gab der BF weiter an:

„Ich möchte künftig Vollzeit dort weiterarbeiten.

Ich bin bei der WGKK aufgrund meiner geringfügigen Beschäftigung krankenversichert.

Ich wohne in Wien, .... Die Miete für diese Mietwohnung beträgt ca. 800,-- EUR. Ich bin Hauptmieter, wohne dort aber nicht alleine. Die Wohnung besteht aus zwei Schlafzimmern und einem Wohnzimmer. Wir wohnen dort zu dritt. Wir sind drei Freunde. Einer meiner Freunde und ich teilen uns ein Schlafzimmer, der Dritte benützt das kleine Schlafzimmer. Die Miete teilen wir uns durch drei. Wir sammeln die Miete ein, diese wird dann vom Konto eines Mitbewohners, der auch Hauptmieter ist, überwiesen. Dieser wohnt seit September nicht mehr hier, wir haben aber bereits einen neuen Mitbewohner.

Ich lebe von meinem Verdienst in dem Restaurant und wurde außerdem von meinem Vater finanziell unterstützt, was allerdings kaum noch möglich ist. Früher habe ich mehr bekommen, jetzt nur mehr etwa 200,-- EUR. Mein Vater hat eine Pension in etwa von 1.100,-- EUR. Aufgrund des Kursverfalls ist das Geld, das er mir schickt, aber weniger wert.“

Der BFV erklärte im Hinblick auf das VwGH Erkenntnis vom 09.08.2018, dass es ggstdl. nicht relevant sei, ob der erste oder zweite Spiegelstrich zur Anwendung kommt. Allein der dritte Spiegelstrich wäre hier maßgeblich, wenn man von einem fehlenden Verschulden des BF ausgehen will, weil dann bereits 4 Jahre ordnungsgemäßer Beschäftigung vorliegen würden.

Befragt von der VHL gab der BF zu seinen Versicherungszeiten an:

„Zwischen 1.12.2014 und 30.4.2015 war ich Teilzeit beschäftigt (20 Std) und daher auch nicht mehr geringfügig.

Mir war bewusst, dass meine Beschäftigungsbewilligung abläuft, ich dachte aber, dass es sich mit meinem Türkeiaufenthalt ausgehen würde.

Auf Frage, was ich gemacht habe, als ich bemerkt habe, dass es sich nicht ausgeht: Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich diesbezüglich Probleme haben würde. Andernfalls hätte ich versucht fristgerecht nach Österreich zurückzukehren. Meiner Schwester war es nicht möglich zu unseren Eltern zurückzukehren. Meine Mutter leidet unter hohem Blutdruck und Zucker. Mein Vater hat altersbedingte Beschwerden. Meine Eltern leben in einer Stadt/.... Auf Frage, ob sonst niemand bei Arztbesuchen dolmetschen hätte können, da dies ja mein Aufenthaltszweck dort war: Ich glaube schon, dass es ...-sprachige Ärzte dort gibt. Auf Frage, was meine Eltern gemacht hätten, wenn ich keine Zeit gehabt hätte: Ich weiß es nicht, vielleicht hätten sei einen Bruder oder eine Schwester von mir verständigt.“

D. E. gab nach Wahrheitserinnerung und nach Belehrung über die Entschlagungsmöglichkeit als Zeuge befragt Folgendes an:

„Ich kenne den BF seit 2013, seit er bei mir arbeitet.

Die „C. KG“ ist meine Firma. Ich bin in der Gastronomie selbstständig. Ich bin zu 90 % in der Firma, 10 % gehören meiner Frau. Ich vertrete die Firma nach außen und zwar seit 2011, da wurde sie gegründet. Mein Lokal ist in der ..., ein ... Restaurant für etwa 20 Personen. Ich habe eine Gastgewerbeberechtigung. Ich habe momentan 6 Beschäftigte, ich hatte von Anfang an Mitarbeiter, und zwar vorwiegend ausländische Mitarbeiter. Der Umgang mit Beschäftigungsbewilligungen ist mir seit Beginn an vertraut.

Der BF arbeitet seit Ende September 2013 bei mir und zwar als Küchenhilfe. Er macht Vorbereitungsarbeiten für den Koch. Wir sind ein Selbstbedienungsrestaurant; ich habe keine Kellner. Der BF ist derzeit bei mir 10 Std wöchentlich beschäftigt und verdient laut Kollektivvertrag. Ich glaube, das sind ungefähr 200,-- EUR. Die Buchhaltung macht meine Frau.

