TE Vwgh Erkenntnis 2018/10/18 Ra 2018/19/0356

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Veröffentlicht am 18.10.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §47;
BFA-VG 2014 §21 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs6a;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler, die Hofrätin Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A N, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2018, Zl. W153 2188961- 1/8E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 12. September 2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Eine Abfrage im Eurodac-System ergab, dass der Revisionswerber am 21. Februar 2008 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe.

2 Der Revisionswerber gab im Wesentlichen an, seinen Heimatstaat vor etwa einem Monat verlassen zu haben. Er sei über den Iran, die Türkei, Griechenland und weitere, ihm unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Einen Antrag auf internationalen Schutz habe er im Lauf seiner aktuellen Flucht noch nicht gestellt. Er sei vor Jahren in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden, habe dort jedoch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In der Folge sei er über Frankreich nach Großbritannien gereist, wo er um internationalen Schutz angesucht habe. Aus Großbritannien sei er jedoch ohne Aushändigung einer Entscheidung nach Afghanistan abgeschoben worden, wo er sich etwa neun Jahre aufgehalten habe. Vor etwa drei Jahren habe er sich in Afghanistan eine Tazkira und einen Führerschein ausstellen lassen, diese Dokumente befänden sich aber noch im Herkunftsstaat.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) stellte am 18. September 2017 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) an die italienischen Behörden. Mangels Reaktion wurde diesen mit Schreiben vom 4. Oktober 2017 mitgeteilt, dass Italien nunmehr zur Durchführung des Verfahrens zuständig sei.

4 In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 19. Oktober 2017 brachte der Revisionswerber unter anderem vor, dass keine Zuständigkeit Italiens bestehe, weil er den Dublin-Raum für mehr als drei Monate verlassen habe. Außerdem beantragte er, bei den britischen Behörden anzufragen, wann seine Abschiebung nach Afghanistan stattgefunden habe. Im Lauf des Verfahrens legte der Revisionswerber überdies nachgesendete Kopien seiner Dokumente (laut seinen Angaben Geburtsurkunde und Führerschein), welche er sich nach seiner Rückkehr nach Afghanistan ausstellen lassen habe, vor.

5 In der Folge übermittelte das Bundesamt zwei Informationsersuchen an die britischen Behörden, in welchen es um Auskunft ersuchte, ob der Revisionswerber in Großbritannien einen Asylantrag gestellt habe und bejahendenfalls, ob er nach Italien oder Afghanistan abgeschoben worden sei. Diese Anfragen wurden seitens der britischen Behörden nicht beantwortet.

6 Mit Bescheid vom 7. Februar 2018 wies das Bundesamt den Antrag des Revisionswerbers als unzulässig zurück und stellte die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Antrages fest. Außerdem ordnete es die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Italien zulässig sei.

7 Begründend führte es im Wesentlichen aus, Italien habe der Übernahme des Revisionswerbers durch Verfristung zugestimmt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der Revisionswerber in Großbritannien aufgehalten habe, insbesondere liege kein entsprechendes Eurodac-Trefferergebnis vor. Es sei davon auszugehen, dass Großbritannien dem Auskunftsersuchen nachgekommen wäre, hätte es den Revisionswerber tatsächlich abgeschoben, außerdem seien die diesbezüglichen Angaben des Revisionswerbers widersprüchlich gewesen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Revisionswerber in den letzten Jahren in Europa aufgehalten habe und somit nach wie vor eine Zuständigkeit Italiens bestehe. Den vorgelegten Beweismitteln seien keine Datumsangaben zu entnehmen, außerdem könnten Dokumente in Afghanistan leicht erstanden werden. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers nach der EMRK gewährleistete Rechte verletzen würde.

8 Mit Erkenntnis vom 30. April 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

9 In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, der Revisionswerber habe im Februar 2008 in Italien um Asyl angesucht, welches aufgrund von Verfristung auch zur Prüfung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei. Ein Erlöschen der Zuständigkeit Italiens aufgrund mindestens dreimonatiger Ausreise könne nicht festgestellt werden. Andere Gründe, die gegen eine Ausweisung des Revisionswerbers nach Italien sprechen würden, seien nicht hervorgekommen. Der Revisionswerber sei zwischenzeitlich untergetaucht, weshalb sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert habe.

10 In seiner Beweiswürdigung verwies das Bundesverwaltungsgericht ausschließlich auf die Aktenlage. Insbesondere führte es aus, dass sich aus dieser nicht ergebe, dass die Zuständigkeit Italiens durch eine mindestens dreimonatige Ausreise des Revisionswerbers aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten erloschen wäre. Eine solche Ausreise habe er auch mit den vorgelegten Dokumenten nicht glaubhaft machen können.

11 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die bloße Behauptung, das Gebiet der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate verlassen zu haben, allein nicht genüge, um eine Zuständigkeitsverschiebung zu bewirken. Die vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, das Vorbringen des Revisionswerbers zu stützen, zumal diese keine Ausstellungsdaten enthalten würden und die Beschaffungspraxis solcher Dokumente, welche sich Antragsteller von Europa aus "besorgen" würden, evident sei. Taugliche Beweismittel, wie etwa ein Boardingpass oder Flugtickets, seien nicht vorgelegt worden. Auch das Vorbringen, der Revisionswerber habe im Jahr 2008 in Großbritannien um Asyl angesucht, habe nicht verifiziert werden können. Gegen diese Behauptungen spreche, dass es keinen diesbezüglichen Eurodac-Informationen gebe und von Großbritannien die Behördenanfrage wie üblich beantwortet worden wäre, hätte es den Antragsteller tatsächlich abgeschoben. Auch aus Art. 16 und 17 Dublin III-VO ergebe sich mangels familiärer und verwandtschaftlicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs. Gründe, die die Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts Österreichs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO erforderlich machen würden, seien nicht hervorgekommen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe aufgrund der Erfüllung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG genannten Kriterien abgesehen werden können.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:

13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhandlungspflicht sowie zur Beweiswürdigung abgewichen.

