TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/11 VGW-031/086/12312/2018

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Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §23 Abs2
StVO 1960 §23 Abs3a
StVO 1960 §99 Abs3 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Wostri über die Beschwerde des Herrn A. B. vom 6.9.2018 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 23.7.2018, Zahl …, wegen Übertretung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 iVm § 23 Abs. 2 StVO 1960, zu Recht e r k a n n t :

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die belangte Behörde erkannte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom

23.7.2018 schuldig, er habe am 23.3.2018 von 14:28 Uhr bis 14:29 Uhr in Wien, R.-gasse als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-3 folgende Verwaltungsübertretung begangen: Abstellen des Fahrzeuges nicht am Rande der Fahrbahn, sondern in zweiter Spur, wobei der erlaubte Fahrzeugverkehr an der Vorbeifahrt gehindert worden sei.

Wegen Verletzung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 iVm § 23 Abs. 2 StVO 1960 verhängte die belangte Behörde gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von € 92,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Stunden) und schrieb gemäß § 64 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 10,-- vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig erhobene Beschwerde, in der der Beschwerdeführer unter anderem auf sein Vorbringen im Einspruch gegen die Strafverfügung verwies. Demnach habe er zum Tatzeitpunkt einen Stammgast mit ihrem 10-jährigen Sohn befördert. Mangels freiem Parkplatz in der R.-gasse habe er lediglich kurz in zweiter Spur angehalten, um seine Fahrgäste aussteigen zu lassen, er dürfe dies als Taxilenker. Das Aussteigen habe höchstens eine Minute gedauert, beim Ausräumen des Kofferraums sei dem 10-jährigen Fahrgast jedoch die Schultasche hinuntergefallen, die der Beschwerdeführer aufgehoben und wodurch sich seine Weiterfahrt ganz kurz verzögert habe.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Beschwerdeführer beförderte am 23.3.2018 mit seinem Taxi mit dem behördlichen Kennzeichen W-3 einen Stammgast und deren 10-jährigen Sohn in die R.-gasse. In der R.-gasse waren zum Tatzeitpunkt sowohl am rechten, als auch am linken Fahrbahnrand Fahrzeuge abgestellt. Der Beschwerdeführer hielt vergeblich Ausschau nach einer Parkmöglichkeit am Fahrbahnrand, um seine Fahrgäste aussteigen zu lassen, sodass er schließlich um 14:28 auf Höhe der ONr. 5 in „zweiter Spur“ sein Fahrzeug anhielt. Ein Halten nach § 23 Abs. 2 StVO war innerhalb von 50m nicht möglich.

Der Beschwerdeführer ließ seine Fahrgäste aussteigen und half ihnen beim Ausräumen des Kofferraumes. In weiterer Folge ließ der 10-jährige Fahrgast seine Schultasche fallen, welche der Beschwerdeführer für diesen aufhob. Der gesamte Vorgang dauerte eine Minute, danach stieg der Beschwerdeführer um 14:29 wieder in sein Fahrzeug und setzte seine Fahrt fort. Während dieser Minute, in der der Beschwerdeführer angehalten hatte um seine Fahrgäste aussteigen zu lassen, befand sich hinter ihm ein Polizist in einem Polizeifahrzeug, welcher durch das Anhalten des Beschwerdeführers an der Vorbeifahrt gehindert wurde. Weder Folgetonhorn, noch Blaulicht waren zu diesem Zeitpunkt am Polizeifahrzeug aktiviert.

Eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs durch das Anhalten des Beschwerdeführers in der Dauer von einer Minute kann nicht festgestellt werden.

Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Würdigung des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafaktes und die Beschwerde vom 6.9.2018.

Die Tatsache, dass das Anhalten des Beschwerdeführers in Summe lediglich eine Minute ausgemacht hat, ergibt sich sowohl aus dessen eigenen Angaben, als auch aus der Anzeige vom 23.3.2018, in der die Tatzeit mit „14:28 bis 14:29“ festgehalten ist.

Das ein Halten nach § 23 Abs. 2 StVO innerhalb von 50m nicht möglich war, ergibt sich implizit aus den Ausführungen des Beschwerdeführers - gegenteilige Anhaltspunkte liegen jedenfalls nicht vor.

Die Negativfeststellung hinsichtlich einer etwaigen Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs musste getroffen werden, da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass das lediglich eine Minute dauernde Anhalten im gegenständlichen Fall eine solche dargestellt hat.