Die Anmeldung als „Arbeiter“ von 01.12.2014 bis 30.04.2015 des BF war deshalb, weil er mehr als 10 Stunden gearbeitet hat, ich glaube, es waren 20 Stunden.

Im Juli 2016 hat mir der BF gesagt, er müsse aus familiären Gründen in die Türkei, was für mich kein Problem war. Im Juli 2016 war der BF dann nicht mehr da. In weiterer Folge hatten wir eine Kontrolle der WGKK, wo ich gesagt habe, dass der BF derzeit nicht da ist. Der BF ist dann Ende August oder Anfang September 2016 wieder zurückgekommen. Der BF hat mir dann gesagt, dass er abgemeldet werden muss und dann einen neuen Antrag stellen kann. Daraufhin habe ich ihn abgemeldet.

Auf Vorhalt des elektronischen Datensammelsystems der GKK: Die Daten stimmen. Ursprünglich ausgemacht war, dass der BF nach seiner Rückkehr bei mir weiterarbeitet. Ich habe ihn dann mit der neuen Beschäftigungsbewilligung auch wieder angemeldet.

Wenn es möglich wäre, würde ich den BF auch zu 40 Stunden beschäftigen.“

In seinen Schlussausführungen gab der Beschwerdeführervertreter an, dass dem Beschwerdeführer seines Erachtens deshalb kein Verschulden vorzuwerfen sei, weil die Auskunft des AMS, er müsse abgemeldet werden, insofern nicht richtig gewesen wäre, als seine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu verlängern gewesen wäre und auch nur deklarative Wirkung habe. Dass der Beschwerdeführer der Auskunft des AMS vertraut habe und in weiterer Folge durch den Arbeitgeber abgemeldet worden sei, könne ihm nicht vorgeworfen werden.

Das Verwaltungsgericht Wien sieht folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer ist ein am ...1990 geborener türkischer Staatsangehöriger und im Besitz eines bis zum 27.6.2021 gültigen Reisepasses dieses Staates. Er verfügte erstmalig von 2.3.2012 bis 2.3.2013 über eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“, welche in weiterer Folge laufend, zuletzt bis 5.3.2016 verlängert wurde. Aufgrund des rechtzeitig gestellten Zweckänderungsantrages vom 8.1.2016 auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ war der Beschwerdeführer bisher rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Der Beschwerdeführer studiert nach Absolvierung des Vorstudienlehrganges seit 2.9.2013 das Bachelorstudium ... an der ... Universität Wien.

Der Beschwerdeführer ist Hauptmieter einer Mietwohnung in Wien, ..., wo er auch seit 29.9.2016 seinen Hauptwohnsitz hat und welche er gemeinsam mit zwei Freunden bewohnt. Die Miete dafür beträgt ca. EUR 800 monatlich und wird zwischen den drei Bewohnern geteilt.

Folgende Versicherungszeiten scheinen im Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung beim Beschwerdeführer auf, und zwar stets beim Dienstgeber C. KG:

„25.9.2013 bis 30.11.2014 geringfügig beschäftigter Arbeiter

                  

01.12.2014 bis 30.04.2015 Arbeiter

                                             

01.05.2015 bis 08.09.2016 geringfügig beschäftigter Arbeiter

                                             

28.10.2016 bis laufend  geringfügig beschäftigter Arbeiter.“

 

Der Beschwerdeführer war bzw. ist stets bei der C. KG und zwar als gastgewerbliche Hilfskraft beschäftigt. Für den Beschwerdeführer wurde erstmalig mit Gültigkeit von 9.9.2013 bis 8.9.2014 eine Beschäftigungsbewilligung in einem Arbeitsausmaß von zehn Wochenstunden erteilt und wurde diese zweimal für eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden bis 8.9.2016 verlängert.

Der Beschwerdeführer war von 19.7.2016 bis 19.9.2016 in der Türkei aufhältig. Der Grund seines Aufenthaltes dort, konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

Nach seiner Rückkehr nach Österreich wollte er Ende September 2016 seine Beschäftigungsbewilligung verlängern lassen, wobei ihm beim Arbeitsmarktservice Wien die Auskunft erteilt wurde, dass sein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden müsse, damit er einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung stellen könne, sonst mache sich sein Arbeitgeber strafbar. Die C. KG hatte bis dahin keinen Antrag auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer gestellt.