14 Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet. 15 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig,

zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat.

16 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu dem gemäß § 17 VwGVG auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 45 Abs. 2 AVG ausgesprochen hat, bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in die Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0051; 24.5.2018, Ra 2018/19/0199 sowie jüngst VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0343).

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein bloß allgemeiner Verdacht nicht genügt, um im Verfahren vorgelegten Urkunden generell den Beweiswert abzusprechen (VwGH 25.4.2014, 2013/21/0236 bis 0239, mwN).

18 Wie die Revision richtig aufzeigt, wurde diese Vorgabe im angefochtenen Erkenntnis missachtet: Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund der "Beschaffungspraxis solcher afghanischer Dokumente" pauschal davon aus, dass den vorgelegten Urkunden keine Beweiskraft zukomme, ohne sich im Einzelnen mit dem Beweiswert der konkret vorgelegten Urkunden auseinanderzusetzen und deren Beweiskraft fallspezifisch zu ermitteln.

19 Auch den oben dargelegten Anforderungen an die Beweiswürdigung wird die verwaltungsgerichtliche Begründung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise nicht gerecht:

20 Die Annahme, die britischen Behörden hätten auf das Auskunftsersuchen Österreichs reagiert, sofern sie den Revisionswerber tatsächlich abgeschoben hätten, stellt - wie die Revision richtig aufzeigt - eine reine Spekulation dar. Der angefochtenen Entscheidung sind keinerlei Erwägungen dazu zu entnehmen, warum eine ausbleibende Reaktion von Dublin-Behörden eines Mitgliedstaates darauf schließen lasse, dass sich ein bestimmter Antragsteller nicht in deren Hoheitsgebiet aufgehalten habe. Das einzig nachvollziehbare Argument, nämlich dass kein "Eurodac-Trefferergebnis" zu Großbritannien erzielt wurde, ist für sich allein jedoch nicht ausreichend, um die Feststellung zum Nicht-Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate zu tragen. Die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts erweist sich vor diesem Hintergrund als unschlüssig.

21 Das Bundesverwaltungsgericht sah überdies von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und begründet dies mit dem Vorliegen der in § 21 Abs. 7 BFA-VG genannten Voraussetzungen, ohne dies näher auszuführen.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren bereits ausgesprochen, dass die in § 21 Abs. 6a BFA-VG enthaltene Wendung "unbeschadet des Abs. 7" nur so verstanden werden kann, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Verhandlung jedenfalls immer dann zu unterbleiben hat, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG vorliegen. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob nach § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung von der Durchführung der Verhandlung Abstand genommen werden kann, nicht mehr (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

23 Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn dieser Bestimmung "geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht muss die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0412; 1.3.2018, Ra 2017/19/0410).

24 Diese Kriterien sind gegenständlich schon deshalb nicht erfüllt, da sich die Beschwerde substantiiert gegen die Beweiswürdigung des Bundesamtes wendete und sich die dort kritisierten Punkte auch auf die vom Revisionswerber vorgebrachte Abschiebung nach Afghanistan bezogen. Insbesondere mit dem die Beweiswürdigung des Bundesamtes bekämpfenden Beschwerdevorbringen, der Revisionswerber habe sich nach seinem ersten Aufenthalt in Europa mehrere Jahre in Afghanistan aufgehalten, wurde somit ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahren entgegenstehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, weshalb die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.

25 Folglich sind die weitere Vorgehensweise des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Zulässigkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung am Maßstab des § 21 Abs. 3 und 6a BFA-VG zu prüfen.

26 In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden - Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterbleiben. Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können (VwGH 19.10.2017, Ra 2017/20/0144, mwN).

Eine Beseitigung der gegebenen Ermittlungsmängel durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung erweist sich bei dieser Beurteilung insbesondere dann als zweckmäßig, wenn es gilt, allein die Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers einer näheren Beurteilung zu unterwerfen (vgl. in diesem Sinne VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072, Rn 48).

27 Fallbezogen liegen solche Ermittlungsmängel vor, die jedoch vom Bundesverwaltungsgericht in der für das Zulassungsverfahren gebotenen Eile beseitigt werden können, weil die Beweiswürdigung des Bundesamtes jener des Bundesverwaltungsgerichtes entspricht, welche - wie bereits dargelegt wurde - als unschlüssig anzusehen ist. Somit hätte es ausgehend von den nach der Aktenlage zur Verfügung stehenden Beweismitteln weiterer Ermittlungen durch eine ergänzende und nähere Befragung des Revisionswerbers bedurft, um die Glaubwürdigkeit seiner Angaben in gesetzmäßiger Weise beurteilen zu können.

28 Die Revision verweist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall, in dem das bisherige Ermittlungsverfahren zu keinen tragfähigen Ergebnissen gelangt ist und der Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers maßgebliche Bedeutung zukommt, sein Ermessen dahingehend auszuüben gehabt hätte, dass es gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG eine mündliche Verhandlung durchführt.

29 Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

30 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 18. Oktober 2018

Schlagworte

Beweismittel Urkunden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190356.L00

Im RIS seit

08.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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