Rechtlich war dieser Sachverhalt folgendermaßen zu würdigen:

Gemäß § 23 Abs. 2 erster Satz StVO 1960 ist ein Fahrzeug außerhalb von Parkplätzen, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rand der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen.

Gemäß § 23 Abs. 3a StVO 1960 darf mit Personen- und Kombinationskraftwagen des Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Gewerbes sowie mit Krankentransportfahrzeugen, wenn die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird und innerhalb von 50m ein Halten nach Abs. 2 nicht möglich ist, neben den nach Abs. 2 aufgestellten Fahrzeugen sowie im Bereich von weniger als 5m vom nächsten Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder außer auf Schutzwegen und Radfahrerüberfahrten und, wenn deren Benützung nicht durch Lichtzeichen geregelt ist, 5m vor dem Schutzweg oder der Radfahrerüberfahrt aus der Sicht des ankommenden Verkehrs, zum Aus- oder Einsteigenlassen kurz angehalten werden.

Aus § 23 Abs. 2 erster Satz StVO 1960 ergibt sich das Verbot des Haltens oder Parkens in „zweiter Spur“. § 23 Abs. 3a StVO 1960 schafft davon insofern eine Ausnahme, als dies mit Personen und Kombinationskraftfahrzeugen des Taxi- und Mietwagengewerbes zum Aus- und Einsteigenlassen zulässig ist. Diese gesetzliche Befugnis zum Halten in „zweiter Spur“ besteht jedoch nur für die zum Ein- und Aussteigenlassen der Fahrgäste unbedingt notwendige Dauer (VwGH 11.6.2001, 2001/02/0102).

Davon, dass der Lenker eines Fahrzeuges iSd § 23 Abs 3a StVO lediglich "zum Aussteigenlassen oder Einsteigenlassen kurz gehalten" hat, kann für den Fall, dass der Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Minuten gehalten hat, während er einen Fahrgast nicht bloß einsteigen oder aussteigen ließ, keine Rede sein (VwGH 23.01.1991, 90/02/0150).

Der Beschwerdeführer ist als Lenker eines Taxis grundsätzlich dazu berechtigt zum Aus- oder Einsteigenlassen kurz anzuhalten, wenn die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird und innerhalb von 50m ein Halten nach § 23 Abs. 2 StVO nicht möglich ist.

Den getroffenen Feststellungen zufolge hat der Beschwerdeführer das von ihm gelenkte Taxi – nachdem am Fahrbahnrand keinerlei Parkmöglichkeit gegeben war - lediglich eine Minute am Tatort in „zweiter Spur“ angehalten, um seine Fahrgäste aussteigen zu lassen und ihnen beim Ausräumen des Kofferraumes zu helfen. Der Beschwerdeführer hat somit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur solange in „zweiter Spur“ gehalten, als dies für das Ein- und Aussteigenlassen der Fahrgäste unbedingt notwendig war. Dass der Beschwerdeführer vor dem Fortsetzen seiner Fahrt noch die heruntergefallene Schultasche seines Fahrgastes vom Boden aufhob ist ohne Belang, da dies seine Weiterfahrt nicht erheblich verzögerte.

Von einer Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs konnte im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden, da der Beschwerdeführer lediglich für eine Minute in „zweiter Spur“ anhielt und weitere Anhaltspunkte für eine derartige Beeinträchtigung nicht vorliegen. Soweit ein einzelnes (Polizei)fahrzeug kurz am Weiterfahren gehindert wurde, bedeutet dies noch nicht zwingend eine Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs. Die Regelung des § 23 Abs. 3a StVO würde ad absurdum geführt, wenn bereits – ohne Hinzutreten weiterer Umstände, wie etwa starkes Verkehrsaufkommen, etc – das Aussteigen, das eine Minute in Anspruch nimmt und das bloß ein einzelnes Fahrzeug kurzfristig behindert, unzulässig wäre.

Da der Beschwerdeführer sohin die im Verwaltungsstrafverfahren angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Zum Revisionsausspruch:                                                                                    

Eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs. 4 VwGG) ist nicht zulässig, da in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache keine Geldstrafe von über EUR 750,-- und keine (primäre) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und auch eine Geldstrafe von mehr als EUR 400,-- nicht verhängt wurde.

Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Taxi; Anhalten; 2. Spur; Fahrgast; Aussteigen; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.086.12312.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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