Aufgrund dieser Auskunft wurde das Arbeitsverhältnis zwischen der C. KG und dem Beschwerdeführer einvernehmlich am 30.9.2016 mit Wirkung vom 8.9.2016 aufgelöst und in weiterer Folge ein neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beim AMS gestellt.

Beide Parteien wollten das Arbeitsverhältnis im September 2016 eigentlich gar nicht beenden, sondern haben dies nur aufgrund der Auskunft des AMS getan, um den Beschwerdeführer wieder ordnungsgemäß beschäftigen zu können und um eine Strafe für den Arbeitgeber zu vermeiden.

Das AMS Wien erteilte mit Bescheid vom 24.10.2016 aufgrund des Antrages vom 30.9.2016 der C. KG für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Küchenhilfe für die Zeit von 27.10.2016 bis 26.10.2017.

Seit 28.10.2016 ist der Beschwerdeführer neuerlich bei der C. KG zu zehn Wochenstunden geringfügig beschäftigter Arbeiter und bringt derzeit dabei einen Lohn in Höhe von EUR 385,61 netto ins Verdienen.

Aktuell wurde der C. KG für den Beschwerdeführer mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien vom 17.10.2017 die Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Küchengehilfe für die Zeit von 27.10.2017 bis 26.10.2018 im Ausmaß von 20 Wochenstunden zu einem monatlichen Entgelt von EUR 710 verlängert.

Der Beschwerdeführer erhält außerdem finanzielle Unterstützung in nicht feststellbarer Höhe durch seinen Vater.

Der Beschwerdeführer ist bei der Wiener Gebietskrankenkasse krankenversichert und im Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen gründen sich auf die im Wesentlichen glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit den vorliegenden Urkunden sowie auch auf die glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des in der Verhandlung vernommenen Zeugen.

Dass weder der Beschwerdeführer noch sein Arbeitgeber eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im September 2016 intendierten, sondern dieses nur aufgrund der Auskunft des AMS gelöst haben, um den Beschwerdeführer wieder ordnungsgemäß beschäftigen zu können und eine Strafe zu vermeiden, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und des als Zeugen einvernommenen Arbeitgebers im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Höhe der finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch seinen Vater konnte deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, weil der Beschwerdeführer dazu selbst nur vage Angaben machte und zudem auf den Kursverfall der türkischen Lira verwies, weshalb eine genaue Bezifferung nicht möglich sei.

Der Grund des Türkeiaufenthaltes des Beschwerdeführers zwischen 19.7.2016 und 19.9.2016 konnte aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Der Beschwerdeführer gab nämlich vor der belangten Behörde niederschriftlich an, er benötige die „Notvignette“ aufgrund einer Familienfeier, in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung begründete der Beschwerdeführer seinen Türkeiaufenthalt allerdings mit der notwendigen Betreuung seiner kranken Eltern, was allerdings wenig überzeugend erschien, zumal der Beschwerdeführer lediglich angab, dass sein Vater unter altersbedingten Beschwerden und seine Mutter unter hohem Blutdruck und Zucker leide.

Die übrigen Feststellungen gründen sich auf den unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt, der nicht in Zweifel zu ziehen war. Insbesondere ergaben sich weder aus der Beschwerde noch aus dem sonstigen Vorbringen im behördlichen Verfahren irgendwelche Anhaltspunkte, die es erlaubt hätten, die Richtigkeit des Akteninhalts in Frage zu ziehen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Artikel 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation lautet:

Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

-        nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-        nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-        nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.

§ 4c AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. Nr. 72/2013 lautet unter der Überschrift „Türkische Staatsangehörige“:

§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Der Befreiungsschein berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und ist jeweils für fünf Jahre auszustellen. Der Befreiungsschein ist zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:

§ 26. Wenn der Fremde den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, hat er dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht.

§ 41a. (1) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1.   sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 Z 1 bis 3 besitzen,

2.   sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3.   eine Mitteilung gemäß § 20e Abs. 1 Z 2 AuslBG vorliegt.

(2) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1.

sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel gemäß § 42 besitzen,

2.

sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3.

eine Mitteilung gemäß § 20e Abs. 1 Z 3 AuslBG vorliegt.

