TE OGH 2018/9/21 3Ob174/18m

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Veröffentlicht am 21.09.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei U***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die verpflichtete Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. Juni 2018, GZ 22 R 168/18m-19, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. April 2018, GZ 8 E 5319/17h-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung von 20.000 EUR zu entfallen hat.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 418,77 EUR (hierin enthalten 69,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2017 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund eines vollstreckbaren Urteils des Erstgerichts, soweit in dritter Instanz relevant, die Exekution durch zwangsweise Räumung des Verteilerraums der Bergstation der von der Betreibenden betriebenen Seilbahn hinsichtlich der Verkabelung in einem näher umschriebenen Bereich.

Die Verpflichtete erhob daraufhin beim Erstgericht eine Oppositionsklage und beantragte die Aufschiebung der anhängigen Räumungsexekution bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens. Ihr sei mit (nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Titelverfahren erlassenem) Bescheid der Telekom-Control-Kommission (TKK) vom 18. Dezember 2017 ein Mitbenutzungsrecht iSd §§ 8 ff TKG 2003 (ua) am Stationsgebäude der Bergstation der Betreibenden für die Errichtung und den Betrieb von Kommunikationsanlagen eingeräumt worden. Der genannte Bescheid sei zwar noch nicht rechtskräftig, aber seit dem 22. Dezember 2017 rechtswirksam und in Geltung; das Bundesverwaltungsgericht habe dem Antrag der Betreibenden, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht stattgegeben. Der betriebene Räumungsanspruch sei deshalb gehemmt „oder derzeit bis auf weiteres aufgehoben und beseitigt“.

Zu ihrem Aufschiebungsantrag brachte die Verpflichtete vor, sie versorge über ihre von der Räumungsverpflichtung betroffene Telekommunikations-anlage rund 100 Kunden mit Breitbandinternet, Telefonie, Notrufdienst etc. Im Fall der exekutiven Räumung würden alle ihre Telekommunikationskunden ihre Verträge auflösen und hätten überdies die Möglichkeit, Schadenersatz zu fordern. Die Verpflichtete lukriere aus den mit ihren Kunden vertraglich vereinbarten Entgelten für die von der Station der Betreibenden bereitgestellten Telekommunikationsdienste monatlich ein Entgelt von rund 4.000 bis 5.000 EUR. Diese Einnahmen würden zur Gänze entfallen, wenn die Anlage nicht mehr betrieben werden könnte. Darüber hinaus drohe ihr ein enormer Imageverlust. Demgegenüber sei ein der Betreibenden aus einem (vorläufigen) Aufrechtbleiben der Anlagen drohender Nachteil nicht erkennbar.

Die Betreibende sprach sich gegen die Aufschiebung der Exekution aus. Wenn überhaupt, komme eine Aufschiebung nur bei Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro in Betracht.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Ein Vermögensnachteil iSd § 44 Abs 1 EO liege grundsätzlich nur dann vor, wenn der Aufschiebungswerber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, also insbesondere wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des allenfalls Ersatzpflichtigen nicht damit rechnen könne, Ersatz für seinen aus der allenfalls unbegründeten Exekutionsführung resultierenden Schaden erlangen zu können. Solches habe die Verpflichtete nicht einmal behauptet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten (teilweise) Folge und schob die Räumungsexekution gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 20.000 EUR bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängige Oppositionsklage auf. Die vorliegende Räumungsexekution weise die Besonderheit auf, dass ihr Vollzug nicht nur, wie im Normalfall, zur Entfernung von Personen und beweglichen Sachen der Verpflichteten und zur Übergabe der Liegenschaft an die Betreibende in diesem Zustand führe, sondern die Vollstreckung des Titels zwangsläufig das Nichtfunktionieren der von der Verpflichteten im öffentlichen Interesse betriebenen Wireless-Lan-Funkanlage zur Folge hätte, weil im zu räumenden Bereich des Verteilerraums wesentliche Anlagenteile wettergeschützt untergebracht seien. Der Vollzug der Räumungsexekution hätte offenkundig die weitreichende Folge, dass die Verpflichtete, die ein öffentliches Hochgeschwindigkeitsnetz für die elektronische Kommunikation bereitstelle und öffentliche Kommunikationsdienste in Österreich gewerblich erbringe, einen von ihr betriebenen Hauptknoten von Wireless-Lan-Verbindungen und Funkverbindungen abschalten müsste. Damit sei aber die Gefahr iSd § 44 Abs 1 EO offenkundig, sodass die Aufschiebungswerberin sie nicht bescheinigen und auch nicht näher behaupten habe müssen. Die Aufschiebung der Exekution sei auch nicht geeignet, die Befriedigung der Betreibenden zu gefährden. Da der Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 18. Dezember 2017 infolge Anfechtung durch die Betreibende noch nicht rechtskräftig sei und auch nicht ausdrücklich den Verteilerraum betreffe, sei die Aufschiebung gemäß § 44 Abs 2 Z 1 EO von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Oppositionsklage, der Tatsache, dass die Verpflichtete dem Titel schon längere Zeit nicht entsprochen und die auf dem Bescheid vom 18. Dezember 2017 beruhende Oppositionsklage erst kurz vor dem für den 12. April 2018 anberaumten Räumungstermin eingebracht habe, sowie der finanziellen Leistungsfähigkeit der Verpflichteten, die nach ihrem eigenen Vorbringen von ihren Kunden für die von der Bergstation der Betreibenden bereitgestellten Telekommunikationsdienste monatlich rund 4.000 bis 5.000 EUR einnehme, sei die Sicherheitsleistung mit 20.000 EUR festzusetzen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 163/13m auf seine auf der Entscheidung 3 Ob 63/04t beruhende Vorjudikatur und auf die diesbezügliche Kritik im Schrifttum nicht eingegangen sei und eine Stellungnahme des Höchstgerichts zur Offenkundigkeit der Gefahr iSd § 44 Abs 1 EO bei der zwangsweisen Räumung von Objekten, mit denen dringende Geschäftsinteressen der Verpflichteten verknüpft seien, zur Wahrung der Rechtssicherheit geboten sei.