(3) Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn eine Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 59 Abs. 4 AsylG 2005 vorliegt. Der Aufenthaltstitel ist unverzüglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Zustellung der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zu erteilen. § 20 Abs. 2 gilt sinngemäß.

(4) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2. mindestens zwei Jahre über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43c verfügt haben.

(5) Der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ist an Drittstaatsangehörige im Fall der Rückstufung gemäß § 28 zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllt sind.

(6) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2. über einen Aufenthaltstitel gemäß § 45 verfügt haben und dieser gemäß § 20 Abs. 4 oder 4a erloschen ist oder gemäß § 10 Abs. 3 Z 3 oder Z 4 gegenstandslos wurde.

(7) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,

2. sie über eine „Niederlassungsbewilligung“ verfügen und

3. eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20e Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(7a) Drittstaatsangehörigen kann in einem Verfahren gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden, wenn

1.   sie bereits zwei Jahre einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 5 besitzen,

2.   sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3.   eine schriftliche Mitteilung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 24 Abs. 4 AuslBG vorliegt.

(8) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist auf Antrag ohne weiteres ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn ein Fall des § 59 Abs. 2 StbG vorliegt und ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 Abs. 10) nicht zu erteilen ist.

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie

1. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1 AsylG 2005,

2. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß §§ 55 Abs. 2 oder 56 Abs. 2 AsylG 2005 oder

3. über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3

verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG BGBl. Nr. 189/1955 erreicht wird.

(10) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 bis 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn es sich um einen unbegleiteten minderjährigen Fremden handelt und sich der Minderjährige auf Grund eines Gerichtsbeschlusses, kraft Gesetzes oder einer Vereinbarung der leiblichen Eltern mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger zum Schutz des Kindeswohles nicht bloß vorübergehend in Obhut von Pflegeeltern oder des Kinder- und Jugendhilfeträgers befindet. Die Pflegeeltern gelten diesfalls als gesetzliche Vertreter im Sinne des § 19. Dieser Aufenthaltstitel ist gebührenfrei zu erteilen.

(11) In den Fällen der Abs. 1, 2, 7 und 7a ist von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abzusehen, wenn der Antrag

1. wegen eines Formmangels oder Fehlens einer Voraussetzung gemäß §§ 19 bis 24 zurück- oder abzuweisen ist oder

2. wegen zwingender Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 abzuweisen ist.

Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung in den Fällen des § 20e Abs. 1 AuslBG in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen.

Rechtlich folgt daraus:

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union entfaltet Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (vgl. z.B. EuGH 16.12.1992, Rs. C-237/91, Kus, Rn. 28). Entgegenstehende nationale Bestimmungen haben unangewendet zu bleiben (vgl. VwGH 26.6.2012, 2010/09/0234).

Es ist demnach zu prüfen, ob diese Bestimmung auf den konkreten Sachverhalt anwendbar ist, d.h. ob dem Beschwerdeführer eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zukommt und ob er eine Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses erworben hat.

Zunächst ist Voraussetzung, dass der türkische Staatsangehörige als ein dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörender Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Der Begriff des „Arbeitnehmers“ in diesem Sinne hat eine unionsrechtliche Bedeutung und darf nicht eng ausgelegt werden. Er ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten der betroffenen Person kennzeichnen (vgl. bspw. EuGH 19.11.2002, Rs. C-188/00, Kurz, Rn. 32; so etwa auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

Als Arbeitnehmer ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH 4.2.2010, Rs. C-14/09, Genc, Rn. 19; so etwa auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

Ab welcher Grenze eine Tätigkeit als „völlig untergeordnet und unwesentlich“ anzusehen ist, hängt von einer Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses ab. Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Arbeitszeit, die Höhe der Vergütung, ein Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags, die Dauer des Arbeitsverhältnisses im Unternehmen (vgl. EuGH 4.2.2010, Rs. C-14/09, Genc, Rn. 26 f.; so etwa auch VwGH 18.12.2012, 2010/09/0185).

Auch sind die aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erfließenden Ansprüche von keiner weiteren Voraussetzung als der Arbeitnehmereigenschaft des türkischen Staatsangehörigen auf dem regulären Arbeitsmarkt abhängig, insbesondere nicht von den Voraussetzungen, unter denen der türkische Staatsangehörige das Recht auf Einreise und Aufenthalt erlangt hat. Bei der Prüfung wird der Zweck, zu dem ursprünglich die Einreise in das Hoheitsgebiet gestattet wurde, demnach nicht berücksichtigt (vgl. bspw. EuGH 30.9.1997, Rs. C-36/96, Günaydin, Rn. 52; so etwa auch VwGH 26.6.2012, 2010/09/0234).

Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 verlangt ebenso wenig, dass der türkische Staatsangehörige als Arbeitnehmer in die Europäische Union eingereist ist. Er kann die Arbeitnehmereigenschaft auch erst nach seiner Einreise erlangt haben (vgl. EuGH 24.1.2008, Rs. C-294/06, Payir, Rn. 38; so etwa auch VwGH 13.12.2011, 2008/22/0180).

Im Lichte dieser Rechtsprechung besteht im vorliegenden Fall kein Zweifel, dass der – die türkische Staatsangehörigkeit besitzende – Beschwerdeführer als „Arbeitnehmer“ in diesem Sinne zu qualifizieren ist.

Der Beschwerdeführer ist seit 25.9.2013 mit einer Unterbrechung zwischen 8.9.2016 und 28.10.2016 bei der C. KG, größtenteils geringfügig beschäftigt und bringt derzeit dabei ein Einkommen in Höhe von EUR 385,61 netto ins Verdienen. Für diese Tätigkeit wurden dem Beschwerdeführer mit Bescheiden des Arbeitsmarktservice Wien Beschäftigungsbewilligungen als gewerbliche Hilfskraft erteilt.

Es war bei diesem Sachverhalt davon auszugehen, dass eine tatsächliche und echte Beschäftigung aufgrund einer gesicherten Position vorlag. Weiters lag auch keine wegen ihres geringen Umfanges völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit vor (VwGH 26.6.2012, 2010/09/0234).

Die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 setzt weiters voraus, dass die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ordnungsgemäß ist. Eine Beschäftigung ist „ordnungsgemäß“ in diesem Sinne, wenn der Arbeitnehmer die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise in dessen Hoheitsgebiet und über die Beschäftigung befolgt und somit das Recht hat, eine Berufstätigkeit in diesem Staat auszuüben (vgl. etwa EuGH 24.1.2008, Rs. C-294/06, Payir, Rn. 29). Die Ordnungsgemäßheit der Beschäftigung setzt somit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraus (aaO, Rn. 39; so etwa auch VwGH 26.6.2012, 2010/09/0234).

Keine gesicherte, sondern stets nur eine vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt hat ein türkischer Arbeitnehmer in dem Zeitraum, in dem er bis zum Ausgang eines Rechtsstreits über sein Aufenthaltsrecht vorläufig in dem betreffenden Mitgliedstaat verbleiben und dort eine Beschäftigung ausüben darf (vgl. EuGH 20.9.1990, Rs. C-192/89, Sevince, Rn. 31).

Im gegenständlichen Fall ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer seine Beschäftigung in Österreich nicht ordnungsgemäß ausgeübt hätte und wird dies auch durch die ihm erteilten Beschäftigungsbewilligungen des Arbeitsmarktservice Wien für die hier relevanten Zeiträume belegt. Er ist außerdem rechtmäßig nach Österreich eingereist und hält sich aufgrund des rechtzeitig vor Ablauf des letzten Aufenthaltstitels „Studierender“ gestellten Zweckänderungsantrages rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Mit Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wurde ein System der abgestuften Eingliederung der türkischen Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats geschaffen. Aus der Systematik und der praktischen Wirksamkeit dieses Systems folgt, dass die in den drei Spiegelstrichen dieser Bestimmung jeweils aufgestellten Bedingungen von den Betroffenen nacheinander erfüllt werden müssen (vgl. VwGH 21.3.2017, Ra 2016/22/0098, Rn. 14, unter Hinweis auf EuGH 10.1.2006, Sedef, C- 230/03, Rn. 37).

Nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung darf der türkische Arbeitnehmer weiterhin bei demselben Arbeitgeber arbeiten (erster Gedankenstrich) und nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung kann er sich - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumenden Vorrangs - für den gleichen Beruf auf ein Stellenangebot eines anderen Arbeitgebers bewerben (zweiter Gedankenstrich). Im Gegensatz dazu verleiht Abs. 1 dritter Gedankenstrich (nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung) dem türkischen Arbeitnehmer nicht nur das Recht, sich auf ein vorliegendes Stellenangebot zu bewerben, sondern auch uneingeschränkten Zugang zu jeder von ihm frei gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (vgl. EuGH Urteil 7. Juli 2005, Rs C-383/03, Dogan; EuGH Urteil 10. Jänner 2006, Rs C-230/03, Sedef).