Mit ihrem Revisionsrekurs wendet sich die Verpflichtete gegen die Auferlegung der Sicherheitsleistung dem Grunde und der Höhe nach.

Die Betreibende beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Dem Räumungstitel liegt zugrunde, dass die Betreibende jenen Vertrag, aufgrund dessen die Verpflichtete ihre Anlage an und in der Bergstation errichtet hat, wirksam aufgekündigt und damit dessen automatische Verlängerung verhindert hat. Mit dem Bescheid der TKK wurde die sinngemäße Wiederanwendung der maßgeblichen Bestimmungen der seinerzeitigen Vereinbarung der Parteien angeordnet.

2. Da der Bescheid der TKK vorläufig rechtswirksam, aber noch nicht rechtskräftig ist, bewirkt die in ihm (vorläufig rechtswirksam) angeordnete Wiederanwendung jenes Vertrags, aufgrund dessen die Verpflichtete die Bergstation für ihre Anlage nutzen durfte, zwar (noch) nicht den Wegfall, wohl aber – im Sinn des Oppositionsklagebegehrens – die Hemmung des titulierten Räumungsanspruchs.

3. Gemäß § 44 Abs 2 EO ist die Aufschiebung der Exekution ua dann von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn die Tatsachen, auf die sich die Einwendungen gegen den Anspruch oder gegen die Exekutionsbewilligung (§§ 35 und 36 EO) stützen, nicht durch unbedenkliche Urkunden dargetan sind (Z 1), oder wenn die Aufschiebung der Exekution die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu gefährden geeignet ist (Z 3).

4. Dass der vorgelegte Bescheid der TKK noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, hindert angesichts seiner vorläufigen Rechtswirksamkeit entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht seine Qualifikation als unbedenkliche Urkunde iSd § 44 Abs 2 Z 1 EO. Ebenso wenig schadet es, dass der Verteilerraum im Bescheid nicht ausdrücklich genannt ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass der (vorläufig) rechtswirksame Bescheid die Wiederanwendung des seinerzeitigen Vertrags anordnet, aufgrund dessen die Verpflichtete (auch) den Verteilerraum nutzte. § 44 Abs 2 Z 1 EO ist deshalb im vorliegenden Fall keine taugliche Grundlage für die Auferlegung einer Sicherheitsleistung.

5. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob trotz Vorlage unbedenklicher Urkunden iSd § 44 Abs 2 Z 1 EO die Aufschiebung der Exekution unter Umständen – nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Z 3 EO – dennoch vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann (so 3 Ob 139/78; 3 Ob 102/06f; Jakusch in Angst/Oberhammer3 § 44 EO Rz 21; ggt 3 Ob 177/06k), weil das Rekursgericht ohnehin zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Aufschiebung der Räumungsexekution nicht geeignet ist, die Befriedigung der Betreibenden zu gefährden.

6. Der angefochtene Beschluss ist deshalb wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Verpflichtete hat im Zwischenstreit über die Auferlegung der Sicherheitsleistung obsiegt.

Textnummer

E123067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00174.18M.0921.000

Im RIS seit

07.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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