Nur für die Phase der Entstehung der nach Maßgabe der Dauer der Ausübung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis schrittweise erweiterten Rechte, die unter den drei Gedankenstrichen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 festgelegt sind, und damit nur für die Zwecke der Berechnung der insoweit erforderlichen Beschäftigungszeiten sieht Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 vor, dass sich verschiedene Fälle der Unterbrechung der Arbeit auf diese Zeiten auswirken (VwGH 21.3.2017, Ra 2016/22/0098).

Wie dem vorliegenden Akteninhalt zu entnehmen ist, übte der Beschwerdeführer die Tätigkeit als gastgewerbliche Hilfskraft bei der C. KG von 25.9.2013 bis 8.9.2016 aus und ist dort wieder seit 28.10.2016 beschäftigt.

Aufgrund des mehr als einjährigen Beschäftigungsverhältnisses jedenfalls seit 28.10.2016 bei dem gleichen Arbeitgeber wurde ein Anspruch nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 (d.h. ein Recht auf weitere Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber, und somit implizit auch ein Recht auf Aufenthalt) für den Beschwerdeführer, begründet. Der Beschwerdeführer war aber zuvor bereits von 25.9.2013 bis 8.9.2016 durchgehend bei der C. KG beschäftigt.

Es ist daher zu prüfen, ob durch die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses mit Wirksamkeit vom 8.9.2016 und die Wiederaufnahme des Beschäftigungsverhältnisses mit 28.10.2016, folglich durch die so entstandene Lücke im Beschäftigungsverhältnis, eine unverschuldete Arbeitslosigkeit iSd Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 vorliegt.

Dem Beschwerdeführer kann gegenständlich insofern kein Vorwurf gemacht werden, dass seine Beschäftigungsbewilligung mit 8.9.2016 während seines Türkeiaufenthaltes abgelaufen ist, weil es Aufgabe des Arbeitgebers gewesen wäre, rechtzeitig eine (weitere) Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer zu erwirken, obliegt es nämlich dem Arbeitgeber eine solche zu beantragen. Hinzu kommt, dass das Arbeitsverhältnis lediglich aufgrund der Auskunft des AMS Wien beendet wurde, um eine Strafe für den Arbeitgeber zu vermeiden. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Beschwerdeführer wollten das Beschäftigungsverhältnis weiterführen und dieses grundsätzlich nicht beenden. Zu dieser Auskunft ist zudem anzumerken, dass diese insofern unrichtig gewesen sein dürfte, als für türkische Staatsangehörige gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung u.a. von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern ist, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz ARB 1/80 erfüllen.

Im Ergebnis ist daher für den Zeitraum 8.9.2016 bis 25.10.2016 das Vorliegen einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit iSd Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 zu bejahen, weshalb diese Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses die bereits aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeiten erworbenen Ansprüche des Beschwerdeführers nicht berührt.

Damit ist der Beschwerdeführer aber gegenständlich als bereits mehr als vier Jahre beim gleichen Arbeitgeber ordnungsgemäß beschäftigt anzusehen, womit er den dritten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erfüllt.

Mit jenen Rechten, die einem türkischen Arbeitnehmer im Bereich der Beschäftigung verliehen werden, geht ein entsprechendes Aufenthaltsrecht einher, zumal anderenfalls die Rechte auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung wirkungslos wären. Das aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 folgende Aufenthaltsrecht besteht ex lege, sodass eine Aufenthaltserlaubnis nur deklarativen Charakter hat (vgl. z.B. EuGH 16.12.1992, Rs. C-237/91, Kus, Rn. 36; so etwa auch VwGH 23.6.2015, Ro 2014/22/0038).

Dennoch war der Beschwerde aus folgenden Gründen keine Folge zu geben:

Im vorliegenden Fall stellte der Beschwerdeführer einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“. Unstrittig ist, dass er keine der in § 41a NAG angeführten Voraussetzungen erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom 9.8.2018, Ro 2017/22/0015, zu Art. 6 ARB 1/80 aus:

„A

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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